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# taz.de -- Stadträtin Lasić über Schulruinen: „Hier gibt es so viel zu tu…
> Die neue Schulstadträtin von Mitte, Maja Lasić (SPD), muss sich um die
> Sanierung baufälliger Schulen kümmern. Denn es fehlen Schulplätze in
> Berlin.
Bild: Berlin braucht mehr Schulplätze: Protest in Pankow Mitte Oktober
taz: Frau Lasić, Sie erben als neue Schulstadträtin in Mitte eine ganze
Menge Großbaustellen. Welches ist die größte?
Maja Lasić: Die größte oder die akuteste? Das ist nicht immer dasselbe.
Dann: Wo ist es am dringlichsten?
Also, die Anna-Lindh-Schule in Wedding ist definitiv die akuteste
Baustelle. Das ist ein Präzedenzfall für ganz Berlin gewesen, dass man den
kompletten Schulbetrieb dort nach den Sommerferien ad hoc in ein
Ersatzgebäude auslagern musste.
Sie rechnen mit weiteren solcher Schulhavarien?
Es ist ein Fall, den wir uns nicht wünschen, der aber durchaus noch mal
vorkommen kann. Insofern, ja, die Anna Lindh ist eine Blaupause für ganz
Berlin, wie wir in solchen Fällen vorgehen können.
Würden Sie denn sagen, dass es eine erfolgreiche Blaupause war? Erst
kürzlich gab es einen gepfefferten Brief der Lehrkräfte der
Anna-Lindh-Schule, die sich über unzureichende Bedingungen am
Ersatzstandort beschwerten: Ein Bürogebäude sei einfach keine Schule, es
fehle schon am Pausenhof.
Es gibt einen Unterschied zwischen perfekt und erfolgreich. Ist der
Schulbetrieb perfekt am Ausweichstandort? Nein, sicher noch nicht. Ist die
Entscheidung, die Schule auszulagern, trotzdem richtig gewesen? Da würde
ich sagen: Ja.
Aber welche Perspektive können Sie den Lehrkräften und Schüler*innen der
Anna-Lindh-Schule geben?
Wir brauchen zunächst Lösungen der alltäglichen Probleme, mit denen das
Kollegium konfrontiert ist. Also ganz banale Fragen: Welche Sporthalle
können die Kinder nutzen? Wie wird der Bus-Shuttle zur Ersatzschule
organisiert? Und dann bedarf die Schulgemeinschaft einer Perspektive. Die
gilt es zusammen zu erarbeiten.
Die Lehrkräfte befürchten auch, dass ihnen Stellen genommen werden könnten
– weil bereits Kinder von der Schule abgemeldet wurden. Aus der
Bildungsverwaltung heißt es aber, die Personalausstattung der Schule sei
mit 117 Prozent ohnehin sehr großzügig bemessen.
Hier bedarf es noch eines vertieften Austauschs mit der Bildungsverwaltung.
Und ich sehe mich in der Pflicht, da entsprechend einzuwirken.
Sie meinen, die Anna-Lindh-Schule darf keine Stellen verlieren?
Die Stellen gibt es so an dieser Schule, weil der Bedarf an einer Schule in
herausfordernder Lage höher ist. Nach meinem Verständnis ist dies nach wie
vor die gemeinsame leitende Linie der Bildungspolitik in Berlin.
Wir haben über die akuteste Baustelle gesprochen. Was ist die Größte?
Die Schulplatzversorgung. Wir müssen dafür sorgen, dass im kommenden Jahr
die Versorgung mit Schulplätzen in Mitte gesichert ist. Das scheint jetzt
noch in weiter Ferne zu liegen, aber das ist es nicht.
Vor den letzten Sommerferien wussten in Mitte und in anderen Bezirken viele
künftige Siebtklässler*innen nicht, auf welche Schule sie im August
gehen würden. Einfach, weil das Schulamt keine Schulplätze mehr fand.
Ja. Deshalb müssen wir uns jetzt um Standorte kümmern, die in den nächsten
zwei, vier, fünf Jahren einsatzbereit sind. Die gute Planung der
bestehenden Kapazitäten und gleichzeitig eine frühzeitige Erschließung von
neuen Standorten – das ist die Schlüsselbaustelle.
Können Sie den Eltern versprechen: So schlimm wie im Sommer wird es nicht
wieder?
Von frühzeitigen Versprechungen halte ich mich zurück. Aber unser Ziel ist
es, eine klarere und frühzeitige Kommunikation mit den betroffenen Familien
zu erreichen.
Ihre Vorgängerin als Schulstadträtin, die jetzige Bezirksbürgermeisterin
Stefanie Remlinger (Grüne), hat gewarnt: Bei den Oberschulplätzen wird es
erst noch richtig schlimm.
Die Einschätzung teile ich. Deshalb ist zum Beispiel auch die Reaktivierung
des ehemaligen Diesterweg-Gymnasiums in der Putbusser Straße so essenziell.
Das ist noch so ein sogenannter Großschadensfall: Das Gebäude ist
asbestverseucht und muss kernsaniert werden.
An der Sanierung in der Putbusser Straße hängt wiederum auch die Sanierung
der benachbarten Ernst-Reuter-Schule, weil sie die Putbusser Straße als
Ausweichstandort braucht. Sie sehen: Die Baustellen sind miteinander
verwoben. Auf bezirklicher Ebene kann ich die Putbusser Straße aber nicht
reaktivieren, die Baustelle ist zu groß. Das entscheidet sich auf
Landesebene.
Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) hat kürzlich den Bezirken eine
Öffnungsklausel in Aussicht gestellt: Auch wenn Baustellen, wie die
Putbusser Straße, nicht in der Investitionsplanung stehen, darf in
besonderen Notlagen dort weitergebaut werden. Wollen Sie versuchen, diese
Tür zu öffnen?
Nein, das gilt eher für kleinere Baumaßnahmen, die man so noch realisieren
will. Bei der Putbusser Straße knüpfe ich eher an den Beschluss der
SPD-Fraktion von der letzten Klausur an: Es muss eine zweite städtische
Wohnungsbaugesellschaft neben der Howoge mit einsteigen in den Schulbau.
Nur dann werden wir, übrigens nicht nur in Mitte, brachliegende
Reaktivierungen und Großsanierungen von Schulen in der Geschwindigkeit
leisten können, wie wir es brauchen in Berlin.
Warum schafft das nicht die Howoge alleine?
Die ist am Limit ihrer Kapazitäten. Sonst hätte man auch die Putbusser
Straße längst dort unterbringen können.
Bis eine zweite städtische Wohnungsbaugesellschaft mitbauen könnte, kann es
dauern.
Ich weiß gar nicht, ob das so lange dauern würde. Es wäre ja kein ganz
neuer Prozess. Ich habe die SPD-Fraktion so verstanden, dass man noch vor
der möglichen Wahlwiederholung im Februar die nächsten Schritte anbahnen
will. Und dann kommt es auf die Koalition an: Wie viel Zeit will man mit
Wahlkampf verbringen, wie viel mit praktischer Politik?
Apropos praktische Politik: Wie steht es um die Integration der
geflüchteten Kinder aus der Ukraine im Bezirk?
Der überwiegende Teil der Kinder und Jugendlichen, die neu ankommen, wird
im bewährten System eingegliedert: Die Jüngeren kommen direkt in die
Regelklasse, Ältere werden in Willkommensklassen vorbereitet, aktuell sind
es insgesamt etwas über 60 Klassen. Mein Ziel ist es, auch in Zukunft
möglichst alle Kinder an Regelschulen in den Unterricht zu integrieren.
Das schaffen Sie gerade nicht?
Es gibt etwa 80 bis 100 Jugendliche in Mitte, die in Zusammenarbeit mit der
Volkshochschule an Ersatzstandorten unterrichtet werden, weil in den
Schulen kein Platz ist. Diese Zahl ist dynamisch und muss auch zukünftig
mit den restlichen, ebenfalls steigenden Bedarfen abgeglichen werden.
Deshalb sage ich: Es ist unser Ziel, dass alle geflüchteten Kinder an
Regelschulen gehen können. Aber ich muss auch sagen: Wir wissen ja gar
nicht, was noch auf uns zukommt im Winter.
Sie hatten schon mit der beruflichen Politik abgeschlossen, als Sie 2021
bei der Abgeordnetenhauswahl Ihr Mandat verloren haben. Jetzt sind Sie nach
nicht mal einem Jahr wieder da und haben dafür Ihr Referendariat als
Quereinsteigerin abgebrochen. Was hat Sie gereizt?
Ich habe dieses ausgeprägte Bedürfnis, wirksam zu sein. Der Reiz war
schlicht zu groß – hier gibt es so viel zu tun.
4 Nov 2022
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
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Wahlkampf
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