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# taz.de -- Wahlkampf in der Türkei: Solidarität unter Stadtoberhäuptern
> Als größter Rivale Erdoğans steht Istanbuls Bürgermeister İmamoğlu unter
> Druck. Europaweit solidarisieren sich Amtskollegen mit ihm.
Bild: Für den türkischen Präsidenten ein Dorn im Auge: Istanbuls Bürgermeis…
Istanbul taz | „Am Ende wird die Demokratie siegen“. Istanbuls
Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu gibt sich trotz seiner jüngsten
Verurteilung zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft unbeirrt optimistisch,
dass er im Amt bleibt. Am Donnerstag waren mehrere Oberbürgermeister
anderer europäischer Städte nach Istanbul gereist, um İmamoğlu zu
unterstützen.
İmamoğlu selbst betonte dabei, die 16 Millionen Einwohner Istanbuls würden
nicht akzeptieren, wenn ihr Bürgermeister durch ein offensichtlich
politisch motiviertes Urteil aus dem Amt gejagt würde.
Die Oberbürgermeister aus Athen, Kostas Bakoyannis, aus Florenz, Dario
Nardella und Belit Onay aus Hannover versicherten İmamoğlu, sie stünden in
Solidarität hinter ihm. Grußbotschaften aus anderen Städten, darunter Paris
und Hamburg, zeigten, dass Istanbuls İmamoğlu Rückhalt in ganz Europa
genießt.
Vor allem Athens Kostas Bakoyannis kritisierte die gesteuerte Justiz scharf
und nannte das Urteil gegen İmamoğlu völlig unakzeptabel. Als Vertreter der
Stadt, in der „die Demokratie erfunden wurde“, sei er sich aber sicher,
dass die Menschen diesen Eingriff in ihre politische Autonomie „nicht
akzeptieren“ würden. Belit Onay, dessen Familie ursprünglich aus Istanbul
kommt, sagte, İmamoğlu sei ein Opfer seines eigenen Erfolges, den Präsident
Recep Tayyip Erdoğan nicht ertragen könne.
## Mit Amtsenthebung gedroht
Ob die Unterstützung seiner Kollegen aus Europa am Ende ausreicht, um
[1][İmamoğlu vor dem Gefängnis zu bewahren], wird sich in den nächsten
Monaten zeigen. Die Regierung zieht die Repressionsschrauben weiter an.
Nicht nur gegen İmamoğlu, sondern auch gegen andere Bürgermeister der
oppositionellen CHP – und das wenige Monate vor den Präsidentschafts- und
Parlamentswahlen.
Innenminister Süleyman Soylu gab bekannt, dass eine von ihm eingesetzte
Expertenkommission hunderte Fälle ermittelt habe, in denen unter der
Verantwortung İmamoğlus bei der Stadtverwaltung Mitarbeiter eingestellt
wurden, die Verbindungen zu „Terrororganisationen“ hätten. Diese
Vorermittlungen würden nun der Staatsanwaltschaft übergeben.
Soylu drohte damit, er werde Ekrem İmamoğlu aus dem Amt entfernen lassen
und in Istanbul einen staatlichen Zwangsverwalter einsetzen, wenn die
Staatsanwaltschaft Anklage erheben würde. Dies könne er ganz unabhängig von
den Berufungsverfahren tun, die in dem Fall der erstinstanzlichen
Verurteilung İmamoğlus noch anhängig seien.
Mit anderen Worten, Soylu droht damit, İmamoğlu aus dem Amt zu drängen,
auch wenn er noch gar nicht rechtskräftig verurteilt ist. Das ist eine
[2][weitere Verschärfung der Situation]. Offenbar sorgt die
Erdoğan-Regierung so für den Fall vor, dass bis zu den voraussichtlich im
Juni stattfindenden Wahlen ein endgültiges Urteil gegen İmamoğlu noch
aussteht.
Wie İmamoğlu in einer Stellungnahme dazu sagte, droht diese Amtsenthebung
auch den Bürgermeistern in Ankara, Antalya und anderen Großstädten, die
[3][die Opposition in den Kommunalwahlen 2019 erobern] konnte. Mit dem
Hebel von „Terrorermittlungen“ sind bereits zahlreiche Bürgermeister in den
kurdischen Gebieten der Türkei aus dem Amt entfernt worden.
Unterdessen berät das Oppositionsbündnis von sechs Parteien, die für die
kommende Wahl einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten aufstellen
wollen, weiterhin darüber, wen sie nominieren sollen.
Während die Vorsitzende der zweitstärksten Partei des Bündnisses, Meral
Aksener, darauf drängt, jetzt erst recht İmamoğlu aufs Podest zu heben,
tritt Kemal Kilicdaroglu, Vorsitzender der CHP und damit Führer der
Opposition, auf die Bremse. Er hat sich selbst mehrmals als Kandidat ins
Gespräch gebracht. Die anderen Oppositionsvertreter schätzen ihn aber
weniger aussichtsreich ein als İmamoğlu.
29 Dec 2022
## LINKS
[1] /Urteil-gegen-Istanbuler-Buergermeister/!5902834
[2] /Wahlkampf-in-der-Tuerkei/!5899386
[3] /Kommentar-Zukunft-der-Tuerkei/!5603383
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Ekrem İmamoğlu
Istanbul
Solidarität
Schwerpunkt Frankreich
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Türkei
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