# taz.de -- Projektmitarbeiter über Alterseinsamkeit: „Seit 10 Jahren nieman… | |
> Einsamkeit ist vor allem für Senior*innen ein großes Problem. Arne | |
> Klettke bringt alte Menschen mit Ehrenamtlichen zusammen. | |
Bild: Von dem Tandem-Projekt KlingelZeit profitieren Alt und Jung | |
taz: Was machen Ehrenamtliche und Senior:innen zusammen, wenn sie sich | |
treffen? | |
Arne Klettke: Wir haben ein Tandem in Südneukölln, da ist der Senior über | |
90 und die Freiwillige auch schon um die 60 und die machen zusammen immer | |
Radtouren, vor allem im Sommer. Da haben beide was davon, der Senior kennt | |
tolle Routen in Südneukölln und Brandenburg. Wir haben auch Tandems, die | |
Karten spielen, spazieren gehen oder Kaffee trinken. Manche quatschen auch | |
einfach nur miteinander am Telefon. | |
Wie wählen Sie aus, wer zusammenpasst? | |
Bevor wir vermitteln, lernen wir alle in einem Gespräch kennen. Wir fragen | |
sie, was ihre Hobbys, Interessen, Erwartungen und Wünsche sind. Dann | |
schauen meine Kollegin und ich, wie wir am besten Leute zusammenbringen | |
können, die zueinander passen. | |
Haben Sie ein Beispiel? | |
Wenn es Leute sind, die eher in ihrer Mobilität eingeschränkt sind und Lust | |
haben, zu stricken oder Spiele zu spielen; Oder wenn jemand Lust hat, | |
spazieren zu gehen, und wir haben eine fitte Seniorin, oder einen fitten | |
Senior: dann vermitteln wir die. | |
Kommt es auch mal vor, dass Sie keine:n Tandempartner:in finden? | |
Wir haben in Südneukölln Senioren, die abgelegener wohnen und die wir darum | |
nicht vermitteln konnten. Da suchen wir gerade Freiwillige. In Nordneukölln | |
ist es andersrum. Da haben sich schon viele Freiwillige gemeldet und wir | |
warten auf die Senioren. | |
Und wie lange bleiben die Tandems bestehen? | |
Manche existieren seit Gründung des Projekts, also seit 2021. Manche lösen | |
sich irgendwann auf, weil die Freiwilligen wegziehen, weil sie in einen | |
Beruf starten und dann nicht mehr so viel Zeit haben. Wenn weiter Interesse | |
besteht, versuchen wir neu zu vermitteln, damit die Leute im Projekt | |
bleiben können. | |
Sie bieten Freiwilligen Workshops an, etwa zum Thema „Abgrenzung“. Warum | |
machen Sie das? | |
Wir haben Senioren im Projekt, die sich sehr einsam fühlen und immer nur | |
auf dieses eine Treffen in der Woche warten. In den Workshops geht es dann | |
darum, wie Freiwillige ihr Ehrenamt bestreiten können, ohne ein schlechtes | |
Gewissen zu haben. Wenn man sich einmal die Woche trifft und seine Freizeit | |
dieser Person schenkt, macht man schon sehr viel. Und wenn man mal nicht | |
kann, ist das auch okay, es soll für beide Seiten Spaß machen. | |
Kommt es manchmal vor, dass Senior:innen mehr Hilfe benötigen, als die | |
Freiwilligen leisten können? | |
Wenn man das Gefühl hat, die Person fühlt sich nach wie vor einsam und | |
wartet immer nur darauf, dass man sich wieder trifft: dann nehmen wir uns | |
der Sache an und fragen bei den Senior:innen nach: Können wir | |
unterstützen, brauchen Sie in anderen Lebensbereichen Hilfe. Im extremsten | |
Fall raten wir zu einer Psychotherapie, im leichteren zu einer | |
Unterstützung im Alltag durch die Pflegekassen. | |
Wie ist die Familiensituation der Senior:innen? | |
Das sind vor allem Leute, die allein sind, wo vielleicht der Mann oder die | |
Frau verstorben sind und dadurch Einsamkeit entstanden ist. Bei uns melden | |
sich Leute, die seit fünf oder zehn Jahren niemanden mehr gesehen haben. | |
Manche sind aber auch noch in ihren Familien eingebunden, das ist total | |
divers. | |
Wie alt sind Ehrenamtliche im Durchschnitt? | |
Wir haben nicht nur Tandems, die aus Jung und Alt bestehen. Wir haben auch | |
viele Senioren, die sich engagieren und mit älteren Leuten treffen. Ich | |
glaube aber, gerade für junge Menschen ist das ein tolles Ehrenamt, weil | |
man superviel für sein eigenes Leben daraus ziehen kann. Es ist spannend, | |
die Historien von älteren Menschen zu erfragen und was die alles schon so | |
in Neukölln erlebt haben. Die Zeiten sind auch sehr flexibel, weil man sich | |
immer persönlich abstimmt, wann man sich trifft. | |
Also für alle eine schöne Sache? | |
Für die Freiwilligen ist es toll, Zeit zu spenden und was aus dem Leben von | |
älteren Menschen zu erfahren, sie spüren die Dankbarkeit nach jedem | |
Treffen. Für die Senioren ist es gut, dass jemand mit ihnen Zeit verbringt | |
und sie wissen: Da ist jemand. Ich kann was aus meinem Leben berichten und | |
da interessiert sich jemand für. | |
7 Apr 2023 | |
## AUTOREN | |
Wio Groeger | |
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