# taz.de -- Massenpanik in Südkorea: Sicherheit nicht auf dem Radar | |
> Die Tragödie beim Halloween-Fest in Seoul wäre wohl zu verhindern | |
> gewesen. Doch selbst die Polizei fühlte sich offenbar nicht zuständig. | |
Bild: Ein Ladenbesitzer trauert am Ort der Tragödie in Seoul | |
Die kleine Gasse im Seouler Itaewon-Viertel führt direkt vom | |
U-Bahn-Ausgang Nummer 4 bergaufwärts zur berühmten Ausgehmeile mit all | |
ihren Hiphop-Clubs und Rooftop-Bars. Auf jenen 45 Metern Asphalt, die zu | |
eng sind für jeden Autoverkehr, wurden am Samstagabend die Partygänger von | |
ungeheuren Menschenmassen auf beiden Seiten [1][erdrückt]. Mindestens 154 | |
von ihnen verloren in jener Nacht ihr Leben. | |
Auf der anderen Seite des zentralen Namsan-Bergs, direkt vorm Rathaus der | |
Millionen-Metropole, hat die Stadtregierung einen riesigen Traueraltar | |
errichtet. Präsident Yoon Suk Yeol kam als Erster, um den Verstorbenen | |
seinen Respekt zu erweisen. | |
Doch als die Politiker, ausländischen Botschafter und Fernsehjournalisten | |
längst wieder abgezogen waren, riss die Schlange an Trauernden bis in die | |
Abendstunden weiterhin nicht ab. Insbesondere viele junge Leute legten mit | |
Tränen in den Augen ihre Blumensträuße nieder, und immer wieder hörte man | |
den Ausspruch: „Sie waren in meinem Alter.“ | |
Zwei Tage nach der Tragödie hat die südkoreanische Regierung nun | |
versprochen, eine gründliche Untersuchung einzuleiten. Die Polizei hat | |
ebenfalls bereits begonnen, Zeugen zu befragen und ihre Überwachungskameras | |
auszuwerten. Und die Öffentlichkeit, die bereits 2014 vom menschengemachten | |
[2][Schiffsunglück der „Sewol“] mit über 300 Toten aufgerüttelt wurde, | |
schaut mit Argusaugen auf das Tun der staatlichen Autoritäten. | |
Denn schon jetzt lassen sich Rückschlüsse ziehen, wonach die | |
Itaewon-Tragödie möglicherweise zu verhindern gewesen wäre. Als fatal | |
stellt sich heraus, dass die Halloween-Feierlichkeiten trotz der jährlich | |
Zehntausenden Besucher nicht von einer zentralen Institution organisiert | |
wurden. Deshalb fühlte sich niemand so recht für die Sicherheit | |
verantwortlich, auch die Polizei offenbar nicht ausreichend. | |
## Müll und Verkehr waren die Themen | |
Und die Bezirksregierung gab bereits recht offen zu, dass sie sich im | |
Vorfeld vor allem um die Müllentsorgung am nächsten Morgen und die | |
Verkehrsregelung während des Events gesorgt hatte. Die Sicherheit der | |
Menschenmengen hatte man schlicht nicht auf dem Radar. | |
Viele Bewohner des Viertels waren zwar ebenfalls schockiert von den | |
Ereignissen, allerdings weitaus weniger überrascht. Ein Enddreißiger | |
erzählt auf seinem Facebook-Account, dass er die Veranstaltung seit | |
Längerem gemieden hatte, nachdem er sich beim Halloween-Fest vor acht | |
Jahren bereits unsicher gefühlt hatte: „Es war dermaßen überfüllt, dass es | |
irgendwann gefährlich schien, also bin ich früher gegangen und auch in den | |
nächsten Jahren nicht mehr wiedergekommen.“ | |
Doch diesen Herbst hat sich nach Aufhebung der Corona-Auflagen der Drang | |
vieler junger Koreaner noch einmal deutlich erhöht, endlich wieder wie | |
früher zu feiern. Bis vor wenigen Monaten galten schließlich noch | |
Sperrstunden und Kapazitätsbeschränkungen. Das populäre Itaewon-Viertel war | |
bisweilen zur Geisterstadt verkommen. Einige der Bars hatten – wie zur | |
Prohibition – ihren Stammgästen heimlich hinter verschlossenen Türen die | |
Biere ausgeschenkt, um den Stichprobenkontrollen der Polizei zu entgehen. | |
Nun wird bis zum kommenden Samstag wieder Stille ins Viertel einkehren, | |
denn Präsident Yoon Suk Yeol hat eine nationale Trauerzeit ausgerufen. Wenn | |
die Feiernden danach allmählich wieder nach Itaewon zurückkehren, wird die | |
Tragödie in den Köpfen der Leute wohl noch lange nachhallen. | |
31 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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