# taz.de -- Angebliche Atomwaffen in Nordkorea: Sprengkopf-Attrappen gegen Süd… | |
> Die Raketentests von Nordkorea sind in erster Linie Kalkül. Das ist | |
> unverantwortlich – und die Diktatur hat sich in eine Endlosschleife | |
> manövriert. | |
Bild: Am Hauptbahnhof von Seoul zeigt ein Bildschirm einen nordkoreanischen Rak… | |
PEKING taz | Seit Ende September feuert Nordkorea in Rekordfrequenz | |
ballistische Raketen ab. Am Montag schickte das Regime über seine | |
Nachrichtenagentur KCNA eine Erklärung hinterher, die es durchaus in sich | |
hat: Bei den Raketentests habe man den taktischen Nuklearbeschuss | |
südkoreanischer Flugplätze und Häfen simuliert, hieß es. Bei den | |
Abschüssen, die Kim Jong Un höchstpersönlich beaufsichtigte, seien atomare | |
Sprengkopf-Attrappen eingesetzt worden. | |
Auf den ersten Blick ist dies nicht neu: Pjöngjang versucht seit | |
Jahrzehnten seine militärische Gefährlichkeit aufzubauschen, um diese dann | |
bei Verhandlungen als Faustpfand für mögliche Konzessionen zu nutzen. Doch | |
wie viel taktisches Kalkül auch hinter solchen Ankündigungen steckt: | |
Nordkoreas Handeln ist brandgefährlich und die Nukleardrohungen gegen den | |
südlichen Nachbarn sind unverantwortlich. | |
Denn nach jedem Raketenstart folgt prompt eine Antwort: Mal wirft Südkoreas | |
Militär Präzisionsbomben ab, mal gibt es neue US-Sanktionen oder werden | |
kurzfristig Militärmanöver einberufen. „Es ist wichtig, die ernste | |
Sicherheitslage auf der koreanischen Halbinsel und in Nordostasien genau zu | |
erkennen und sich angemessen darauf vorzubereiten“, ließ Südkoreas | |
Präsident Yoon Suk Yeol ausrichten. Denn es ginge nicht nur um Worte, | |
sondern um ein „reales Problem“. | |
Ganz ähnlich argumentiert die nordkoreanische Seite: Wie zuletzt am Montag | |
in der KCNA-Stellungnahme behauptet man ebenfalls, es ginge bei den eigenen | |
Maßnahmen vor allem um eine Abschreckung gegenüber der Bedrohung seitens | |
der USA. Die nationale Luftfahrtgesellschaft hatte zudem nach dem Abschuss | |
einer Mittelstreckenrakete über Japan beschwichtigt, man würde keine | |
direkten Nachbarländer bedrohen. | |
## Raketen und Sanktionen | |
Überzeugend klingt das nicht. Doch fehlt bisweilen die Empathie dafür, dass | |
die regelmäßigen Seemanöver der USA und Südkoreas aus Sicht des | |
international isolierten Nordkoreas eine Bedrohung darstellen, zumal, wenn | |
wie derzeit erstmals seit vier Jahren wieder ein US-Flugzeugträger | |
mitmache. | |
Welche Seite in diesem Konflikt agiert oder reagiert, ist weniger eindeutig | |
zu beurteilen als gemeinhin angenommen. Doch trotz aller berechtigten | |
Sicherheitsinteressen des nordkoreanischen Regimes sollte mittlerweile | |
wenig Zweifel daran bestehen, dass Diktator Kim Jong Un die ständige | |
Krisensituation für seine Machtlegitimation benötigt. | |
Nur so kann er nämlich seiner abgeschirmten Bevölkerung vorgaukeln, dass | |
das „reine koreanische Volk“ die Obhut der Kim-Familie benötigt, um sie vor | |
einer feindlichen Außenwelt zu schützen. Dabei hat sich das Regime tiefer | |
denn je in eine Sackgasse manövriert, aus der selbst die optimistischsten | |
Experten keinen Ausweg sehen. | |
Nordkorea ist gefangen in einer gefährlichen Endlosschleife aus | |
Raketentests und Sanktionen. Das eigene Atomprogramm ist zwar die | |
Überlebensversicherung des Regimes, doch hält es auch die Bevölkerung in | |
bitterer Armut gefangen. | |
Dabei mehren sich die Zeichen, dass Nordkorea mit seiner Taktik einen | |
wichtigen Sieg errungen hat: Die USA scheinen allmählich die deprimierende | |
wie alternativlose Realität anzuerkennen, dass sie das hermetisch | |
abgeriegelte Land auf absehbare Zeit nicht zu nuklearer Abrüstung werden | |
drängen können. | |
Jetzt sollte es nur mehr um Schadensbegrenzung gehen, argumentierte | |
kürzlich der US-Sicherheitsexperte Ankit Panda in der Financial Times. Das | |
Beharren auf Denuklearisierung habe sich „zu einer Farce entwickelt“. | |
„Nordkorea hat bereits gewonnen. Das ist eine bittere Pille, aber | |
irgendwann müssen wir sie schlucken“, so Panda. | |
10 Oct 2022 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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