# taz.de -- Die Wahrheit: Der Chianti-Krieg | |
> Irland will wieder Gesundheitsmusterknabe in Europa sein. Wie auf | |
> Zigarettenschachteln sollen auch auf Bier-, Wein- und Schnapsflaschen | |
> Warnhinweise. | |
Schnell noch ein paar Flaschen Chianti in den Einkaufswagen. Bald gibt es | |
in Irland keinen italienischen Wein mehr. Die Iren wollen nämlich wieder | |
die Gesundheitsmusterknaben in Europa sein. Nachdem sie beim Rauchverbot | |
bereits Vorreiter waren, haben sie nun dem Alkohol den Kampf angesagt. | |
Künftig sollen wie auf den Zigarettenschachteln auch auf Bier-, Wein- und | |
Schnapsflaschen Warnhinweise stehen. | |
Das sei praktisch eine Kriegserklärung, tobte der italienische | |
Außenminister Antonio Tajani: Irland attackiere die mediterranen | |
Ernährungsgewohnheiten. Die Dubliner Regierung plane einen „großen | |
Austausch“. Dieser Kampfbegriff der Neuen Rechten bezeichnet eine | |
angebliche Verschwörung, um die weiße Mehrheitsbevölkerung durch die | |
Einwanderung von Nichtweißen und Muslimen zu ersetzen. Tajani meint damit | |
allerdings italienische Lebensmittel. | |
„Die nationale Identität Italiens ist eng mit Essen verbunden“, sagt er. | |
Die Irish Times lästerte, dass die italienische Küche nur durch | |
Kolonialismus entstanden sei. Nicht mal die Tomate sei eine italienische | |
Erfindung, sondern stamme aus Südamerika. Der Feinschmecker Pellegrino | |
Artusi habe die Rezepte der italienischen Regionen erst in seinem 1891 | |
erschienenen Kochbuch „Die klassische italienische Kochkunst“ | |
zusammengeführt. | |
Gut 40 Jahre später veröffentlichte ein anderer Feinschmecker ein Kochbuch: | |
Filippo Tommaso Marinetti wollte seinen Landsleuten die Pasta vergällen, | |
weil sie träge mache. Stattdessen empfahl er „exaltiertes Schwein“ – eine | |
Salami in heißem Espresso mit viel Eau de Cologne – oder „Huhn Fiat“, ein | |
mit Stahlkugel gefülltes und mit Schlagsahne serviertes Huhn. Mussolini war | |
begeistert von Marinetti. | |
Tajani hingegen ist von Mussolini begeistert. Er sinnt auf Rache: Italien | |
soll gar keinen Wein mehr nach Irland liefern und Gesundheitswarnungen auf | |
importierte irische Würstchen kleben. Der Weinboykott wäre für beide Seiten | |
zu verschmerzen: Die Iren sind eigentlich Biertrinker, für italienischen | |
Wein ist der Markt überschaubar – zumal er ein teures Vergnügen ist. | |
Nirgendwo in Europa sind die Alkoholsteuern höher als in Irland. | |
Auf jede Flasche Wein werden 3,10 Euro draufgeschlagen, auf Schaumwein sind | |
es sogar 6,27 Euro, schäumte der Direktor von Drinks Ireland, Jonathan | |
McDade: „Das ist praktisch eine Steuer auf die Feier des Lebens.“ | |
Ist der Alkoholkonsum in Irland seit 2001 deshalb um fast ein Drittel | |
gesunken? Das ist besorgniserregend, aber immerhin trinkt jeder Ire über 15 | |
Jahre noch rund zehn Liter reinen Alkohols per annum. Das sind gut zwei | |
Flaschen Wein pro Woche. Aber wie der Wein, so werden auch Irlands | |
Weintrinker älter: Vor zehn Jahren waren neun Prozent über 65 Jahre alt, | |
heute ist es mittlerweile ein Viertel. Ich liege mit meinen | |
Chianti-Flaschen also voll im Trend. | |
27 Mar 2023 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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