# taz.de -- Ex-Models und ihre Probleme: Schlaflos in Eppendorf | |
> Wie wirkt sich die Weltlage auf Menschen ohne echte Probleme aus? Ein | |
> fiktives Gespräch unter Freundinnen. | |
Bild: Mailand und der besondere Blick auf die Welt: Ein Model präsentiert die … | |
„Soll ich jetzt Melatonin oder CBD-Öl gegen meine Schlafprobleme | |
ausprobieren?“, fragt die eine hochgewachsene Frau im langen Steppmantel | |
die andere hochgewachsene Frau im langen Steppmantel am Eppendorfer Baum. | |
„Echt jetzt? Schon wieder das Thema, Wiebke, das sind doch Luxusprobleme, | |
darüber braucht man nicht ewig reden. Mach es halt so oder so oder lass es | |
bleiben.“ | |
„Wir reden doch auch endlos über den Schimmel in deinem Gästebad, das ist | |
so übertrieben öde!“ | |
„Darüber reden wir gar nicht endlos!“ | |
„Doch, andauernd, als wäre das weltbewegend, ob der Schimmel wieder da ist, | |
in welchen Grautönen und an welchen Stellen er auftritt, was du dagegen | |
Neues unternimmst, et cetera pp.!“ | |
„Schimmel ist aber auch der Rede wert, er kann die Gesundheit relevant | |
schädigen!“ | |
„Schlafmangel auch!“ | |
„Ach, Schlafmangel, wir [1][modeln] doch schon ewig nicht mehr, die Kinder | |
sind aus dem Haus, wozu muss man ausgeschlafen sein?“ | |
„Ihr habt nie Gäste, wozu brauchst du ein schimmelfreies Gästebad?! Das ist | |
nun echt ein Luxusproblem!“ | |
„Ob etwas ein Luxusproblem ist, hängt immer an der Perspektive, Schimmel in | |
meiner Wohnung ist mein Problem, egal in welchem Zimmer!“ | |
„Egal in welchem der acht! Zimmer meinst du!“ | |
„Und in welchem deiner drei Schlafzimmer hast du [2][Schlafstörungen]?!“ | |
„Wenn ich nicht genug schlafe, kann ich die Weltlage emotional nicht mehr | |
ausbalancieren!“ | |
„Seit wann interessiert dich Politik oder das Leid anderer?!“ | |
„Das interessiert mich alles sehr wohl, und zwar auf eine sehr osmotische | |
Art!“ | |
„Ach ja? Wie das?“ | |
„Mit Mitgefühl.“ | |
„Inwiefern?“ | |
„Ich seh’ mir ständig alles ungeschönt im Internet an, bis ich weinen mus… | |
Iran, Ukraine, Armut im Allgemeinen, Rassismus, Blutvergießen, Ebola, | |
Umweltkatastrophen, ich gucke täglich zum ersten Kaffee furchtbare Videos, | |
auch wie Menschen erschossen werden!“ | |
„Wahrscheinlich hast du deshalb Schlafprobleme!“ | |
„Womöglich.“ | |
„Dann sind deine Schlafprobleme politisch.“ | |
„Ja, das sind sie, sie sind als Kollateralschaden mein Ausdruck von | |
Solidarität. Irgendein wichtiger Philosoph hat mal gesagt, Mitgefühl sei | |
das höchste der Gefühle.“ | |
„Fühlen ist so immens wichtig!“ | |
„Ohne [3][Gefühle] ist alles nichts.“ | |
„Aber dann solltest du auch konsequent sein und nichts gegen die | |
Schlafprobleme einnehmen.“ | |
„Du hast recht, man muss das Leid anderer aushalten, mit aller Konsequenz!“ | |
„Weißt du noch früher in Mailand oder Paris haben wir gar nichts | |
ausgehalten. Wenn wir nicht gebucht wurden, haben wir echt gedacht, wir | |
sind nichts wert!“ | |
„Wir haben alles in Wodka ertränkt!“ | |
„Und die Welt hat uns einen Scheiß interessiert.“ | |
„Aber irgendwann musst du auch als schöne Frau erwachsen werden!“ | |
„Gut heiraten.“ | |
„Und dich aktiv beschäftigen.“ | |
„Mit den ersten Falten.“ | |
„Dem Leid der Welt.“ | |
„Das Leid der Welt lenkt so schön ab von der eigenen Banalität.“ | |
„Katharina!“ | |
„Jetzt mal ehrlich, wir haben keine echten Probleme!“ | |
„Nun ja, was ist überhaupt echt, im Sinne von wirklich fassbar?“ | |
„Auf jeden Fall der Schimmel in meinem Bad.“ | |
23 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jasmin Ramadan | |
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