# taz.de -- Handball-Profi über das Aufhören: „Ich bin sehr erleichtert“ | |
> Lea Rühter vom Buxtehuder SV beendet ihre Handballkarriere kurz vor ihrem | |
> 25. Geburtstag wegen Knieproblemen. Ein Gespräch über das Loslassen. | |
Bild: Braucht erst mal Abstand vom Handball: Lea Rühter | |
taz: Vor zwei Wochen haben Sie das Ende Ihrer Karriere als Torhüterin | |
bekanntgegeben, Frau Rühter. Wie ist das für Sie? | |
Lea Rühter: Ich bin sehr erleichtert. Ich habe mir vorher viele Gedanken | |
über einen Rücktritt gemacht. Die Entscheidung ist mir natürlich nicht | |
leichtgefallen, weil ich lange [1][Handball] gespielt habe. | |
Wie fühlt es sich an, dass Ihr Körper nicht will wie Sie? | |
Es war ein langer Leidensweg für mich. Meine erste Verletzung hatte ich | |
2019 und konnte mich dadurch auf Sachen konzentrieren, für die ich sonst | |
keine Zeit hatte, und die mir Kraft gegeben haben. Hinter dem Spruch „Come | |
back stronger“ steckt ein Fünkchen Wahrheit. Es hat mir viel mit auf den | |
Weg gegeben, mich zurückkämpfen zu müssen. | |
Aber? | |
Dann folgte eine Verletzung auf die andere. Ich war eigentlich in einer | |
Phase, in der ich dachte, alles erreichen zu können, was ich will. Es ist | |
übel, in so einem Moment völlig aus dem Konzept gerissen zu werden. Ich | |
habe mich wie fremdgesteuert gefühlt. Auch die Reha und die Schmerzen waren | |
frustrierend. | |
Das letzte Mal haben Sie im Januar gespielt. Wussten Sie da schon, dass es | |
Ihr letztes Spiel sein wird? | |
Nein, das wusste ich da noch nicht. | |
Das heißt, Sie haben Ihren Rücktritt zügig beschlossen? | |
Wir hatten nach dem Spiel ein freies Wochenende, und ich hatte Zeit, mir | |
über alles Gedanken zu machen. Ich habe beschlossen, dass es so nicht | |
weitergehen kann. Erst mal wollte ich nur ein paar Wochen raus sein. | |
Irgendwann habe ich aber gemerkt: Eine kleine Pause reicht einfach nicht | |
mehr aus, damit sich mein Knie erholt und es besser werden kann. Ich musste | |
einen Schlussstrich ziehen. | |
Wurden Sie bei der Entscheidung unterstützt? | |
Ich habe viel mit meiner Familie gesprochen. Außerdem gibt es in unserem | |
Verein eine Sportpsychologin, zu der wir immer mit unseren sportlichen | |
Problemen gehen können und aufgefangen werden. Aber im Endeffekt habe ich | |
diese Entscheidung ganz für mich getroffen. | |
Den Knorpelschaden haben Sie sich 2021 geholt, und mussten neun Monate | |
Pause machen. Hatten Sie in der Zeit schon Rücktrittsgedanken? | |
Unabhängig von der Verletzung findet in einem ein großer Prozess statt, | |
wenn man darüber nachdenkt, den Leistungssport zu verlassen. Irgendetwas | |
muss unmittelbar nach dem Handball kommen, damit man es schafft, diesen Weg | |
zu gehen. Über Alternativen habe ich damals auf jeden Fall nachgedacht. Ich | |
konnte mich aber noch nicht vom Handball verabschieden, und habe diese | |
Optionen deshalb nicht als realistischen Gedanken betrachtet. | |
Wie haben Sie sich nach Ihrer Rückkehr gefühlt? | |
Ich war sehr unzufrieden mit meiner Leistung. Auch wenn sie zwischendurch | |
gepasst hat, hat sie meinen persönlichen Ansprüchen nicht mehr genügt. Ich | |
habe die ganze Zeit weniger trainiert als der Rest der Mannschaft. Mir | |
fehlten gewisse Trainingsinhalte, weil mein Knie es nicht geschafft hat. | |
Irgendwann war es sehr frustrierend, dass ich mehr wollte, als ich | |
körperlich leisten konnte. Ich bin nie wieder ganz fit geworden. | |
Ist Ihre Lust aufs Spielen während dieser Zeit geblieben? | |
Das war ein Wechselbad der Gefühle. Ich wusste, wie es ist, beim Spielen | |
pure Freude und Leidenschaft zu empfinden. Andererseits war ich mit mir | |
selbst nicht mehr zufrieden. Trotzdem gab es diese Spiele, die mir einen | |
Kick gegeben haben. Sie waren es, die mich beim Sport gehalten und mir die | |
Entscheidung bis zuletzt erschwert haben. Wenn ich nichts mehr am Handball | |
gefunden hätte, wäre es sicher leichter gewesen aufzuhören. | |
Sie haben im Nationalteam gespielt, Ihren Traum von Olympia aber nicht | |
erreicht. Wie finden Sie sich damit ab? | |
Durch meine Verletzung habe ich einen realistischeren Blick auf das Leben | |
bekommen: Irgendwann ist es vorbei mit der sportlichen Karriere. Ich habe | |
angefangen, mich damit zu beschäftigen, was ich neben dem Handball und nach | |
meiner sportlichen Karriere machen kann. Der Gedanke von Olympia ist für | |
mich immer noch schön und es macht mich traurig, nicht mehr teilnehmen zu | |
können. Aber jetzt habe ich mehr Möglichkeiten, etwas anderes zu machen. | |
Und darauf freue ich mich gerade viel mehr. Mein Leben ist nicht weniger | |
wert, weil ich es nicht zu Olympia schaffe. | |
In Ihrer Zeit als [2][Leistungssportlerin] hatten Sie vermutlich nicht viel | |
Freizeit. Was machen Sie jetzt mit Ihrer Zeit? | |
So viel Freizeit habe ich jetzt gar nicht! Ich studiere seit 2017 | |
Psychologie und fange bald an, meine Masterarbeit zu schreiben. Mein Hund | |
braucht auch viel Beschäftigung – alleine mit ihm kann ich meinen ganzen | |
Tag füllen! Bei allem, was ich vorhabe, weiß ich gar nicht, wann ich noch | |
arbeiten soll. | |
Ist es schwierig, dass der Handball als Einnahmequelle für Sie wegfällt? | |
Definitiv. Ich kenne die Situation gar nicht, mit etwas anderem als | |
Handball Geld zu verdienen. Für viele ist es bestimmt ungewöhnlich, dass | |
ich mit 25 noch nie gearbeitet habe. Aber ich habe es bisher immer durch | |
den Handball geschafft, mein Leben zu finanzieren. Jetzt schreibe ich das | |
erste Mal ernsthaft Bewerbungen. | |
Was haben Sie jetzt vor? | |
Ich würde gerne mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, die Probleme haben | |
und in schwierigen Verhältnissen leben. Nach meinem Studium möchte ich | |
Kinder- und Jugendtherapeutin werden. | |
Schauen Sie Ihrer Mannschaft nun vom Rand aus zu, oder möchten Sie dem | |
Handball den Rücken kehren? | |
Ich brauche gerade Abstand, und kann deshalb nicht zuschauen. Ich möchte | |
mein [3][Leben außerhalb vom Handball] sortieren. Aber ich bin sehr | |
zuversichtlich, dass ich spätestens zum Ende der Saison noch mal in die | |
Halle zurückkehre. | |
27 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Nina Spannuth | |
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