| # taz.de -- Weiße Touristen in der Moschee: Entlarvende Fragen | |
| > Manche Touristen haben Angst vor schmutzigen Teppichen, andere fragen | |
| > nach Allah und Hitler. Beobachtungen in einer Moschee in Istanbul. | |
| Bild: Besucher einer Moschee waschen sich die Füße | |
| Ich war neulich in ’ner Moschee. Soll vorkommen, Mohamed in ’ner Moschee. | |
| Dabei war ich wirklich seit Ewigkeiten nicht in einem muslimischen | |
| Gotteshaus. In [1][Istanbul] auf der Stadtführung ging es in das große, | |
| mächtige, kühle Gebäude und ich habe mich wirklich gefreut. Meine Füße | |
| taten weh und ich wollte mich einfach mal kurz ausruhen. | |
| Schon an der Tür ist mir dieser eine Tourist aufgefallen. Er trug Shorts, | |
| die so eng waren, dass sie wie eine Windel wirkten, eine ärmellose Weste | |
| ohne T-Shirt drunter, eine riesige Kamera um den Hals. Er stellte der | |
| Mitarbeiterin an der Tür aufgeregt im gebrochenen Englisch eine Frage. Vom | |
| Akzent her müsste er französischsprachig sein. Eine weitere Mitarbeiterin | |
| kam hinzu, ihr Englisch war exzellent. Er kam ihr sehr nahe und sagte: „Is | |
| the carpet clean enough for my feet?“ Er zeigte auf seine nackten Füße und | |
| fragte erneut, ob der Teppich sauber genug sei, sodass er barfuß in die | |
| [2][Moschee] könne. Die Mitarbeiterin, etwas konsterniert, versicherte, | |
| dass die Moschee laufend geputzt werde. Sie zeigte auf mehrere ihrer | |
| Kolleg*innen, die mit Staubwedel und Staubsauger unterwegs waren. | |
| Er ließ aber nicht locker, behauptete, der Teppich sei dreckig, und | |
| eigentlich wolle er nicht barfuß darauf laufen. Die Mitarbeiterin atmete | |
| tief durch, versicherte erneut, dass er nichts zu befürchten habe. Es ging | |
| hin und her. Sie sagte – für meinen Geschmack etwas zu höflich –, er sei | |
| sehr unhöflich. Dann trottete er durch die Moschee und belästigte jede | |
| Person, die ihm muslimisch erschien. Unsere Fremdenführerin (finde lustig, | |
| dass ich in der Moschee als fremd gelte) erzählte was zur Architektur. Ich | |
| war aber vom white Tourist so fasziniert, dass ich mir die x-te Ausführung | |
| zum Schwung der Bögen nicht wirklich angehört habe. | |
| ## „The carpet is very dirty!“ | |
| Dann durften wir uns für einige Minuten alleine umschauen. Gérard, so habe | |
| ich ihn im Gotteshaus getauft, stand nun neben einem Regal mit | |
| Gratis-Koranen. Er nahm sich eine französische Übersetzung, ging auf ein | |
| Pärchen zu, das gerade verliebt Fotos für Instagram machte. Er erhob den | |
| Mittelfinger und sagte: „The carpet is very dirty!“ Sie verstanden nicht, | |
| ignorierten ihn. Dann machte er lächelnd Fotos von der Moschee mit seiner | |
| Kamera, verfolgt von einer Mitarbeiterin mit Staubsauger, die überall, wo | |
| er hingetreten war, mit viel Druck den Dreck beseitigte. | |
| Ich wollte mich gerade wieder meiner Gruppe anschließen, da gingen zwei | |
| (mutmaßliche) Almans auf einen jungen Mann zu, der ebenfalls in der Moschee | |
| arbeitete und Fragen beantwortete. Auf Englisch mit sehr starkem | |
| Alman-Akzent fragten sie ihn etwas, was sie schon immer umgetrieben hat: | |
| „Why did your Allah let [3][Adolf Hitler] kill so many people?“ Ich blickte | |
| zu ihm. Er war anscheinend an solche Fragen gewöhnt und setzte routiniert | |
| an, zu antworten. Für mich war es der richtige Zeitpunkt, mehr über | |
| geschwungene Bögen zu lernen. Alles besser, als den entlarvenden Fragen | |
| weißer Touris in der Moschee zuzuhören. | |
| 29 Jun 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mohamed Amjahid | |
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