# taz.de -- Kosovos Ex-Präsident vor Gericht: Worte des Bedauerns für die Opf… | |
> Hashim Thaçi muss sich wegen Kriegsverbrechen vor einem Sondertribunal in | |
> Den Haag verantworten. Für seine Anhänger ist er immer noch ein Held. | |
Bild: Hashim Thaci (l), ehemaliger Präsident des Kosovo, verteidigt sich vor d… | |
Sarajevo taz | Für den früheren Kosovo-Präsidenten Hashim Thaçi steht mit | |
der Verhandlung vor dem Sondertribunal im niederländischen Den Haag | |
politisch und persönlich viel auf dem Spiel. Ganz gleich, wie das Urteil | |
[1][in diesem Kriegsverbrecherprozess] ausfallen wird: Der 54-jährige | |
Ex-Präsident und frühere politische Führer der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK | |
will sein Renommee als heroische Figur des Freiheitskampfes Kosovos gegen | |
Serbien gewahrt wissen. Mit der Verhandlung könnte diese Hoffnung jedoch | |
zerstört werden. | |
Für Tausende Kosovaren, die am Dienstag vor dem Gericht in Den Haag für ihn | |
demonstrierten, ist die Anklage absurd. Thaçi sei ein Kriegsheld, der das | |
Land von serbischer Herrschaft befreit und 2008 in die Unabhängigkeit | |
geführt habe, lautete ihre Botschaft. | |
Seine Unterstützer sehen in dem Gerichtsverfahren eine einseitige | |
Verurteilung der albanischen Kämpfer, die sich im Befreiungskrieg 1998/99 | |
lediglich gegen die serbische Soldateska zur Wehr gesetzt hätten. Gegen | |
mutmaßliche serbische Kriegsverbrecher würde nach der Schließung des | |
UN-Tribunals 2017 jetzt nicht einmal mehr ermittelt, beklagten viele der | |
Demonstranten am Dienstag. | |
Thaçi und seine drei Mitangeklagten müssen sich vor einem Sondergericht der | |
Republik Kosovo verantworten, das den Gesetzen Kosovos verpflichtet ist. | |
Das Gericht tagt in Den Haag, ist aber nicht mit dem UN-Tribunal für | |
Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien zu verwechseln. | |
## Folter und Verschleppung | |
In zehn Anklagepunkten werden ihm und seinen drei Mitangeklagten – Kadri | |
Veseli, Jakup Krasniqi und Rexhep Selimi allesamt führende Mitglieder der | |
UÇK – [2][Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit] zur | |
Last gelegt. Sie sollen für den Tod von 100 Menschen, Folter und | |
Verschleppung im Zeitraum 1988/1999 verantwortlich sein. | |
Der Chefankläger des Kosovo-Sondergerichts, der amerikanische Jurist Alex | |
Whiting – er war bereits am UN-Tribunal tätig – sagte zum Auftakt der | |
Verhandlung, es könne keine Rechtfertigung „für die willkürliche | |
Inhaftierung von Zivilisten und Personen und für ihre Misshandlung, Folter | |
und Ermordung“ geben. Niemand dürfe über dem Gesetz stehen, auch nicht in | |
Kriegszeiten. | |
Für Whiting kommt es offenbar nicht darauf an, ob Thaçi und seine | |
Mitangeklagten selbst gemordet und gefoltert haben. Es reiche, wenn sie von | |
den Verbrechen wussten, aber nichts unternommen hätten, um diese zu | |
verhindern. Sie hätten schließlich die Befehlsgewalt gehabt, heißt es in | |
der Anklage. | |
Ob diese Anklage standhält, wird sich erweisen. Bei den Prozessen vor dem | |
UN-Tribunal in Den Haag reichte die Kenntnis von Kriegsverbrechen allein | |
nicht aus. Thaçi hielt sich während des Krieges 1998 in Albanien auf und | |
versuchte als politischer Führer von dort aus, die Westmächte zu einem | |
militärischen Eingreifen im Kosovo zu bewegen und die Aktionen der UÇK mit | |
der Nato zu koordinieren. Was schließlich auch gelang. Die Nato | |
bombardierte ab Ende März 1999 serbische Stellungen und Befehlszentralen in | |
Serbien und dem Kosovo. | |
## Bodenarmee der Nato | |
Am zweiten Tag seines Prozesses äußerte Thaçi sein Bedauern für die Opfer | |
des Krieges 1998/99. Er empfinde „Trauer und Schmerz“ für alle 13.000 | |
Opfer. Die meisten dieser Toten waren Opfer serbischer Angriffe und | |
ethnisch motivierter Vertreibungen. | |
Die im Kosovo befindlichen UÇK-Einheiten waren eng mit den Nato-Aktivitäten | |
verknüpft und galten militärischen und journalistischen Beobachtern bis | |
Kriegsende im Juli 1999 als Bodenarmee der Nato. Die in der Anklage | |
aufgeführten Übergriffe auf serbische Zivilisten sollen im Einzelnen | |
nachgewiesen werden. | |
Thaçi wies zum Prozessauftakt aber alle Vorwürfe zurück und plädierte in | |
sämtlichen Anklagepunkten auf nicht schuldig. Es wird mit einem längeren | |
Verfahren gerechnet: Die Anklage wird nach eigenen Angaben zwei Jahre | |
benötigen, um ihren Fall darzulegen. Auf diesen Zeitraum müssen die | |
Angeklagten sich jetzt einrichten. | |
4 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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