Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Wacht auf, Verdampfte dieser Erde!
> Die Wiedervereinigung von Schröder und Lafontaine am Tag der deutschen
> Einheit ist spektakulär gescheitert. Ein Geheimbericht.
Hat Moskau seine Finger auch hier im Spiel? Oder ist Oskar Lafontaine und
Gerhard Schröder dieser Tage von selbst aufgefallen, dass sie inhaltlich
wieder „Seit an Seit“ schreiten, wie es in der SPD-Hymne ihrer früheren
politischen Heimat heißt? Am vergangenen Montag, dem Tag der deutschen
Einheit, berieten Lafontaine und Schröder jedenfalls in Berlin heimlich
über die Gründung einer neuen „Bewegung“. Die investigative Wahrheit war
zufällig exklusiv dabei.
Der Ort, an dem die beiden Polit-Elefanten und ihr Gefolge sich treffen,
könnte nicht symbolträchtiger sein: Im Admiralspalast am Berliner Bahnhof
Friedrichstraße schlossen sich vor 76 Jahren die Ost-KPD und die Ost-SPD
zur SED, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, zusammen – auch
damals unter dem wohlgefälligen Blick des Kremls. Auf diese Parallele
angesprochen, antwortet Lafontaine wie immer launig auf dem Weg in den
Saal: „Wir wollen aber lieber eine Einheizpartei sein. Und das Gas zum
Heizen war ja da. Russland wollte ja liefern. Wir hätten nur …“ Der Rest
seines Statements wird von wuchtiger Blasmusik übertönt.
Durch eine Flügeltür am anderen Ende des Saals zieht in diesem Moment
Gerhard Schröder ein. Die Wirkung der Bierzeltinszenierung leidet
allerdings ein wenig, denn die Veranstalter haben den Saal vorsorglich
verkleinert und weitgehend entstuhlt. Für die etwa 50 Restmitglieder von
Sahra Wagenknechts „Aufstehen!“-Bewegung braucht es naturgemäß keine
Sitzgelegenheiten. Und die rollenden Genossen, die gern schon 1946 dabei
gewesen wären, haben ihre Stühle selbst mitgebracht. So schaut schon
Sekunden nach Schröders Bombast-Einmarsch alles gebannt darauf, wie sich
die zwei Alphatiere wohl begrüßen, die 1998 die SPD zurück an die Macht
brachten und später doch so bittere Feinde wurden.
In der Mitte des winzigen Tagungsbereichs treffen sich Schröder, 1 Meter
74, und Lafontaine, 1 Meter 76, wobei der Hannoveraner durch spezielle
Schuhsohlen Augenhöhe herstellt. Trotz der demonstrativ kollegialen
Begrüßung mit Schulterklopfen und Haifischgrinsen setzt die
Plateausohlennummer den Ton für die folgenden Beratungen: Keiner der beiden
„Spitzengenossen“ gönnt dem anderen auch nur das Geringste, nicht das Wei�…
in den Augen, so sehr fixieren sich beide, dass die Pupillen geweitet sind
wie sonst nur bei Kaninchen, die auf eine Schlange starren.
## Taktische Nadelstiche
Permanent belauern sich die beiden an diesem Abend, nutzen jede Gelegenheit
für taktische Nadelstiche gegen den Konkurrenten. Fürs Deeskalieren hat die
Regie Sahra Wagenknecht, 1 Meter 75, als Puffer im samtweichen
Altrosa-Kostüm zwischen die beiden Altmeister platziert – eine verheerende
Fehlentscheidung, wie sich noch zeigen wird.
Anfangs einigen sich beide Herren noch schnell. „Nie wieder Krieg – wir
wollen Frieden durch Spezialoperationen!“, heißt das außenpolitische
Kapitel des Programmentwurfs. Für Nichtslawisten eher rätselhaft: der
Slogan „Nur Mir mit Wir“, der offenbar auf Putins Plan einer „Russki Mir�…
eines von Lissabon bis Wladiwostok reichenden Reiches unter russischen
Friedensvorstellungen anspielt. Für Beifallsstürme im Publikum sorgt
Lafontaines eröffnende Warnung: „Wenn wir Russland nicht entgegenkommen,
werden wir nach einem Atomkrieg singen müssen: ‚Wacht auf, Verdampfte
dieser Erde!‘‘“
Auch Parteistrategisches wird zügig beschlossen. Nach „Referenden“ sollen
das Saarland und Sachsen aus dem Bund herausgelöst werden und einen eigenen
Staat namens „Das Deutsche Russland“ ausrufen. Verbinden soll die
„Territorien“ ein Korridor, bewacht von der Gruppe Wagner. Deren
Hauptquartier liegt dann selbstverständlich im noch zu befreienden
Bayreuth.
Erbittert gestritten wird im Admiralspalast über den Parteinamen. Soll man
zu Ehren des Paten Putin „Unser Haus Deutschland“ nehmen? Schröder versucht
es brutal mit „Ackerland“, Lafontaine mit „Oskarlouis“. Am Ende setzt s…
dank alter sozialdemokratischer Umständlichkeit doch „Der überwiegend rote
Sonnenschein (Aufgang) von Gerd und Oskar“ durch, auch wenn einige
Anwesende dies als „ziemlich wenig griffig“ kritisieren. Leises Murren gibt
es im Saal auch über das indische Sonnenrad im Logo: zu viel Rot, zu wenig
Brauntöne, heißt es.
## Rettende Idee
Und dann: Hannover oder Saarbrücken? Der Streit über die „Hauptstadt der
Bewegung“ droht die Versammlung schließlich zu sprengen. Die rettende Idee
hat der designierte Generalsekretär Egon Krenz, 1 Meter 86. Er schleppt
einen Atlas herbei, zeigt triumphierend, welcher Ort fast exakt in der
Mitte zwischen beiden Städten liegt: Siegen. Mit Siegen können hier alle
leben. Hatte Krenz doch seinerzeit als vorletzter Staatsratsvorsitzender
der DDR von der Sowjetunion das Siegen gelernt.
Als ein Witzbold dazwischenruft: „Wo ist eigentlich Scharping?“, nutzt
Schröder dies für eine Klarstellung: „Der Rudolf ist Radfahrer. Wir wollen
Autofahrer. Benziner. Und kein Tempolimit. Einverstanden, Kubicki?“
Außer vielleicht Wolfgang Kubicki, 1 Meter 76, der als FDP-Beobachter an
diesem historischen Abend teilnimmt, will offenbar niemand hier ernsthaft
die Wiederbelebung der in den neunziger Jahren berühmt geworden Troika aus
Schröder, Lafontaine und Scharping, die mit ihren persönlichen Rivalitäten
die SPD viel Energie kostete. In der Energiepolitik setze man, lenkt
Lafontaine schnell ab, auf „Braunkohle statt Grünkohl“. Und auf eine
brandneue Idee: Alle Haushaltsgeräte erhalten einen Reverse-Schalter und
speisen dann Strom ins Netz ein, statt ihn zu verbrauchen.
Heiterkeit kommt auf, als der Saarländer fragt: „Brauchen wir nicht auch
eine Jugendorganisation?“ Antwort Schröder nach einem Blick in den Saal:
„Nö.“ Darauf brandet Protest im Plenum auf. „Wir haben uns gerade eben
schon gegründet! Die SPD hat die Falken, wir sind die UHUs. Die unter
Hundertjährigen!“
Und dann, als alles schon in trockenen Tüchern scheint, plötzlich doch das
Scheitern. Gerhard Schröder vergisst, sein Mikrofon auszuschalten, als er
Sahra Wagenknecht zuflüstert: „Muss ich mir wirklich erst den Bart blau
färben, damit du meine sechste Frau wirst?“
Wutschnaubend packt Oskar Lafontaine seine Nochgattin und verlässt mit noch
roterem Kopf als gewöhnlich den Saal. Unterdessen berichtet Gerhard
Schröder mit unergründlichem Grinsen telefonisch nach Moskau. Hat der
Altkanzler mal wieder alles so geplant? Fortsetzung folgt. So schnell gibt
Wladimir Putin nicht auf.
8 Oct 2022
## AUTOREN
Oliver Domzalski
## TAGS
Gerhard Schröder
Oskar Lafontaine
Sahra Wagenknecht
Satire
Klima
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
"Querdenken"-Bewegung
Die Linke
Die Wahrheit
Die Wahrheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
So wird 2024 gewesen sein: Das beste Jahr der Weltgeschichte
Haben Sie Angst vor 2024? Unnötig! Das neue Jahr wird die AfD, die
Klimakrise und fast alle Kriege beendet haben. Dank Norddeutschlands
Engagement.
Die Wahrheit: Heizen mit Plastikmüll
Der deutschlandweit erste „Kongress für Technologieoffenheit“ im
niederrheinischen Kalkar. Ein Besuch bei der Zukunft aller Dinge.
Die Wahrheit: Es werde schlicht
Von der Erschaffung der künstlichen Dummheit. Ein faszinierender Ausblick
auf eine gar nicht so ferne Zukunft.
Die Wahrheit: Lug und Trug, Schnee und Fee
Mit Skeptikern unterwegs auf der „Leugna 24“ in Leuna, der Messe für alle
Arten von Leugnern. Ein konspirativer Report.
Die Wahrheit: Der Gerd macht’s
Politbeben unter Putin-Freunden: Altkanzler Schröder übernimmt auf dem
nächsten Parteitag im Juni Vorsitz der Linken!
Die Wahrheit: Wladi und die Pitbulls
Ein Spielplatz im Osten, live. Zwischen den Sandkästen läuft ein
durchgedrehter Hänfling brutal Amok.
Die Wahrheit: Logik-Lücke jetzt dicht
„Retroaktive Impfschäden“: Ein thüringischer Hinterwäldler hat ihn endli…
den neuen, ganz heißen Winterscheiß.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.