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# taz.de -- Finale Handball-EM der Frauen: Lagerfeuer Vereinssport
> Im Finale gegen Dänemark hat Norwegen die Handball-EM der Frauen
> gewonnen. Die skandinavische Dominanz in diesem Sport ist kein Zufall.
Bild: Feiern mit Schale: Norwegens Handballspielerinnen nach dem EM-Finale gege…
Wer diesen Herbst in Oslo oder Kopenhagen war, hat sie wieder gesehen:
Mädchen und Jungen in reflektierender Regenkleidung, auf dem Gepäckträger
oder über der Schulter die Sporttasche. Aber nicht nur in den Hauptstädten.
Auch in der norwegischen Region Trøndelag oder im dänischen Jütland gehört
Sport nach der Schule einfach dazu. Für viele, meist selbst sportliche
Eltern ist es in Skandinavien unverhandelbar, dass die Kinder nach dem
Lernen aktiv werden. Sport ist viel mehr als bei uns ein Stück
Alltagskultur, die Vereine das Lagerfeuer, um das sich versammelt wird. Auf
jedem Niveau übrigens. Für zukünftige Spitzenathletinnen und -athleten
heißt das, dass sie früh auf Sport-Internate geschickt werden, mit 12, 13
Jahren schon.
Diese Zentralisierung wirft in Sportarten wie dem Handball seit Jahrzehnten
Früchte ab. Handball ist erfolgreich und sichtbar im öffentlich-rechtlichen
Fernsehen, deswegen gibt es landesweit bekannte Vorbilder.
Die Infrastruktur und die staatliche Förderung stimmen, selbst in kleinen
Orten am Polarkreis stehen beeindruckende Hallen; in Dänemark gab es schon
in den siebziger Jahren Komplexe mit Restaurant und Sauna, von denen
deutsche Vereine nur träumten.
Vor allem aber kämpfen die nordischen Sportverbände gegen die Monokultur
des Fußballs. Bewusst werden kleinere, medaillenträchtige Sportarten wie
eben Handball dem Fußball in Sachen Mittelvergabe gleich- oder prozentual
sogar besser gestellt.
## Keine alten Erklärungsmuster
All das hilft zu verstehen, wenn man sich die Frage stellt, wie es sein
kann, dass am Sonntagabend Norwegen und Dänemark [1][im Finale der
Europameisterschaft] im Handball der Frauen standen.
Die Norwegerinnen um ihren Star Nora Mørk besiegten die aufstrebenden
Däninnen in Ljubljana 27:25 und wurden zum neunten Mal kontinentaler
Champion. Nimmt man die schwedischen Männer als Titelträger der EM vom
Jahresbeginn in Ungarn und der Slowakei hinzu, ergibt sich eine alles
andere als zufällige Dominanz der Skandinavier. Allenfalls der französische
Verband kann da noch mithalten. Bei der Drei-Länder-EM in Slowenien,
Montenegro und Nordmazedonien erreichten die erfolgsverwöhnten Französinnen
diesmal nur Rang vier.
Wie zuletzt immer waren [2][die Frauen des Deutschen Handballbundes] (DHB)
längst zu Hause, als die Medaillen ausgespielt wurden. Mit dem neuen
Bundestrainer Markus Gaugisch erreichte das DHB-Team nach drei Siegen und
drei Niederlagen Rang sieben. Eine ordentliche Platzierung, mehr nicht,
weil – wie so oft – das eine, entscheidende Spiel verloren wurde – diesmal
zum Ende der Vorrunde gegen Spanien.
Interessant war, dass Gaugisch, der in der Frauen-Bundesliga auch die
derzeit beste Mannschaft aus Bietigheim trainiert, ein altes
Erklärungsmuster nicht gelten lassen wollte: Es sei nicht der Druck, der zu
sehr laste und ein besseres Abschneiden verhindere. Es sei fehlende
handballerische Qualität.
## Profisport Frauen-Handball
Gaugisch weiß, wovon er spricht, er sieht das vorherrschende Niveau ja
jedes Wochenende in der heimischen Liga. Dort etwa tritt seine
Nationalspielerin Maike Schirmer für den VfL Oldenburg auf Rechtsaußen an.
Sie arbeitet jedoch auch 30 Stunden die Woche als Erzieherin. In
Skandinavien und Frankreich, aber auch in vielen südosteuropäischen Ländern
ist Frauen-Handball Profisport. In Deutschland ist man auf dem Weg dahin.
Und so bekommt man eine erste Erklärung geliefert, warum der DHB
hinterherläuft.
Mit Blick auf die Heim-WM 2025 (zusammen mit den Niederlanden) ist das
Problem identifiziert. Möglichst bald, spätestens zur Saison 2024/25, will
der DHB vier regionale Stützpunkte errichten, an den Mädchen und Jungen ab
zwölf Jahren neun Mal die Woche trainieren.
Abgeschaut in Frankreich, soll die Zentralisierung in Stuttgart, Dortmund,
Hannover und Leipzig mehr Talente für den deutschen Handball hervorbringen.
„Unser Anspruch ist, das Halbfinale zu erreichen“, sagte DHB-Präsident
Andreas Michelmann.
Allerdings dürfte es noch dauern, solche Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Norwegen vertraute zwar einer routinierten Achse, hatte aber sieben
Neulinge im Kader. Bei Frankreich kamen im letzten Hauptrundenspiel vier
Debütantinnen unter 19 Jahren zum Einsatz. Die Däninnen sind ohnehin eine
junge Mannschaft mit viel Potential.
Bei den Deutschen tragen seit Jahren Spielmacherin Alina Grijseels,
Abwehrchefin Xenia Smits und Rückraumspielerin Emily Bölk die Last.
Dahinter und daneben gibt es mehr Schatten als Licht, auch auf der so
wichtigen Torhüterinnenposition.
In Norwegen und Dänemark werden nun wieder ein paar mehr Kinder mit dem Rad
und der Tasche zum Handball fahren. Den Vorbildern nacheifern. Und in
Deutschland?
21 Nov 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Frank Heike
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