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# taz.de -- Neue Domizile für legendäre Jugendclubs: Noch viele Fragen offen
> Potse und Drugstore haben sich erfolgreich Ausweichquartiere erkämpft.
> Optimal sind die Bedingungen aber nicht. Und die Zukunft bleibt ungewiss.
Bild: Die Potse hat es sich in der Zollgarage gemütlich gemacht. Jetzt muss si…
Berlin taz | Es ist ruhig geworden um Berlins älteste selbstverwaltete
Jugendzentren [1][Potse] und Drugstore. Nach jahrelangen Verhandlungen mit
dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg haben nun beide Kollektive ein Dach über
ihrem Kopf. Doch trotz der neuen Räume können die Jugendzentren immer noch
nicht so arbeiten wie vor dem Auszug aus ihren alten Räumlichkeiten in der
Potsdamer Straße 180.
Beinahe vier Jahre sind vergangen, seitdem die beiden Jugendzentren dort
Platz machen mussten für das Coworking-Unternehmen Rent 24. Während der
Drugstore der Aufforderung des Bezirks nachkam, widersetzten sich die
Jugendlichen des Potse-Kollektivs mit einer fast drei Jahre andauernden
Besetzung. „Ziel der Besetzung war es, so lange Druck auf den Bezirk
auszuüben, bis er uns adäquate Ersatzräumlichkeiten zur Verfügung stellt“,
sagt Paul, einer der Pressesprecher der Potse. „Wir hatten zwar im
Gegensatz zum Drugstore noch einen Raum, doch die Jugendarbeit blieb bei
all dem Stress trotzdem auf der Strecke.“
Im September 2021 war es so weit, die Potse unterschrieb einen auf drei
Jahre befristeten Mietvertrag für die Zollgarage, mit der zweimaligen
Option auf eine jeweils einjährige Verlängerung. Doch die Räumlichkeit am
Tempelhofer Feld ist mehr Kompromiss als adäquater Ersatz, denn eine
Nutzung wie bisher ist in der Zollgarage aktuell nicht möglich.
Man habe den Mietvertrag für die Zollgarage nur unterschrieben, weil es von
der Stadtentwicklungsverwaltung die mündliche Zusicherung gegeben habe,
„dass bauliche Veränderungen vorgenommen werden“, so Paul. Man habe ihnen
damals „den Austausch des Teppichbodens, den Einbau von
Beeinträchtigten-Toiletten und eine Verbesserung des Lärmschutzes“
versprochen. Jedoch ist bis jetzt noch keines dieser Vorhaben umgesetzt
worden“.
Auf Anfrage der taz sagte ein Sprecher der Stadtentwicklungsverwaltung:
„Bei Vertragsschluss war klar: Maßnahmen in der Mietfläche gehen zu Lasten
des Mieters. Mündliche Zusagen sind uns nicht bekannt. Weder zu den WCs
noch den Teppichböden.“
## Wichtiger Standort für Berlins Jugendliche
Seit der Gründung im Jahr 1979 ist die Potse neben der KüfA (Küche für
Alle) und Workshops vor allem für ihre kostenlosen und selbst organisierten
Konzerte bekannt. Damit ist der Jugendclub ein wichtiger Standort für
Berlins Jugendliche, die so fernab von Drogen und hochprozentigem Alkohol
ihre ersten Partyerfahrungen sammeln konnten.
Trotz der Umstände versucht das Potse-Kollektiv die ihr zur Verfügung
gestellten Räumlichkeiten so gut es geht zu nutzen. Bis jetzt
veranstalteten sie neben ihrem legendären Punkrock-Tresen, mehrere queere
Workshops. Auch ein kleines akustisches Konzert konnte stattfinden.
Lehne, ein langjähriger Gast der Potse und mittlerweile Kollektiv-Mitglied,
freut sich zwar, dass nun endlich wieder kleinere Veranstaltungen
stattfinden können. Es kämen aber weniger Leute als vorher. „Während früh…
bis zu 150 Leute zum Punkrock-Tresen kamen, sind es heute maximal 50.“ Das
Kollektiv-Mitglied vermutet das Problem bei der versteckten Lage der
Zollgarage und der aufgrund des Denkmalschutzes fehlenden Außenwerbung. „Es
kommt nicht selten vor, dass wir Leute, die zur Potse wollen, abholen
müssen, weil sie uns einfach nicht finden.“
Dass die gewünschten Umbauten in naher Zukunft stattfinden werden, ist
unwahrscheinlich. Denn weder der Senat noch der Bezirk Tempelhof-Schöneberg
oder das Jugendamt sehen sich zuständig jene zu finanzieren. Den
Jugendlichen bleibt nichts weiter, als zu warten. Von den Parteien sieht
sich die Potse im Stich gelassen: „Wir haben das Gefühl von den Linken für
den Wahlkampf instrumentalisiert worden zu sein. Mittlerweile scheint sich
niemand mehr für uns zu interessieren“, so Paul von der Potse.
## Lediglich eine Zwischenlösung
Das Drugstore-Kollektiv saß drei Jahre auf der Straße und fand nur ab und
an einen Unterschlupf im Tommy-Weisbecker-Haus in Kreuzberg. Dann jedoch
fand der Bezirk Tempelhof-Schöneberg, wenn auch nur übergangsweise, endlich
einen neuen Raum für das Kollektiv. Im Mai dieses Jahres zog es in den
Veranstaltungssaal des Rockhauses in Lichtenberg. Das Rockhaus – ein aus
mehreren Proberäumen, einem Veranstaltungssaal und einem Kiosk für Musik
bestehendem Gebäude – dient dabei lediglich als Zwischenlösung bis das Haus
der Jugend bezugsfertig ist. Dies könnte jedoch einige Zeit dauern, da der
Bau jenes Haus bis jetzt noch nicht begonnen hat. Auf Anfragen der taz wann
und wo das Haus der Jugend gebaut werden soll, hat der Bezirk
Tempelhof-Schöneberg bis zum Redaktionsschluss nicht genatwortet.
Bis dahin müssen sich die bereits bestehenden Mietparteien und das
Drugstore-Kollektiv miteinander arrangieren, was mal mehr und mal weniger
gut funktioniert. Auf die Frage wie zufrieden das Kollektiv mit dem neuen
Raum sei, antwortete die Pressesprecherin Domi: „An manchen Tagen fühlt man
sich wohl und von der Hausgemeinschaft akzeptiert. Dann gibt es Tage, an
denen man sich unwohl fühlt, weil man merkt, dass unsere Nutzung des Raums
nicht nach den Vorstellungen des Rockhaus-Mieterbeirats läuft.“
Zwar betont der Mieterbeirat auf seiner Internetseite, dass sie es
„ausdrücklich begrüßen, dass für den Drugstore eine Übergangslösung
gefunden werden konnte“, kritisieren jedoch ebenfalls „den Verlust des
Herzstücks und Treffpunkts der Rockhaus-Gemeinschaft“.
Ein Kritikpunkt den Domi nicht versteht. „Die Mieter*innen des Rockhaus
können durchaus den Veranstaltungssaal nutzen, sie müssen lediglich zu
unserem Plenum kommen und mit uns sprechen.“ Ein Angebot, das auch genutzt
werde. So spielte bereits eine im Rockhaus probende Band auf einer
Drugstore-Veranstaltung. Generell scheint der Großteil der Hausgemeinschaft
den Einzug des Jugendclubs als durchaus positiv zu betrachten. So berichtet
Domi, dass viele Bands auch gerne das ein oder andere Getränk zum
Selbstkostenpreis im Drugstore kaufen, wenn der im gleichen Gebäude
liegende Kiosk gerade geschlossen hat.
## Umbauten lassen auf sich warten
Auch dem Drugstore wurden, vom Eigentümer des Rockhauses, Umbauten
zugesichert. Ebenso wie bei der Potse geht es um den Einbau von
Beeinträchtigten-Toiletten und eine extra Sicherung der Türen – durch den
Einbau von Zwischentüren –, die zu den Proberäumen führen.„Diese Umbauten
sollten eigentlich im Herbst stattfinden“, sagt Domi. „Wir hatten bereits
mehrere Veranstaltungen, bei denen auch Menschen waren, die auf diese Art
der Toiletten angewiesen sind. Sollen die den ganzen Abend nicht auf
Toilette gehen oder vielleicht mit ihrem Rollstuhl zu den Toiletten in der
zweiten Etage?“
Dreieinhalb Jahre nach Unterzeichnung des Mietvertrags ist es nun soweit,
das die lang versprochenen Räume in der Potsdamer Straße 134 vom Drugstore
womöglich bald bezogen werden können. Man gehe davon aus, „dass eine
Übergabe an die Nutzer Ende Februar 2023 möglich ist“, so der Bezirk
Tempelhof- Schöneberg auf eine Anfrage der taz.
Auf die Frage, ob der Mietvertrag, der im Jahr 2024 ausläuft verlängert
wird antwortete der Bezirk: „Den Mietvertrag haben wir mit einseitiger
Verlängerungsoptionen vereinbart, insoweit besteht hier keine Sorge, dass
wir diese Räume nicht weiter nutzen können“, so der zuständige
Bezirksstadtrat Oliver Schworck (SPD).
17 Jan 2023
## LINKS
[1] /Legendaerer-Jugendclub-in-Berlin/!5840655
## AUTOREN
Julian Csép
## TAGS
Potse
Linke Szene
Jugendliche
taz Plan
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Potse
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