# taz.de -- Belgisches AKW Tihange: Der „Riss-Reaktor“ geht vom Netz | |
> Der Atomreaktor Tihange 2 nahe der deutschen Grenze wird am Dienstag kurz | |
> vor Mitternacht abgeschaltet. Atomkraftgegner:innen atmen auf. | |
Bild: Tihange 2 geht vom Netz | |
Brüssel AFP | Am Dienstag um 23.59 Uhr ist es so weit: Dann wird Belgiens | |
umstrittenster Atomreaktor abgeschaltet, nach genau 40 Jahren Laufzeit. | |
Deutsche Politiker:innen und Atomkraftgegner:innen sprechen von | |
einem großen Erfolg. Sie kämpften jahrelang für das Aus des Meilers | |
[1][Tihange 2], der nur rund 50 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt | |
ist. | |
Walter Schumacher vom Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie berichtet, | |
in seinem Umfeld hätten einige bis zuletzt nicht an die Abschaltung | |
geglaubt. Der pensionierte Mathematiker engagiert sich seit Jahren für das | |
Ende des „Riss-Reaktors“ bei Lüttich, wie er unter | |
Atomkraftgegner:innen heißt. Im Reaktordruckbehälter wurden bereits im | |
Jahr 2012 tausende haarfeine Risse gefunden. | |
Schumacher und die anderen Aachener Aktivist:innen fürchteten nach | |
seinen Worten, der Meiler Tihange 2 könne „bersten“ und dann eine | |
radioaktive Wolke nach Westen ziehen, „die Aachen vernichtet“. Ungemach | |
drohte auch von einem belgischen Reaktor gleicher Bauart bei Antwerpen. | |
Dieser ging bereits Ende September endgültig vom Netz. | |
Mit der Abschaltung der beiden Pannenreaktoren geht auch ein Jahrzehnt | |
juristischer Streitigkeiten zu Ende. Belgien ließ die „Riss-Reaktoren“ | |
zunächst weiterlaufen, ohne die Nachbarländer anzuhören und ohne die | |
Umweltverträglichkeit zu prüfen – widerrechtlich, wie unter anderem der | |
Europäische Gerichtshof urteilte. In Deutschland stieß das auf Kritik bis | |
hin zur Bundesregierung. Auch in Luxemburg und den Niederlanden | |
protestierten Atomkraftgegner:innen. | |
## Kehrtwende beim Atomausstieg in Belgien | |
Nicht nur Nordrhein-Westfalen werde durch das Aus für die Pannenmeiler | |
sicherer, wie Landesumweltminister Oliver Krischer (Grüne) betont. Einen | |
Wermutstropfen sieht der Grünen-Politiker allerdings. Denn eigentlich | |
wollte Belgien 2025 ganz aus der Atomkraft aussteigen und damit dem | |
deutschen Beispiel folgen. Das sah ein bereits 2003 beschlossenes Gesetz | |
vor. | |
Doch der Ukrainekrieg und die Energiekrise haben auch im Nachbarland | |
politische Spuren hinterlassen. Horrende Gas- und Stromrechnungen sowie die | |
Furcht vor flächendeckenden Stromausfällen veranlassten die Regierung von | |
Ministerpräsident Alexander De Croo zu einer Kehrtwende beim Atomausstieg. | |
In Belgien regiert eine [2][„Ampel plus“ aus Liberalen, Grünen und | |
Sozialdemokraten sowie flämischen Christdemokraten]. Dort wurde die | |
Atomdebatte zeitweise noch erregter geführt als in Deutschland. Zu | |
Jahresbeginn folgte dann die Grundsatzeinigung: Die Brüsseler Regierung | |
verabredete mit dem Atompark-Betreiber Engie, die beiden jüngsten Reaktoren | |
[3][zehn Jahre länger laufen zu lassen], also bis 2035. Bei ihrer | |
Abschaltung dürften sie dann 50 Jahre auf dem Buckel haben. | |
Zunächst aber läuft der Countdown für den Pannenmeiler Tihange 2 unweit der | |
deutschen Grenze. Der Block am Fluss Maas wird Dienstag ab 18.30 Uhr | |
schrittweise heruntergefahren und soll dann pünktlich „eine Minute vor | |
Mitternacht vom Netz gehen“, wie ein Sprecher des Betreibers Engie sagt. | |
In Aachen sorgt das Reaktor-Aus zwei Wochen vor Karneval für gute Laune. | |
Karnevalesk klingt auch das Motto der Feiern, die die | |
Atomkraftgegner:innen in der Domstadt angekündigt haben. Es lautet: | |
„Tihange zwei: aus und vorbei.“ | |
31 Jan 2023 | |
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