# taz.de -- Pläne für die Architektur-Ikone ICC: Eine Frage der Kultur | |
> Künstler und Architekten befassen sich mit einer Wiederbelebung des ICC. | |
> Inzwischen will auch die Politik das Kongresszentrum nicht mehr abreißen. | |
Bild: Geschlossen ist nicht nur die Kasse, sondern das gesamte ICC | |
Berlin taz | Ideen für das seit 2014 geschlossene Internationale Congress | |
Centrum ICC vis à vis dem Funkturm am Messedamm gibt es genug: Von einem | |
Mobilitäts-Hub mit Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach bis zu einem | |
Eventcenter mit Kulturbespielung, am besten rund um die Uhr, war zum | |
Beispiel unlängst auf der Metropolenkonferenz „Q Berlin“ die Rede. Das Bü… | |
Graft Architekten aus Berlin oder die Initiative für ein ICCC | |
(International Center for Contemporary Culture) lieferten auf der Tagung | |
mit ihren Power-Point-Präsentationen bereits ziemlich konkrete | |
Vorstellungen davon ab, was mit dem ICC in Zukunft passieren könnte. | |
Der Clou der von der landeseigenen Tourismus-Marketinggesellschaft Visit | |
Berlin organisierten Konferenz allerdings war, dass mit „Q Berlin“ für zwei | |
Tage das ICC selbst aus seinem Dornröschenschaf wiedererweckt wurde. | |
Erstmals seit vielen Jahren fand Mitte September in dem sonst bestenfalls | |
mal kurzfristig als [1][Notunterkunft für Geflüchtete] oder als | |
Impfzentrum genutzten Bau ein Kongress statt – wenn auch eher improvisiert | |
und auf begrenztem Raum. | |
Bis das ICC regulär wieder in Betrieb gehen könnte, dürften allerdings noch | |
Jahre vergehen. Derzeit sehen die politisch Verantwortlichen in Berlin die | |
Zukunft des ICC als Kulturstandort. Immerhin: Die Zeiten, da das | |
[2][Kongress-Raumschiff] schon dem Abriss geweiht war, scheinen inzwischen | |
passé. | |
Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für die SPD), der sich kurz | |
vor der „Q Berlin“-Konferenz in Paris das Centre Pompidou angesehen hatte, | |
erklärte auf der Metropolentagung, er stehe zum ICC. Schwarz sieht es als | |
Kulturstandort, ähnlich dem Pariser Vorbild, und wünscht sich das Gebäude | |
als öffentlichen Ort. Die derzeitige Außerbetriebsetzung sei nicht | |
akzeptabel. Die Schließung sei vielleicht auch auf einen Mangel an Fantasie | |
zurückzuführen. | |
Die Messe Berlin GmbH als Betreiberin hatte seinerzeit beim ICC nur ihr | |
Kerngeschäft im Blick. Aber mit Kongressen, mit denen das ICC immer gut | |
gebucht war, konnte man das Riesengebäude nicht wirtschaftlich betreiben. | |
Und eigentlich war das in den 60er Jahren geplante und schließlich erst | |
1979 eröffnete Gebäude auch nicht dafür ausgelegt. Vielmehr sollte es | |
Menschen in die Mauerstadt Westberlin locken, sollte Strahlkraft in der | |
Frontstadt entwickeln. Rund eine Milliarde D-Mark ließ man damals dafür | |
springen. Das ICC war bei Fertigstellung das teuerste Gebäude Deutschlands. | |
## Preisverdächtige Marke | |
Dafür bekam man maßgeschneidert alles, was beim Kongress‑ und | |
Kulturgeschäft gebraucht wurde, und noch mehr: Man bekam mit dem an das | |
Raumschiff Enterprise erinnernden ICC eine Marke, die noch bis zur | |
Schließung durch die Messe immer wieder mit Preisen als beste | |
Kongress-Location weltweit ausgezeichnet wurde. | |
Wegen der enormen Betriebskosten konnte sich das Haus für die Messe nicht | |
rechnen. Sie zog 2014 mit dem Kongressgeschäft in den eigens errichteten | |
City Cube: eine Gebäudeschachtel, aber mit innerer Flexibilität, wie sie | |
das aktuelle Kongressgeschäft angeblich erfordere. Bedeutung und Potenzial | |
für die Stadt hat das ICC dennoch – und inzwischen hat deshalb auch ein | |
Umdenken stattgefunden. | |
In einem Konzeptverfahren sollen nach Vorstellungen des Berliner Senats in | |
den nächsten ein bis zwei Jahren – ein Zeitplan existiert nicht – die | |
Rahmenbedingungen festgelegt werden, wie das ICC wieder öffentlich | |
zugänglich werden könnte, was darin passieren soll und wer als Investor | |
mithelfen könnte, den anvisierten (Kultur‑)Betrieb zu bewerkstelligen. Denn | |
Senator Schwarz machte auf der Tagung auch deutlich, dass das Land Berlin | |
die Kosten für den zukünftigen, finanziell wahrscheinlich wieder wenig | |
lukrativen Betrieb nicht alleine tragen will. | |
Schon die Sanierung des lange vernachlässigten Gebäudes und die | |
Ertüchtigung für zukünftig kulturelle Zwecke könnte nach vorsichtigen | |
Schätzungen 1 Milliarde Euro kosten. Vielleicht geht es aber auch anders. | |
Dafür war nicht nur der improvisierte „Q Berlin“-Kongress ein Beispiel. | |
Schon im vergangenen Herbst hatten die Berliner Festspiele die | |
„High-Tech-Architekturikone“ auf die Schnelle als Ort für das Kunstevent | |
[3][„The Sun Machine Is Coming Down“] reaktiviert. Gerade Künstler und | |
Kulturschaffende entwickeln meist mehr Fantasie, wenn es um die Nutzung | |
leerstehender Immobilien geht. Das kann man an vielen Orten in Berlin | |
beobachten. | |
Und Künstler sind es auch, die den „künstlerischen Wert“ des Gebäudes | |
offenbar am besten wahrnehmen können. Christoph Rauhut, Berliner | |
Landeskonservator, berichtete auf „Q Berlin“ von Anfragen aus aller Welt, | |
die sich für das ICC einsetzten. Die Rentabilität mag das eine sein, die | |
Attraktivität und Wertschätzung des ICC als Stilikone steige derweil | |
kontinuierlich, lautet Rauhuts Einschätzung. | |
Seit 2019 steht das ICC unter Denkmalschutz. Erst nachdem die | |
Landesdenkmalbehörde ins Kulturessort des Senats umzog, war der Weg frei, | |
dass die bloße Kosten-Nutzen-Rechnung beim Betrieb nun von einem | |
Denkmalwert flankiert wird. Das ICC hat inzwischen das Zeug, zu einem | |
Berliner Wahrzeichen zu werden. Das Interesse und die vielen Vorschläge aus | |
der Kulturszene für das ICC sprechen genauso dafür wie die | |
Unterschutzstellung durch Rauhuts Behörde. Der Denkmalschutz liefere | |
wiederum „objektivierbare“ Kriterien für den monetären Wert des ICC, weil… | |
so betonte es Rauhut wieder – dessen kultureller Wert damit | |
wissenschaftlich festgestellt sei. | |
## Futuristischer Machbarkeitsoptimismus | |
Es wird also schon beim Konzeptverfahren (bei dem Rauhuts Behörde beteiligt | |
ist) darauf ankommen, ob der Wert des ICC mit seiner bis in die letzten | |
Schraube durchgestylten Gestalt als Ausdruck des futuristischen | |
Machbarkeitsoptimismus der Nachkriegsmoderne in die Gegenwart gerettet | |
werden kann. Kompromisse wird es wohl geben müssen. Aber das ICC hat | |
räumlich noch einige Potenziale, die im Verborgenen liegen – etwa in den | |
Untergeschossen mit Autobahnanschluss und bei den für die heutigen Zwecke | |
überdimensionierten Technikräumen. | |
Selbst die im Mai verstorbene [4][Ursulina Schüler-Witte], die mit ihrem | |
2011 gestorbenen Mann Ralf Schüler das ICC entworfen hat, konnte sich zu | |
Lebzeiten noch vorstellen, dass das ans ICC angegliederte Parkhaus in ein | |
Hotel umwandelt wird, um mehr Profitabilität für das Gebäude zu | |
ermöglichen. | |
Aber eins steht fest, auch wenn das ICC energetisch modernisiert werden | |
muss: Ein vergleichbar wertvolles Gebäude – ästhetisch, historisch, | |
städtebaulich und funktionell – hat Berlin seit 1979 wohl nicht mehr | |
hervorgebracht. Auch das Humboldt Forum ist da keine Konkurrenz. | |
5 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Ronald Berg | |
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