# taz.de -- Trauer um Daniel Haufler: „Die leise Art der Kritik“ | |
> Von 1999 bis 2008 war Daniel Haufler Redakteur im taz-Meinungsressort. Er | |
> wirkte im Hintergrund, verbindlich, aber auch entschieden. Jetzt ist er | |
> mit 61 Jahren gestorben. Kolleginnen und Kollegen erinnern sich an ihn. | |
Bild: Daniel Haufler, 2008 | |
[1][taz Info], 02.03.23 | |
## Ein Schimpfwort | |
Den stärksten Kraftausdruck, den ich aus Daniels Mund gehört habe, war das | |
Wort „misslich“. Es fiel dann und wann, wenn er, nachdem er die Betreuung | |
der aktuellen Kommentare abgeschlossen hatte, noch zu uns rauf in die | |
Kulturredaktion im vierten Stock des alten taz-Gebäudes kam, um etwas über | |
die Seite Politisches Buch zu besprechen, die er neben der Meinungsseite | |
redaktionell betreute, oder auch einfach nur so, um über ein Buch oder | |
einen Film zu plaudern; er las viel und schaute viele Filme. „Misslich“ war | |
es, wenn ihm noch kurz vor Redaktionsschluss eine größere Anzeige auf die | |
Seite gesetzt wurde, was seine Planung verhagelte. Oder wenn ein Rezensent | |
seine Besprechung trotz mehrfacher Ermahnungen nicht fristgerecht | |
ablieferte. Oder wenn sich eine groß angekündigte Publikation letztlich als | |
Schaumschlägerei entpuppte. Oder wenn irgend jemand Haltloses schrieb. | |
Andere Kolleg*innen ließen im taz-Kontext schon mal deftige Wendungen | |
wie „Arschloch“, „Schweinerei“ oder „Verarsche“ fallen – er sagte… | |
schon etwas misslich“, fuhr fort: „Na ja“, ging wieder in den dritten Sto… | |
an seinen Schreibtisch und hatte eigentlich immer schon selbst eine Lösung | |
gefunden. | |
Dirk Knipphals, Literaturredakteur | |
## Ein Navigator | |
Es gibt Menschen, die allein dadurch, dass sie sind, wie sie sind, einen | |
gewissen Zusammenhalt der Welt garantieren. Schon im mittleren Alter | |
verfügen sie über so viel Einsicht und Wärme, dass ihre Mitmenschen | |
Hoffnung schöpfen, es lasse sich mit ihnen durchs Leben navigieren. Solch | |
ein Mensch war Daniel, für mich wie für sehr viele andere, für die jetzt | |
ein Stück Welt zusammengebrochen ist. Seine Fähigkeit zu verstehen war | |
phänomenal, egal, ob es um die Hintergründe der Weltpolitik ging oder um | |
den Alltag. Am lebendigsten stehen mir die Gespräche vor Augen, die wir auf | |
der Frankfurter Buchmesse hatten, vielleicht weil man solche Gespräch dort | |
am wenigsten erwartet. Rundherum Smalltalk, zeigen, wen man alles kennt und | |
was man alles draufhat. Mittendrin Daniel, voll konzentriert, die Stimme | |
besonnen, der Blick immer aufmerksam und zugewandt: Eben noch ging es um | |
die Belgier im Kongo, nun sprachen wir übers Kochen in farbigen | |
Einbauküchen oder über Stolperfallen der Liebe. Alles was man ihm | |
anvertraute, war in guten Händen, und alles, was aus seinen Händen kam, war | |
hilfreich. Bereits als Daniel die taz verließ, trauerte ich jahrelang um | |
ihn als Kollegen. Um ihn als Freund werde ich immer trauern. | |
Hilal Sezgin, Kolumnistin | |
## Ein Visionär | |
Im Debattenmagazin Gegenblende.de veröffentlichte Daniel Haufler im August | |
2020, gut ein Jahr vor der Bundestagswahl 2021, ein hellsichtiges Stück | |
über Olaf Scholz und die SPD, die „eine Chance bei der nächsten | |
Bundestagswahl haben“. Manch einer mag damals gelacht haben, zumal der | |
visionäre Kommentator erklärte, wie die SPD die Wahl gewinnen könne: | |
„Vielleicht denkt sie zur Entspannung auch mal an den alten Spruch: Was | |
Ananas für Piña Colada, ist Ahornsirup für Kanada. Dann wird’s schon | |
klappen.“ Der Ananas-Satz stammte aus dem Unterbringwettbewerb der | |
„Wahrheit“-Redaktion. Sie gibt jedes Jahr zur Frankfurter Buchmesse einen | |
Nonsens-Satz vor, den Journalisten in einem Artikel unterbringen sollen, um | |
den Jieper-Preis zu gewinnen. Als dann Corona kam, musste der Wettbewerb | |
verschoben werden, und schließlich erhielt Die Zeit die „große Ente“. Die | |
SPD aber hat die Bundestagswahl 2021 gewonnen. Daniel Haufler – ein | |
Meinungsmacher mit Humor und Weitsicht. | |
Michael Ringel, Redakteur, Die Wahrheit | |
## Ein Moment | |
Daniel gehörte für mich zu jenen Menschen, die ich für unsterblich hielt. | |
Pathetisch? Mag sein, aber es liegt daran, dass für mich Freundlichkeit | |
unsterblich ist. Und Daniel war ein freundlicher Mensch, weich irgendwie | |
und doch auch auf eine geheimnisvolle Weise immerwährend fremd. Das | |
freundlich Fremde machte mich neugierig. Aber ich bin dieser Neugier nicht | |
nachgegangen. Halt, das stimmt nicht. Einmal schon, einmal redeten wir | |
miteinander – ausgerechnet über Liebe, über Erotik. Was strahlt einen Reiz | |
aus, was zieht einen an? Aber der Moment der Vertrautheit wurde | |
unterbrochen, es ging nicht weiter. Und als Nächstes ist da nun plötzlich | |
der Tod. So bleibt nur die Erinnerung an seine Freundlichkeit, an Neugier | |
und an den Verrat, den der Tod an der Unsterblichkeit begeht. | |
Waltraud Schwab, Redakteurin, wochentaz | |
## Ein Hinweis | |
„No jokes with names“ ermahnte mich Daniel eines Nachmittags in den nuller | |
Jahren, als ich einen Kommentar über Dieter Hundt geschrieben hatte, damals | |
Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. „Hundt | |
oder Katze?“, hatte ich getitelt und kam mir irre witzig vor mit der | |
Überschrift über meinen Meinungsbeitrag zu einem Konflikt zwischen | |
Arbeitgebern und Gewerkschaften. Doch Daniel sicherte das Niveau. Mit | |
seiner leisen Art der Kritik, mit seinem Understatement provozierte er | |
nicht die Konfrontation, sondern schob gewissermaßen meine Selbstkritik als | |
Autorin an: Himmel, fast hätte ich einen billigen Namenwitz gemacht, danke | |
für den kleinen Hinweis, Daniel. Der Titel wurde gestrichen. Daniel saß | |
oftmals noch bis in die tiefen Abendstunden nebenan in der | |
Meinungsredaktion am Bildschirm, wenige Meter entfernt. Niemals hätte ich | |
es gewagt, ihn zu stören und in eine Plauderei zu ziehen. Aber wenn man | |
selbst noch Texte vorbereitete, war es einfach nett, dass da jemand war und | |
das Gleiche tat, in Stille und Präsenz und lange nach Redaktionsschluss. | |
Barbara Dribbusch, Inlandsredakteurin | |
## Einmal daneben | |
Daniel ist mir als ein sehr netter und intellektuell anspruchsvoller Mensch | |
in Erinnerung. Ich bin ihm auch dankbar dafür, dass er Texte von mir auf | |
seine Meinungsseite genommen hat, im Rahmen der Kolumne „die stimme der | |
korrektur“, in der Leute aus unserer Abteilung zu Wort kamen, die dann aber | |
irgendwann einschlief. Als Korrektor merkte ich jedenfalls öfters, wie viel | |
er wusste – und er ließ auch mal durchblicken, dass er sich in seinen | |
Fachgebieten besser auskannte als andere, die durchaus Rang und Namen | |
hatten. Aber einmal schickte er mir einen Text mit dem aus Goethes | |
Zauberlehrling stammenden Zitat: „Die Geister, die ich rief / die werd ich | |
nun nicht los“. Da stimmt doch was nicht? Ich guckte extra nochmal bei | |
Google nach, ob meine abweichende Erinnerung an dieser Stelle richtig war – | |
aber ja. Weil er einige Jahre älter war als ich, konnte ich mir ungefähr | |
vorstellen, dass Daniel den Stoff von der Schule her noch kannte. Also rief | |
ich ihn an und fragte direkt: Ob man es nicht lieber so wie im Original | |
formulieren sollte: „Die ich rief, die Geister / werd ich nun nicht los“? | |
Er antwortete gedankenverloren: „Vielleicht ist das ja ’ne andere | |
Übersetzung?“ Darüber haben einige Leute, denen ich diese Geschichte – oh… | |
Namensnennung! – weitererzählt habe, herzlich gelacht. Aber nur, wenn es | |
mit der Altersgruppe stimmte. Auch aus dieser müssen manche jetzt schon | |
gehen. Mach’s gut, Daniel! | |
Matthias Fink, Korrektor | |
2 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Info/!p4206/ | |
## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
Hilal Sezgin | |
Michael Ringel | |
Barbara Dribbusch | |
Waltraud Schwab | |
Matthias Fink | |
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