# taz.de -- press-schlag: Im Verein ist Sport am schönsten | |
> Nach der Wüsten-WM in Katar gerät der Auftakt in der Bundesliga fast | |
> schon zu einem Akt der Befreiung. | |
Bild: Neue Attraktion in London: Chelseas Offensivkraft Mykhailo Mudryk (l.) | |
Die WM-Qual hat ein Ende. Endlich gibt es wieder guten Fußball zu sehen. In | |
Katar waren vielleicht acht Spiele von insgesamt 64 okay und einigermaßen | |
vergnüglich. Durch den Rest fräste sich man maschinell hindurch. Glücklich, | |
wer nicht die Rolle eines Archivars spielen und die Dosis reduzieren | |
konnte. Eine Weltmeisterschaft zitiert ja allzu oft das Vergangene: | |
nationale Battles, Corpsgeist im WM-Lager und auf den Fanmeilen. Es läuft | |
auf eine mediale Überhöhung des Event-Fußballs hinaus, aber die | |
Versprechung von Qualität kann eine WM viel zu selten einlösen. | |
Dieses Problem haben die großen europäischen Ligen nicht. Und es ist | |
verständlich, wenn allerhand Kommentatoren und Moderatoren in den | |
zurückliegenden Tagen einen Stoßseufzer der Erleichterung in den Äther | |
schickten: Endlich geht’s wieder los, der Ball rollt, die Stadien sind voll | |
mit echten Fans, die sogar richtig Krach machen und Böller zünden. | |
Der Fußball, der in der Wüste ein im Grunde absurdes Exil genommen hatte, | |
findet wieder zu sich, auch die Politisierung des Ballsports gerät in den | |
Hintergrund. Es mag die kapitalismuskritische Fraktion enervieren, aber der | |
Vereinsfußball ist Garant für Spektakel und Unterhaltung. Lieber Köln gegen | |
Werder als Uruguay gegen Südkorea, lieber Leicester gegen Brighton als | |
Australien gegen Dänemark. | |
Schon komisch, dass einen diese Weltmeisterschaft so [1][nach Authentizität | |
lechzen] lässt, obwohl auch in Europas Ligen in der Winterpause nach Schema | |
F verfahren wurde und man sich in vielerlei Hinsicht keine Illusionen | |
machen darf: [2][irre teure Transfers vom Festland in die Premier League], | |
Magnetismus des Geldes, Zentralisierung von Talenten. Aber das ist eben die | |
Kröte, die es zu schlucken gilt, wenn man Fußball als das begreift, was er | |
ist und schon immer war: Unterhaltung, Ablenkung, Zirkus. | |
Man betritt also die Manege. Und wofür zahlt man da lieber? Für die | |
weltumspannenden Phantastereien eines Fußballweltverbandes oder für den | |
regionalen Klub, dessen Problemchen mit dokumentarischem Eifer in der | |
Lokalpresse ausgerollt werden? Im deutschen, italienischen oder spanischen | |
Ligafußball, so anrüchig er mittlerweile auch sein mag, triumphieren die | |
Somewheres über die Anywheres. Verwurzelung zählt – und in der Wüste wäch… | |
kein Baum. Man kann Attrappen in die Landschaft stellen, Potemkin’sche | |
resp. Al-Thani’sche Dörfer errichten. | |
Allein: Es wird nichts nutzen. Der Fan sucht Nähe. Um die Ecke. Da, wo er | |
sich als Siebenjähriger das Knie aufgeschlagen hat. Wo er zum ersten Mal | |
besoffen war. | |
22 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://journal-kk.de/felix-landwehr-fussball-zwischen-authentizitaet-und-k… | |
[2] https://www.kicker.de/klopp-lacht-ueber-chelsea-transfers-933788/artikel | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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