# taz.de -- Demo vor dem Brandenburger Tor: Gegen das Stigma | |
> Am Tag der Schizophrenie kommt in Berlin die Community zusammen. Sie will | |
> für Entstigmatisierung der Krankheit kämpfen und Aufmerksamkeit schaffen. | |
Bild: Es herrscht viel Unwissen über Schizophrenie | |
BERLIN taz | Mitten auf dem Pariser Platz steht eine kleine Menschengruppe | |
und lauscht. Sie lauscht Hannah Ree, die schon von Weitem an ihrer blauen | |
Perücke zu erkennen ist. Zum Tag der Schizophrenie am Mittwoch hat sie eine | |
Kundgebung angemeldet. Das Ziel: Aufmerksamkeit auf die Menschen lenken, | |
die mit Schizophrenie leben. Ihre Perücke sei dazu da, unerkannt zu | |
bleiben, erklärt Ree. Sie fürchtet, durch den offenen Umgang mit ihrer | |
Erkrankung diskriminiert zu werden. | |
In Deutschland leben rund 400.000 Menschen mit Schizophrenie – etwa ein | |
halbes Prozent der Bevölkerung. Durch Unwissenheit in der Öffentlichkeit | |
haben erkrankte Menschen noch immer [1][mit Stigmata zu kämpfen]. Dass sie | |
zum Beispiel an einer „gespaltenen Persönlichkeit“ leiden, wie vielfach | |
angenommen wird, ist falsch. | |
Der Begriff Schizophrenie bedeutet zwar so viel wie „gespaltenes | |
Bewusstsein“. Von einer Spaltung kann allerdings nur insofern die Rede | |
sein, als gesunde und kranke Verhaltensweisen nebeneinander existieren. Das | |
Gedächtnis beispielsweise kann völlig gesund sein, während andere | |
Fähigkeiten beeinträchtigt sind. Zudem sind nicht alle Betroffenen | |
chronisch erkrankt. Schizophrenie tritt eher in Schüben auf, die Wochen bis | |
Monate andauern können. Zudem ist die Krankheit heilbar. | |
Auch Hannah Ree spricht von Ihrer Erkrankung in der Vergangenheitsform. | |
Trotzdem engagiert sie sich weiter. „Mich motivieren die Berichte von | |
Diskriminierung anderer Betroffener“, erzählt sie der taz. Die Community | |
ist gut vernetzt. Vor allem über Facebook-Gruppen tauschen Betroffene ihre | |
Erfahrungen aus. | |
## Touris strömen durch die Demo | |
Ein bisschen bizarr wirkt die Veranstaltung dann doch. Die Schulklassen, | |
Fahrradtouris und Selfie-Macher, die durch die Demo strömen, lassen ein | |
skurriles Gesamtbild entstehen. Manchmal bleiben sie stehen, hören etwas | |
zu, gehen kurz darauf weiter. Die aufmerksamen Zuhöher:innen überwiegen | |
aber. | |
Eine junge Frau geht durch die Demo und verteilt grüne Schleifen. Auf ihrem | |
Hoodie steht „Missing Peace“. So wie das Tragen einer roten Schleife | |
Verbundenheit mit HIV-Erkrankten zeigt, soll die grüne Schleife Solidarität | |
mit psychisch erkrankten Menschen zum Ausdruck bringen. | |
Die Frau heißt Franziska Schreier und erzählt der taz, sie sei selbst | |
Betroffene. Sie will „Toleranz schüren – auch für alle anderen psychischen | |
Erkrankungen“. Bei depressiven Menschen beispielsweise sehe sie | |
Fortschritte in Sachen Toleranz. Schwieriger sehe es hingegen bei an | |
Schizophrenie Erkrankten aus. „Ich engagiere mich, weil ich’s will und weil | |
ich’s kann“, sagt sie selbstbewusst. | |
25 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Die-These/!5859279 | |
## AUTOREN | |
Leonel Steinbrich | |
## TAGS | |
Schizophrenie | |
Demonstration | |
Entstigmatisierung | |
Ärztlich assistierter Suizid | |
Depression | |
Psychiatrie | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Assistierter Suizid bei Depressionen: Wie frei entscheiden psychisch Kranke? | |
Nach einer Suizidbeihilfe für eine hochdepressive Frau steht ein Berliner | |
Arzt wegen Totschlag unter Anklage. Es könnte ein Präzedenzfall werden. | |
Woche der seelischen Gesundheit: Kinder brauchen bessere Hilfe | |
Mehr Gruppentherapien und frühzeitige Medikamente verbessern die | |
Versorgung, so Christine Freitag von der Gesellschaft für Kinder- und | |
Jugendpsychiatrie. | |
Die These: Die Mär von den gefährlichen Irren | |
Psychiatrische Diagnosen werden bei Amoktaten ganz selbstverständlich | |
genannt. Dabei erklärt die Nennung gar nichts – und führt zur | |
Stigmatisierung. |