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# taz.de -- Gesetzesnovelle des Finanzministers: Lindner erhöht still die Steu…
> Unbemerkt hat Christian Lindner eine Regelung durch den Bundestag
> gebracht, die besonders für Selbstständige die Steuern und Bürokratie
> erhöht.
Bild: Wie es ist, darf es nicht bleiben: Für Soloselbstständige war das kein …
Berlin taz | Zwei Grundsätze betont Bundesfinanzminister Christian Lindner
mantraartig: Steuererhöhungen und mehr Bürokratie werde es mit ihm nicht
geben. Als er und Wirtschaftsminister Robert Habeck ihren Koalitionsstreit
über die Haushaltspolitik im Februar [1][in Form einer öffentlichen
Brieffreundschaft austrugen], erinnerte der FDP-Chef den grünen Vizekanzler
schriftlich an dieses Prinzip der liberalen Regierungsbeteiligung:
„Stellvertretend für die von den Freien Demokraten geführten Ministerien
darf ich feststellen, dass Steuererhöhungen oder sonstige strukturelle
Mehrbelastungen für die Bürgerinnen und Bürger oder die Wirtschaft vom
Koalitionsvertrag ausgeschlossen sind“, schrieb er.
Ganz prinzipientreu ist Lindner selbst allerdings nicht. Ausgerechnet auf
seine Vorlage hin hat der Bundestag weitgehend unbemerkt von der
Öffentlichkeit eine Gesetzesnovelle beschlossen, die für betroffene
Unternehmer:innen zwei Veränderungen bringt: eine höhere Steuerlast
und mehr Bürokratie.
Die Änderung versteckt sich [2][im neuen Jahressteuergesetz, das der
Bundestag kurz vor Weihnachten] auf Grundlage eines Entwurfs Lindners
verabschiedete – und mit ihm auch den Wegfall des Paragrafen 23 im
Umsatzsteuergesetz.
Dieser hatte über viele Jahre hinweg festgelegten Unternehmern die Option
eingeräumt, bei der Umsatzsteuererklärung auf eine detaillierte Aufstellung
der gezahlten Mehrwertsteuerbeträge zu verzichten und stattdessen einen
pauschalen, im Gesetz vorgegebenen Durchschnittssatz geltend zu machen.
Die Regelung galt für kleine Handwerks- und Einzelhandelsbetriebe sowie für
einige Selbstständige, Gründer:innen und freie Berufe. Auch freie
Journalisten (wie der Autor dieses Artikels) profitierten davon: Statt die
einzelnen Mehrwertsteuerbeträge aus allen von ihnen bezahlten Rechnungen
aufzulisten, konnten sie pauschal 4,8 Prozent ihres Nettoumsatzes als
Vorsteuer abziehen. Für andere Branchen galten andere Sätze. Insgesamt
nutzten laut Gesetzesbegründung im Jahr 2017 mehr als 11.000
Unternehmer:innen diese Möglichkeit. Damit ist jetzt Schluss.
## Still und heimlich
Einen Tag vor Heiligabend veröffentlichte das Finanzministerium auf seiner
Website ausführliche Informationen zum Jahressteuergesetz und pries die
Vorteile für Bürger:innen und Wirtschaft an. Der Wegfall des pauschalen
Vorsteuerabzugs fand aber keine Erwähnung. Offenbar möchte das FDP-geführte
Haus nicht viel Aufhebens darum machen, was wenig verwunderlich wäre
angesichts ständiger Tiraden der Liberalen gegen Steuererhöhungen und
Bürokratie. Nun ist es ausgerechnet FDP-Chef Lindner, der die Belastungen
und Restriktionen erhöht.
Während die Pauschal-Regelung im Handwerk nach Angaben des Zentralverbandes
des Deutschen Handwerks wohl keine nennenswerte Rolle spielte, kommt Kritik
vom Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland.
Der VGSD kann dem Gedanken, die Regeln für alle umsatzsteuerpflichtigen
Unternehmer:innen zu vereinheitlichen, zwar durchaus etwas abgewinnen
– die Umsetzung aber gefällt dem Verband nicht: „Wieder einmal gehen die
Reformen vor allem zulasten der Kleinen, in diesem Fall besonders von
Solo-Selbstständigen“, kritisiert ein Sprecher. „Diese müssen künftig ni…
nur auf finanzielle Vorteile durch die Pauschalisierung verzichten, sondern
haben auch einen deutlich größeren bürokratischen Aufwand. Wer einen
Steuerberater beschäftigt, dürfte künftig für diesen Mehraufwand mehr
zahlen müssen.“
## Einbußen im vierstelligen Bereich
Nach eigenen Recherchen gehe man davon aus, dass die finanziellen Einbußen
für manche Betroffene im vierstelligen Bereich liegen könnten. Der Verband
bemängelt außerdem, dass der Gesetzgeber „inkonsequent“ sei, weil eben
nicht alle pauschalen Durchschnittssätze abgeschafft wurden: „Der
Vorsteuerabzug für gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Körperschaften
bleibt bestehen, genauso wie für Land- und Forstwirte.“
Ein Sprecher von Finanzminister Lindner erklärte, dass der Wegfall der
Option „angesichts der geringen steuerlichen Bedeutung nur mit sehr
geringen steuerlichen Auswirkungen verbunden“ sei. Andererseits diene die
Änderung „der Vermeidung einer Privilegierung einzelner Berufsgruppen, für
die die Vorsteuerpauschalierung zu einer unionsrechtlich nicht zulässigen
Besserstellung führte“. Warum dies für andere Gruppen zulässig sei, ließ
der Sprecher offen – ebenso wie die Frage, wie die Novelle im Verhältnis zu
Lindners Mantra „keine Steuererhöhungen“ passt.
28 Mar 2023
## LINKS
[1] /Habeck-und-Lindner-streiten-per-Brief/!5916794
[2] /Gesetzesvorhaben-der-Ampel-Koalition/!5902757
## AUTOREN
Martin Rücker
## TAGS
Christian Lindner
Selbstständige
Steuer
Bundesministerium der Finanzen (BMF)
Energiekrise
Schwerpunkt Coronavirus
Medien
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