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# taz.de -- Osman wird tiefer gelegt: Der Kopftuch-Trick
> Die Frau mit dem Kopftuch musste sich mal wieder am Schalter demütigen
> lassen. Also half ich ihr – und lernte viel dabei.
Bild: Bundestags-Besucher*innen mit Kopftuch. Aber was sagt das schon?
Mein Sohn Mehmet hat in nächtelanger Schwerstarbeit unseren Ford Transit
ein ganzes Stück tiefer gesetzt, obwohl der arme Wagen ohnehin am Boden
liegt, wenn wir alle einsteigen.
„Vater, ich war für diesen Geniestreich zuständig und du musst den
bürokratischen Kram erledigen“, prahlt er stolz und schickt mich zur
Zulassungsstelle, um diese völlig unnötige Tieferlegung eintragen zu
lassen.
Ich ziehe im großen Saal eine Nummer vom Automaten und setze mich hin.
Plötzlich höre ich wie ein Beamter brüllt:
„Hier nix Sozialamt! Du gehen erst Gebühr zahlen! Gebühr! Geld! Para,
para!“
Zum Glück bin diesmal nicht ich gemeint.
Die Frau, die auf keinen Fall die Zulassungsstelle mit dem Sozialamt
verwechseln soll, steht unsicher vor dem Schalter, zupft verschämt an ihrem
[1][Kopftuch] rum und bringt kein Wort heraus.
Das verleitet den Schalterbeamten dazu, noch einen grandiosen Witz gleich
hinterherzuschieben.
„Hier nix Aldi!“, und fuchtelt mit einer Aldi-Tüte rum, die er wohl für
solche Fälle vorsichtshalber bei sich deponiert hat.
Sofort biete ich der Dame meine Hilfe an. Der Satz „hier nix Aldi“ schweißt
ungemein zusammen.
Sie drückt mir ihre Unterlagen in die Hand und lässt sich erschöpft auf
meinen Stuhl fallen.
Ich spurte sofort los und knapp eine halbe Stunde später bin ich wieder
zurück.
„Hier, gnädige Frau, alles erledigt! Und keine Sorge, niemand hat mir eine
[2][Aldi-Tüte] über den Kopf gezogen. Mir gegenüber waren die Brüder
richtig freundlich“, lächele ich.
„Freundlich? Das wüsste ich aber! Nur weil ich aufm Kopf ein paar
Lockenwickler trage, werde ich von diesen Idioten ständig schikaniert“,
jammert sie.
„Sie sind vielleicht lustig! Das nennt man nicht Lockenwickler. Das heißt
Kopftuch.“
„Mit dem Kopftuch will ich doch nur was verstecken“, meint die Frau
grundehrlich.
„Genau wie meine Frau. Sie will mit dem Kopftuch auch nur ihre weißen Haare
verstecken“, tröste ich sie.
„Sind Sie verrückt?! Ich habe doch keine weißen Haare. Mein Problem ist,
dass mein Mann mich immer im ungünstigsten Moment zur Zulassungsstelle
schickt, um einen seiner bescheuerten Wagen umzumelden. Wir haben ein
kleines Autohaus, wissen Sie?“, stöhnt sie.
„Ach, Sie sind gar keine Türkin?“, frage ich ziemlich überrascht.
„Natürlich nicht. Aber wenn ich das Kopftuch auf habe, hält mich jeder für
eine Türkin. Ich kann doch nicht auf der Straße mit einem Dutzend
Lockenwicklern aufm Kopf rumlaufen. Also binde ich mir schnell ein Tuch um
die Haare. Aber dann werde ich von den Idioten hier jedes Mal total blöd
angemacht, von wegen ‚hier nix Sozialamt, hier nix Aldi!‘“
„Gnädige Frau, gehen Sie doch lieber ab und zu mal zum Frisör und lassen
Sie sich eine Dauerwelle verpassen. Glauben Sie mir, der nervigste
dauerlabernde Barbier ist bei weitem nicht so schlimm, wie ein blöder
[3][Rassist]!“
„Ist schon okay so“, lächelt sie zufrieden. „Es hat auch seine Vorteile.
Bisher hat mir jedes Mal sofort irgendein Türke geholfen und die nervige
Laufarbeit erledigt!“
In einer früheren Fassung dieses Textes war irrtümlich vom TÜV statt von
der Zulassungsstelle die Rede. Wir haben den Fehler korrigiert und weisen
bei der Gelegenheit noch einmal darauf hin, dass es sich um eine satirische
Kolumne handelt.
10 Apr 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Osman Engin
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Muslime in Deutschland
Kolumne Alles getürkt
Kopftuch
Alltagsrassismus
Ostern
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