| # taz.de -- Die Wahrheit: Brauseköpfe in Sky with Diamonds | |
| > Nachwuchsförderung in der Stammkneipe: Mit giftig schillerndem Schaum | |
| > gegen die Alt-Boomer an der Theke. | |
| Petris, Wirt des Café Gum, machte seine unschuldigste Miene. „Auch ich muss | |
| an die Zukunft denken und neue Kunden gewinnen, Jungs“, sagte er. Er | |
| blickte hinüber zum großen Tisch, wo neuerdings Luis’ Sohn Bennie und seine | |
| Freunde saßen. Dann wandte er sich wieder an uns. „Auch ihr werdet nicht | |
| ewig leben, Freunde“, fuhr er fort, „schon gar nicht, wenn ihr so weiter | |
| sauft!“ | |
| Theo und Raimund murrten empört, nur Luis nickte und sagte: „Stimmt. Doc | |
| Prietsch hat mir neulich erklärt, dass die vielen Liter Bier an dieser | |
| Theke leider deutliche Spuren in meiner Leber hinterlassen haben.“ | |
| Vom großen Tisch schallte lautes Gelächter hinüber. „Dieses Modezeug, das | |
| sie trinken, könnte aber auch dazu führen, dass sie die ewigen Jagdgründe | |
| noch vor uns erreichen“, grinste Raimund und wies auf die Gläser, die | |
| Petris für Bennie & Co. befüllte. Der Drink bestand aus Guinness und | |
| Brausepulver, was beim Zusammenschütten eine ungeheure Menge giftig | |
| schillernden Schaums erzeugte. „Der Schaum muss doch irgendwo hin“, raunte | |
| Raimund: „Der steigt in den Kopf und schäumt das ganze Gehirn weg, ich | |
| sag’s euch!“ | |
| „Pah, Boomergeschwätz!“, sagte eine Stimme hinter uns. Es war Bennie, der | |
| an die Theke getreten war, um die neue Runde zu holen. „Wozu brauchen wir | |
| Hirn – wir haben ja sowieso keine Chance! Ihr alten Boomer blockiert unsere | |
| Zukunft: Ihr klammert euch an eure Vollzeitstellen, und wir hangeln uns von | |
| einem befristeten Scheißjob zum nächsten! Warum arbeitet ihr nicht weniger? | |
| Warum gebt ihr uns nichts ab? Wir werden nie eine Familie ernähren, nie ein | |
| Reihenhaus kaufen können!“ | |
| „Also ich wollte schon vor vierzig Jahren weniger arbeiten“, sagte Luis. | |
| „Leider fand mein Chef die Idee nicht so toll.“ – „Und mein Reihenhaus | |
| könnt ihr gerne haben“, gickelte Theo: „Es sieht zwar aus wie eine schlecht | |
| isolierte Mansardenwohnung in einem runtergekommenen Altbau, aber das | |
| täuscht!“ – „Kann man dieses Brausezeug eigentlich auch mit Pils trinken… | |
| fragte Raimund. – „Klar“, sagte Theo: „Pete, mach mal ’ne Runde!“ | |
| Der Schaum stieg tatsächlich bis in die Stirnhöhlen. „Boah“, keuchte Theo, | |
| „so hab ich mir LSD immer vorgestellt!“ Wir bestellten noch eine Runde, und | |
| die Jungs kamen zu uns an die Theke. „Wisst ihr, was wir in eurem Alter | |
| gemacht hätten, wenn wir scharf auf ein Reihenhaus gewesen wären?“, fragte | |
| Theo. – „Wir hätten eins besetzt!“, rief Raimund. – „Genau! Und wei�… | |
| wem ein Reihenhaus gehört? Kommissar Klaus!“ – „Kommissar Klaus hat ein | |
| Reihenhaus?“ – „Jawohl! Außerdem blockiert er einen echt guten Job!“ �… | |
| dann, nichts wie hin!“ | |
| „Nein!“, rief Luis, doch schon stürmten sie los, und die Jungs stürmten | |
| hinterher, um mit benebelten Brauseköpfen ausgerechnet das Haus des | |
| Polizeichefs zu besetzen, und der würde das leider nicht so lustig finden, | |
| bloß weil er vor fünfzig Jahren mit Raimund und Theo in einer Klasse | |
| gewesen war. | |
| 21 Feb 2023 | |
| ## AUTOREN | |
| Joachim Schulz | |
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