# taz.de -- Alternativen für WM-Muffel: Big Apple Bike | |
> Es muss nicht immer Fußball sein. Aber Radfahren durch den | |
> Großstadtdschungel ist auch nicht unbedingt zu empfehlen – schon gar | |
> nicht in Manhattan. | |
Bild: Hunderte von Menschen auf Fahrrädern erobern die Straßen in Chelsea in … | |
Bei mir ist es lange her, dass ich mir eingebildet habe, dass mein Sport, | |
das Radeln, unpolitisch ist. So ziemlich genau 20 Jahre. Damals bin ich von | |
München nach New York gezogen. Im oberbayerischen Postkartenidyll war das | |
Fahrradfahren am Wochenende unschuldiges Freizeitvergnügen. Doch in New | |
York merkte ich schnell, dass jede Ausfahrt, gleich ob es über die | |
George-Washington-Bridge den Hudson hinauf ging oder den Broadway hinunter | |
zum Kino ins Village, ein politischer Akt ist. | |
Manhattan ist einer der am dichtesten besiedelten Flecken der Welt. Kaum | |
sonstwo ist Platz ein so kostbares Gut. Und so mussten die Radfahrer, als | |
sie in den siebziger Jahren anfingen, sich in der automobilisierten | |
Metropole etwas Raum zu erobern, von Anfang an um jeden Zentimeter kämpfen. | |
[1][Mittlerweile sind große Fortschritte gemacht worden]. | |
Der ansonsten umstrittene Bürgermeister Bloomberg hat Tausende von | |
Kilometern an Radwegen angelegt und das beste Bike-Share-Programm | |
etabliert, das ich je in einer Großstadt erlebt habe. Doch die Kämpfe gehen | |
weiter. Die Anzahl der Radler steigt unproportional, die Infrastruktur | |
bleibt ungenügend. | |
## Proteste für sicheres Radeln | |
Die Zahl der Verkehrsopfer bleibt ebenso inakzeptabel wie die | |
Gleichgültigkeit von Polizei und Justiz. Das hat zu Protesten geführt. Es | |
gibt seit Jahrzehnten die Critical Mass Rides, [2][die sogar bis nach | |
Berlin geschwappt sind]. Es gibt eine Lobby namens „Transportation | |
Alternatives“. Und in den vergangenen Jahren wurden bei jedem tödlichen | |
Zusammenstoß Die-ins vor dem Rathaus veranstaltet. | |
Während der Pandemie ist nun eine ganz neue Gruppe auf den Straßen New | |
Yorks aufgetaucht. Wie man heute weiß, waren sie schon lange da, sie sind | |
nur zum ersten Mal der breiten Öffentlichkeit aufgefallen: die wilden Pulks | |
schwarzer Jugendlicher, die auf gepimpten Mountainbikes mitten auf dem | |
Broadway oder sogar auf der Stadtautobahn an der Westseite wilde Tricks | |
vorführen. Die Fahrten nennen sich Rideouts, die Subkultur hat das Hashtag | |
#Bikelife, ihr Motto lautet „We Outside“. | |
Warum das politisch ist? Die Kids, meist aus Gettobezirken wie Bronx oder | |
Harlem, reklamieren Raum im reichen kommerziellen Herzen von New York. Sie | |
brechen aus den Bezirken aus, in welche jahrzehntelange rassistische | |
Wohnungspolitik sie verbannt hat, und zeigen mit martialischen Gesten | |
Präsenz. Und den Einschüchterungsversuchen der Polizei trotzen sie | |
selbstbewusst. Nach einer Nacht im Gefängnis sitzen sie am nächsten Tag | |
wieder im Sattel. | |
14 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Fahrrad-Boom-in-New-York/!5149731 | |
[2] /Critical-Mass-Protest-in-Berlin/!5631480 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Moll | |
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