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# taz.de -- Hackaday-Treffen in Berlin: Technologische Ermächtigung
> Für Tipps aus der Maker- und Hackerszene muss man nicht unbedingt
> Computer programmieren können. Ein Marmeladenglas abwaschen reicht
> manchmal auch.
Bild: Nicht nur für coole Kids in Hoodies: Beim Hackaday liegen Lötkolben fü…
Berlin taz | Hacker:in sein ist leicht. Weiche ein Marmeladenglas ein,
spül es aus, entferne das Etikett und benutze es als Trinkglas. Der Begriff
“Hacken“ steht für kreativen Umgang mit Technologie, also auch
Marmeladenglas-Technologie und nicht nur für coole Kids in Hoodies, die in
fremde Computer einbrechen. Die aus dem DIY („do it yourself“) erwachsene
Make-Bewegung hat ihren Namen vom englischen Wort für „machen“ oder
„schaffen“. Die Übergänge zwischen Hacken und Maken sind fließend, beide
vereint neben der Kreativität der Drang nach Offenheit, freier
Zugänglichkeit, Diversität, Wissensaustausch und Wiederverwendbarkeit.
Es gibt eine lebendige Lifehack-Kultur auf Tiktok, wo lebensvereinfachende
Tricks wie das Basteln von Handyhaltern aus Trinkflaschen ausgetauscht
werden, mittlerweile existieren neben zahllosen Youtube-Kanälen und
Webseiten in vielen Städten jeder Größe [1][Repair-Cafés], in denen
Menschen sich gegenseitig beibringen, wie man Dinge repariert, statt sie
wegzuschmeißen, es gibt Make- und Hackerspaces, in denen Wissen und
Werkzeug bereitgestellt werden, Einplatinen-Experimentiercomputer finden
reißenden Absatz. Eine stetig wachsende Gemeinschaft nutzt die
Möglichkeiten zur technologischen Ermächtigung und ist damit längst zu
einem wichtigen politischen, kulturellen und kommerziellen Faktor der
Informationsgesellschaft geworden.
Hackaday ist seit 18 Jahren [2][ein internationaler Blog] in englischer
Sprache, sein Thema ist das Hacken von Hardware. Die Beiträge beschreiben
die verschiedensten Projekte; Vögel-Füttermaschinen, einen Windkanal aus
Pappe für das Testen von Papierflugzeugen, Prototypen für die Reduzierung
von Weltraummüll bis zum Google-befreiten Selbstbauhandy.
Daneben stehen aber auch kritische Texte etwa zu künstlicher Intelligenz
oder dem neu von der Europäischen Kommission angenommenen [3][Vorschlag zum
„Recht aufs Reparieren“]. Seit 2004 bietet Hackaday zusätzlich [4][eine
Plattform], auf der über hunderttausend Menschen ihre Bauanleitungen,
-pläne und Material öffentlich machen. Im Schnitt alle zwei Jahre findet
ein Treffen irgendwo auf der Welt statt, in diesem Jahr in Berlin in den
Räumen des „MotionLab“.
## Aufkleber und hackbare Gadgets
Dort angekommen erwartet den Besucher beim Check-in eine Tragetasche
gefüllt mit T-Shirt, Aufklebern und ein paar hackbaren Gadgets. Das
Erstaunlichste darunter ist gleichzeitig das Namensschild des Besuchers:
Eine Platine mit einem 4-Bit-Retro-Computer darauf. Die Besucherschaft ist
bunt gemischt. Weiße Cis-Männer sind nach wie vor weit in der Überzahl,
aber es gibt eben nicht nur sie. Lebendiges Gewusel und Gespräche überall,
die Tische sind fast alle mit Laptops, Platinen und Lötkolben belegt, freie
Plätze sind Mangelware, es ist nicht mehr viel Platz im Hackerspace. Schon
nach kurzer Zeit [5][erwachen die Leuchtdioden] auf den Namensschildern der
schnellsten Hacker- und Maker:innen zum Leben.
Das [6][Tagesprogramm] besteht aus Vorträgen und zwei Workshops: einem, in
dem man lernt, wie man einen Chip entwirft, und einem anderen, in dem
Roboter gebaut werden. Hier nur ein paar der zahlreichen Vorträge: Jiska
Classen redet über [7][kabellose Sicherheit und wie man sie knacken kann].
James Burton darüber, wie es ist, ein Vollzeit-Youtuber zu sein und wie man
dazu wird. Auf die Frage, ob er seine Inhalte denn statt auf Youtube auch
auf alternativen, nicht datenkapitalistischen Plattformen veröffentlichen
würde, antwortet er „klar, wenn ich dort das gleiche Geld verdiene“, was
deutlich macht, dass Alternativen wie Peertube so lange unattraktiv für
hauptberufliche Inhaltanbieter sein werden, wie sie ihnen keine
Möglichkeiten zur Monetarisierung ihrer Arbeit bieten.
Ali Shtarbanov stellt [8][eine Plattform] vor, mit der man pneumatische
Experimente mit Luft und Wasser realisieren kann. Die Dateien für den
Selbstbau sind frei im Internet zu haben. Die Künstlerin und Technologin
Astrid Bin zeigt ihre „vulkanische Harfe“, deren Klänge durch die Gefühle
des Musikers beeinflusst werden.
Bleeptrack redet über ihre generative Kunst, besonders schön das „[9][Plant
Human Interface“], das sie in Zusammenarbeit mit der LoRaWan-Gruppe aus dem
[10][Ulmer Verschwörhaus] geschaffen hat. Es verbindet über eine Sensorik
die Zustände von Pflanzen mit den Interaktionen des Betrachters.
Zwischendurch gibt es zahlreiche offene 7-minütige „Lightning Talks“. Unter
anderem stellt sich der [11][Berliner Hack+Makespace xHain] vor, den man
immer montags besuchen kann, [12][transrescue.org] rettet trans Personen,
die in Gefahr sind, an sichere Orte und bietet an, Jobs zu vermitteln, eine
Person aus dem Publikum hält eine Rede, in der sie die anwesenden
Maker:innen bittet, Geräte zu schaffen, kleine Begleiter, die auf
ihre:n Besitzer:in aufpassen, denen man jeden Aspekt des eigenen Lebens
an- und mehr vertrauen kann als einem Handy. Und es gibt einen Vortrag über
einen neuen Marktplatz für Maker:innen, auf dem sie ihre Erzeugnisse
verkaufen können, das ist insofern interessant, als dass die Firma
Supplyframe, der der Hackaday-Blog gehört und die ihrerseits 2021 von
Siemens gekauft wurde, selbst einen eigenen solchen Marktplatz besitzt.
Stärker als auf vergleichbaren, weniger gut gesponserten Veranstaltungen
treten auf dem Hackaday die Widersprüche paritätischer Technologiearbeit
zutage. Idealistisch prekär arbeitende Menschen und Organisationen auf der
einen, technophile gutsituierte Freigeister und Kommerzialisierung auf der
anderen Seite. Darauf angesprochen sagt Elliot Williams, der seit 2012
Chefredakteur von Hackaday ist, dass die großen Firmen sich dabei
überschlagen, einen Fuß in den Maker:innen-Markt zu kommen. Er sieht die
vornehmlich über Anzeigen finanzierte Arbeit des Blogs aber als Dienst an
der Community und in der Wissensvermittlung.
Am Ende ist der Hackaday ein Ort der Inspiration, der einmütigen
Zusammenarbeit und des wilden, offenen und persönlichen Austauschs. Man
spürt, wie sehr seine Besucher:innen, die die letzten Jahre noch mehr als
sonst an ihre Endgeräte gefesselt waren, das genießen.
30 Mar 2023
## LINKS
[1] https://berlin.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/recycling/32783.html
[2] https://hackaday.com/
[3] https://hackaday.com/2023/03/27/europes-proposed-right-to-repair-law-a-game…
[4] https://hackaday.io
[5] https://mastodon.social/@simenzhor/110085438509692433
[6] https://hackaday.io/berlin2023/
[7] https://hackaday.com/wp-content/uploads/2023/03/jiska_v1.pdf
[8] https://www.softrobotics.io/
[9] https://www.bleeptrack.de/projects/plant-human-interface/
[10] https://verschwoerhaus.de/
[11] https://x-hain.de/de/
[12] https://transrescue.org/
## AUTOREN
Ulf Schleth
## TAGS
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