Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Spanischer Schinken: Der Schinkenschnüffler
> Im spanischen Andalusien ist der Schinken eine beliebte Tapa. Auf seine
> Qualität wird großen Wert gelegt – unter anderem durch Geruchstests.
Bild: Iberische Schweine zwischen Eichen
Jabugo, ein kleines Dorf in der andalusischen Provinz Huelva, hat einem der
wohl berühmtesten Produkte Spaniens seinen Namen gegeben, dem Edelschinken
„Jamón de Jabugo“. Mehr als ein Dutzend Hersteller gibt es in dem kleinen
Ort, der von Weideland umrahmt ist. Dort grasen die iberischen Schweine.
Jedes Tier hat Auslauf: im Schnitt stehen ihm drei Hektar zur Verfügung,
Nachhaltigkeit wird hier großgeschrieben. Seit Jahrhunderten tragen die
Tiere zum Erhalt des Ökosystems bei und spielen eine wichtige Rolle beim
Landschaftsschutz. Auch die Menschen hier müssen nicht abwandern. Sie
finden Arbeit in den Betrieben vor Ort.
Weil sich [1][die Schweine] nur von Eicheln ernähren, hat ihr Schinken ein
ganz besonderes Aroma. Doch Vorsicht: Nicht alle schmecken gleich. Um
sicherzustellen, dass nur der beste Schinken an den Verbraucher gerät,
wurde hier ein neuer Beruf erfunden: der des Schinkenschnüfflers. Einer
davon ist der Andalusier Manuel Vega Domíngez, der für die vor 150 Jahren
gegründete Nobelmarke „Cinco Jotas“ arbeitet.
Kein Schinken darf an deren Kunden, zumeist Luxusrestaurants und
Gourmettempel, gehen, bevor Vega nicht höchstpersönlich ihre Qualität
zertifiziert hat. Sein wichtigstes Arbeitsgerät ist seine Nase. Damit sein
Geruchssinn nie getrübt wird, trinkt er jeden Morgen den Saft von sechs
frisch gepressten Orangen. Er ist überzeugt, dass er sich deshalb in den
letzten Jahren keine einzige Erkältung zugezogen hat.
„Ich habe den Geruch von Cinco Jota-Schinken verinnerlicht“, sagt der
53-Jährige und lacht zufrieden. Binnen zweier Sekunden merkt er, ob ein
Schinken den Qualitätsstandards entspricht oder nicht. Sein Geruchsorgan
schlägt dann Alarm, wenn der Schinken minimal anders riecht. „Das iberische
Schwein darf nur Eicheln fressen. Wenn es etwa Oliven frisst, riecht es
nicht mehr so gut, weil sein Fleisch dann ölhaltig ist und länger zum
Reifen braucht“. Der Schinken schmecke dann auch bitterer und werde
ausgesondert.
Auch Erdbeeren sind tabu. Sollte ein Tier in einen Obstgarten gelangen,
kann Vegas feines Näschen sogar dies erschnüffeln. An vier Stellen, wie
etwa dem Kniegelenk, prüft Vega tagtäglich die Qualität des Produkts
mithilfe der sogenannten „Cala“, einem zugespitzten Rinderknochen mit einem
runden Griff. „Früher benutzten wir einen Holzstab, doch mit diesem Gerät
arbeite ich besser“, so Vega.
## Pfefferminze für den scharfen Geruchssinn
Dass er eines Tages mit seiner Nase Geld verdienen könnte, ist dem
gebürtigen Andalusier nie in den Sinn gekommen, obwohl er schon immer einen
ausgeprägten Geruchssinn hatte. Das geht sogar so weit, dass er merkt, wenn
einer der Äpfel im Kühlschrank eine faulige Stelle hat. Um sich bei der
Arbeit, bei der ihm in Peak-Zeiten mittlerweile fünf weitere
Schinkenschnüffler zur Seite stehen, nicht abzulenken, nimmt er auch kein
Rasierwasser. Seine Frau hält er an, stets das gleiche Parfum zu benutzen.
Um die olfaktorischen Fähigkeiten immer wieder zu schärfen, trinkt Vega
Pfefferminztee, die Minze pflückt er selber.
Schon seit 1989 arbeitete Vega bei Cinco Jotas, erst als Schinkenschneider,
was ebenfalls eine anspruchsvolle und anerkannte Tätigkeit ist, denn der
Geschmack des Schinkens hängt auch davon ab, wie fein jede einzelne Scheibe
geschnitten ist. Doch Vega wollte aufsteigen und bewarb sich bei einer
innerbetrieblichen Stellenausschreibung um den Riech-Job. „Ich hatte
natürlich Glück, dass in der Schinkenwelt mit dem Hype um den
Bellota-Schinken neue Berufe entstanden sind“, lacht Vega. Die Prüfung war
hart. Er musste kleinste Quantitäten – man hatte einen Tropfen auf einen
Liter gegeben – von Weißwein, Gin, Ammoniak, Essig und Alkohol erriechen,
um sich zu qualifizieren. Vega, Vater zweier erwachsener Töchter, schaffte
es auf Anhieb.
Sein Vorbild ist seine Vorgesetzte Cristina Sánchez Blanco, die ebenfalls
mit einem feinen Näschen ausgestattet ist. Als Studentin roch sie Feuer
beim Nachbarn in der Küche und konnte die Hausbesitzer warnen, die noch
ahnungslos im Wohnzimmer saßen. Inspiriert fühlt sich Vega auch von der
Krimiserie „The Sniffer – Immer der Nase nach“, die von einem ukrainischen
Detektiv handelt, der der Polizei dank seiner olfaktorischen Fähigkeiten
bei der Lösung schwieriger Fälle hilft.
Auf die Frage, ob Vega nicht viel lieber für die Parfum-Industrie arbeiten
will, wo immer Menschen mit seinen Fähigkeiten gesucht sind, lacht Vega:
„Ich bin hier geboren und in diesem andalusischen Dorf will ich leben,
unbelästigt von den Gerüchen der Großstadt und ihren [2][Abgasen]“.
20 Sep 2022
## LINKS
[1] /Im-Angesicht-des-Gottes-namens-Geld/!5110651
[2] /Optimierung-von-Schiffsantrieben/!5876593
## AUTOREN
Ute Müller
## TAGS
Reisen in Europa
Andalusien
Gourmetküche
Fleischproduktion
Fleischkonsum
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.