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# taz.de -- Aus für deutsche Handballerinnen: Zittrig, fahrig, ängstlich
> Nach einer mentalen Blockade im Entscheidungsspiel gegen Kroatien schafft
> es die deutsche Handballauswahl nicht in die Vorschlussrunde der EM.
Bild: Schubser von hinten: Emily Bölk wird von Kroatiens Camila Micijevic beim…
Plötzlich musste alles ganz schnell gehen. Schon am frühen Mittwochmorgen
machte sich der Handballtross auf den Weg von Kolding aus zurück in die
Heimat. Gerade einmal 15 Stunden nach dem Ausscheiden bei der
[1][Handball-EM] verließ die deutsche Nationalmannschaft der Frauen
Dänemark. Nachdem die Qualifikation fürs Halbfinale nicht gelang, wirkte
die schnelle Abreise nach dem 20:23 im finalen Hauptrundenspiel gegen
Kroatien wie eine Flucht.
„Wir waren nicht gut genug“, sagte Henk Groener am späten Dienstagabend bei
einer Videoschalte. Der Niederländer wirkte zum dritten Mal als
Bundestrainer bei einem großen Turnier, und erneut gelang es nicht, in die
Medaillenrunde einzuziehen. „Wir sind noch nicht soweit, wie wir vielleicht
gehofft hatten“, sagte der 60-Jährige.
Hoffnung war vorm Turnier ein zentrales Wort – verbunden wurde es mit dem
Begriff Halbfinale. Viele Spielerinnen formulierten dieses Ziel, Kapitänin
Kim Naidzinavicius oder Stellvertreterin Julia Behnke zum Beispiel. Die
Lethargie, mit der viele deutsche Nationalspielerinnen nach der
Schlusssirene der Partie gegen Kroatien minutenlang auf der Ersatzbank in
der Halle saßen, verdeutlichte die Enttäuschung eines Teams, das einen
Schritt nach vorne machen wollte, aber auf der Stelle tippelt.
Vor den entscheidenden Spielen in der [2][Hauptrunde dieser EM] gegen die
Niederlande (27:28) und Kroatien (20:23) sagte Linksaußen Antje Lauenroth:
„Ich hoffe, dass wir uns weiterentwickelt haben.“ Diese Hoffnung erfüllte
sich nicht.
## Dunkelzeit statt Rampenlicht
Vor der letzten Halbzeit dieses Turniers war für die Deutschen alles
möglich. Nach 30 Minuten stand es gegen kampfstarke, aber keineswegs
überragende Kroatinnen 12:12-Unentschieden. Ein Sieg mit zwei Toren
Differenz war nötig, um aus eigener Kraft ins Halbfinale einzuziehen. Eine
halbe Stunde war Zeit, um den deutschen Frauen-Handball ins Rampenlicht zu
schieben, aber dann ging alles schief.
Die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) agierte erst fahrig und
anschließend ängstlich. Zwischen der 31. und 47. Minute gelang ihr nur ein
Treffer, sie geriet 13:19 in Rückstand. Die eigenen Tor-Abschlüsse waren
zittrig, nicht überzeugt und deshalb eine leichte Beute für die kroatische
Abwehr. Die deutschen Frauen waren in einer entscheidenden Phase am Druck
und ihren eigenen Erwartungen gescheitert.
Groener wurde anschließend gefragt, wie groß denn nun die Enttäuschung bei
ihm sei. „Die Enttäuschung ist immer der Unterschied zwischen den
Erwartungen und der Realität“, antwortete der Bundestrainer. Im Gegensatz
zum Überraschungshalbfinalisten aus Kroatien war der Anspruch der deutschen
Mannschaft an sich selbst hoch, weshalb sie nicht mental unbeschwert ins
Turnier starteten.
## „Sache von Erwartungen“
Der Druck, der dadurch automatisch entstand, ähnelte dem der Top-Nationen
aus Norwegen, Dänemark oder Frankreich. Während die führenden Teams aber
wissen, mit Druck von außen und innen umzugehen, zerbrachen die Deutschen
daran.
„Bei Großturnieren wird offensichtlich, wo unsere Grenzen sind“, sagte
Groener. Er wirkte ob dieser Erkenntnis nicht erschüttert, viel mehr sogar
bestätigt. Seit seinem Dienstantritt im Januar 2018 drängt er auf
professionelle Strukturen der Bundesliga-Klubs und animierte die besten
Spielerinnen, sich in europäischen Topligen das Rüstzeug für den Sprung in
die Weltspitze anzueignen. „Wir haben zu viele Spielerinnen, die nicht
tagtäglich auf Topniveau trainieren und spielen. Sie werden bei einer EM
dann damit konfrontiert.“
Es ist bezeichnend für die mentale Blockade in wichtigen Situationen, dass
mit Julia Maidhof die Unerfahrenste den stabilsten Eindruck hinterließ. Die
22-Jährige spielte ein gutes Turnier im rechten Rückraum, wirkte
unbekümmert und abgeklärt. Der Begabtesten im deutschen Team gelang dies
nicht.
Emily Bölk stand sinnbildlich für die Verzaghtheit, denn sie war nicht in
der Lage, ihr Potenzial abzurufen. Vor der EM hatte das Supertalent die
Medaillenrunde als Ziel ausgerufen („Es ist an der Zeit“) und war an den
eigenen Vorgaben gescheitert. „Das ist eine Sache von Erfahrungen“, sagte
Groener zum Abschluss der EM, die für die DHB-Auswahl auf Platz sieben
endete.
Hoffnung auf Besserung gibt es, denn nicht nur Bölk, sondern mit ihr einige
andere haben im Sommer den Sprung ins Ausland gewagt. In Dänemark führte
das allerdings noch nicht zur Weiterentwicklung.
16 Dec 2020
## LINKS
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/2020_European_Women's_Handball_Championship
[2] https://sportdeutschland.tv/handball-em-frauen-2020
## AUTOREN
Michael Wilkening
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