| # taz.de -- Vergiftete Gletscher: „Auch Menschen gefährdet“ | |
| > Längst verbotene chemische Verbindungen finden sich inzwischen überall, | |
| > auch in den Gletschern der Arktis. Experte Zhiyong Xie warnt vor den | |
| > Folgen. | |
| Bild: Ein Gletscher auf Grönland | |
| taz: Herr Xie, was ist über Chemikalien in den Eis- und Schneeschichten | |
| der Arktis bisher bekannt? | |
| Zhiyong Xie: Mit den Meeresströmungen werden die Stoffe aus Regionen wie | |
| Europa oder Nordamerika in die Arktis transportiert. Die niedrigen | |
| Temperaturen dort verlangsamen ihren Zersetzungsprozess, und sie reichern | |
| sich im Eis und im Schnee an. Im Sommer schmelzen sie dann und gelangen so | |
| in die Küstengewässer. Viele der Stoffe sind flüchtige, also gasförmige | |
| Chemikalien, mit der Verdunstung des Wassers gelangen sie in die Atmosphäre | |
| und fallen dann als Schnee wieder auf die Gletscher. | |
| Diese Stoffe haben also ihre eigenen Kreisläufe gebildet? | |
| Ja, durch die Zirkulation der Luftmassen [1][in der Arktis] bleiben sie, | |
| nach allem, was wir wissen, in diesen Regionen. Viele der Chemikalien, die | |
| wir aktuell in der [2][Arktis] finden, sind eigentlich schon seit den | |
| 1970er Jahren verboten. Bei bestimmten organischen Verbindungen aus der | |
| Gruppe der Per- und polyfluorierten Chemikalien (PFAS), die etwa für | |
| wasserabweisende Textilien verwendet werden und in europäischen Ländern | |
| mindestens seit 2009 nicht mehr industriell genutzt werden, sehen wir, dass | |
| die Konzentration von der Nordsee aus in Richtung des zentralen Atlantiks | |
| sinkt. An den Küsten von Grönland und Spitzbergen steigt sie aber wieder. | |
| Wir sehen also, dass dort, wo durch [3][die schmelzenden Gletscher] der | |
| Salzgehalt niedriger ist, verhältnismäßig viele Chemikalien im Wasser sind. | |
| Das deutet darauf hin, dass diese Stoffe mit dem Schmelzwasser aus dem Eis | |
| ins Meer gespült werden. | |
| Wie lange bleiben diese Stoffe in der Umwelt – sprechen wir da eher von 10 | |
| oder von 300 Jahren? | |
| Bei einigen Stoffen sinkt die Konzentration, nachdem sie verboten wurden, | |
| recht schnell – zehn Jahre ist dafür trotzdem eine sehr kurze Zeit. Das | |
| Problem ist, dass selbst nach einem Verbot die alten Produkte, die diese | |
| Chemikalien enthalten, noch für Jahrzehnte in Gebrauch sind. Generell sind | |
| viele Stoffe viel stabiler in der Umwelt, als man früher dachte, sie | |
| verändern sich also nicht und zerfallen auch nicht. PFAS zum Beispiel | |
| können definitiv mehr als 100 Jahre stabil bleiben. | |
| Was bedeutet das für die Umwelt? | |
| Die [4][Schädlichkeit von einigen Chemikalien für Mensch und Tier] wurde | |
| bereits erforscht, zum Beispiel, dass sie toxisch wirken oder zu | |
| Hormonstörungen führen können. Bei einigen, vor allem bei den neuartigen | |
| Stoffen, sind Wissenschaftler noch dabei, die genauen Folgen zu | |
| untersuchen. Es besteht aber eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass auch sie | |
| schädlich für Organismen sind. Sicher ist, dass sich die Stoffe in der | |
| Nahrungskette anreichern. In Blut- und Fettproben von Eisbären und | |
| Ringelrobben wurden Organophosphate-Ester gefunden, die [5][als | |
| Flammschutzmittel verwendet] werden. Aber nicht nur Tiere werden gefährdet, | |
| sondern auch Menschen. Denn beispielsweise durch die Nahrungsaufnahme | |
| können Schadstoffe in den menschlichen Organismus gelangen, wo sie kaum | |
| abbaubar sind. | |
| 23 Jan 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Teresa Wolny | |
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