# taz.de -- Erste Roundnet-WM in Belgien: Vom Park in die Weltspitze | |
> Roundnet professionalisiert sich rasant. Am Donnerstag beginnt die erste | |
> Weltmeisterschaft. Die deutschen Frauen rechnen sich Titelchancen aus. | |
Bild: Julia Stadler mit einem Abschluss, dem sogenannten Kill, auf Peer Kanis u… | |
Peer Kanis ist Nationalspieler. In einer Sportart, mit welcher er erst vor | |
gut zwei Jahren begonnen hat: Roundnet, vielen auch unter dem Namen des | |
Set-Herstellers Spikeball bekannt. Im ersten Corona-Lockdown habe er | |
Freunde verpflichtet, mit ihm regelmäßig im Park zu zocken. „Es hat mich | |
schnell gecatcht.“ Ab Donnerstag wird Kanis Deutschland [1][mit 17 weiteren | |
Spieler*innen] bei der ersten Roundnet-Weltmeisterschaft vertreten. Bis | |
Sonntag spielen 33 Nationen in der belgischen Kleinstadt | |
Houthalen-Helchteren um die Titel im Mixed-, Frauen- und Männerwettbewerb. | |
Warum der 21-jährige Berliner in so kurzer Zeit so gut geworden ist? Er | |
habe vorher viele Sportarten querbeet gemacht, sagt Kanis. „Und ich bin | |
immer dran geblieben, hatte ultra viel Spaß und bin jetzt irgendwie hier | |
reingerutscht.“ Im Park wurde er von Vereinsmitgliedern der Red Eagles | |
Berlin angequatscht, fuhr bald darauf mit seinem Spielpartner auf die | |
ersten Turniere. | |
Er ist „reingerutscht“ in eine Community, die in den vergangenen Jahren | |
Unglaubliches geschafft hat. Der Sport wurde schon in den 80ern das erste | |
Mal in den USA gespielt, vor gut zehn Jahren nahm er dort dann richtig | |
Fahrt auf. In Europa kam der Hype erst später an. 2016 wurden in | |
Deutschland die ersten Vereine gegründet, 2019 folgte der deutsche Verband | |
Roundnet Germany, die erste Deutsche Meisterschaft und die erste Saison | |
Ligabetrieb. | |
Die Netze sind aus den Parks und Sporthallen der inzwischen [2][rund 100 | |
Communities] nicht mehr wegzudenken; das Hauptgeschehen findet aber bei den | |
Turnieren statt, die an vielen Wochenenden im Jahr von den Vereinen vor Ort | |
organisiert werden. Anmelden kann sich jede*r, unabhängig von einer | |
Vereinszugehörigkeit. Ein wichtiger Schauplatz für die | |
Nationalspieler*innen: Ihre Spielpartner*innen kommen meist nicht | |
aus der eigenen Stadt, richtig trainiert wird also nur beim Turnier. | |
## Hoffnung auf große Überraschung | |
Kanis stellt mit Nora Haas aus Kassel das Mixed-Team für die WM. Mit ihr | |
hat er schon viele Turniere gespielt. Ein Treffen soll es vor dem WM noch | |
geben, um das Stellungsspiel in der Abwehr zu optimieren und schon einmal | |
ein paar Gegner anzuschauen. Favoriten sind die USA und Kanada, gerade bei | |
den Männern dürften die ersten beiden Plätze für sie sicher sein. | |
Die Ambitionen der deutschen Frauen sind höher; auch weil zwei der besten | |
Amerikanerinnen nicht dabei sein werden. Julia Stadler aus Heidelberg | |
glaubt, man könne für eine „große Überraschung“ sorgen. Sie spielt in e… | |
der drei deutschen Frauenteams. „Es ist sehr verrückt, wie sich das | |
entwickelt hat.“ 2019 spielte sie ihre ersten Turniere, gewann die EM in | |
dem Jahr sehr unerwartet. | |
Alexa Peusch aus Gießen hat mit Paul Siemer vor wenigen Wochen erst den | |
Europameister- und dann den Deutschen Meistertitel geholt. Mit ihrer | |
Partnerin für die WM, Saskia Benter, wurde sie ebenfalls Deutsche Meisterin | |
und EM-Zweite. Peusch hat 2019 mit dem Sport begonnen. In diesem Sommer war | |
sie fast jedes Wochenende auf einem Turnier. „Als ich mir damals das Set | |
gekauft habe, hätte ich niemals gedacht, dass sich mein Leben so verändern | |
wird.“ Sie trainiert vor der WM vor allem allein; Angaben und Abschlüsse. | |
Kritik an der zunehmenden Professionalisierung des Sports aus der eigenen | |
Community, das haben die drei noch nicht erlebt. „Manche spielen lieber im | |
Park und nicht auf Turnieren“, sagt Peusch. Hinfahren muss ja aber auch | |
niemand: In vielen Städten gibt es Chatgruppen mit mehreren Hundert | |
Menschen, die dem Sport verfallen sind. Und bei den Turnieren werden meist | |
verschiedene Leistungsklassen angeboten. So ist auch für mittelgute | |
Spieler*innen ein Turniersieg möglich. | |
Im Verband sind rund ein Drittel der Mitglieder Frauen. Peusch versucht | |
sich an einer Erklärung: „Ich glaube, die müssen sich einfach nicht so oft | |
messen wie Männer.“ Aber die Situation bessere sich: In diesem Sommer seien | |
bei fast allen Turnieren gleichermaßen Frauen- und Männer-Divisionen in | |
verschiedenen Leistungsklassen angeboten worden. | |
Jan Petersen ist einer von fünf deutschen Teammanager*innen. Nach zwei | |
Sichtungscamps nominierten sie das Nationalteam. Absagen zu erteilen sei | |
teils hart gewesen, sagt Petersen, „man kennt die Leute, zählt viele zu | |
seinen Freunden“. Neben der Organisation übernehmen die fünf auch die | |
klassische Trainerrolle. | |
Um die 400 Euro Kosten pro Person abzufedern, wurde vom deutschen Verband | |
vorab ein Crowdfunding organisiert. Jetzt müssen alle Spieler*innen nur | |
noch gut 100 Euro zahlen. Das Team wird von einem Arzt und drei | |
Physiotherapeuten begleitet. Das klingt doch immerhin schon richtig | |
professionell. | |
7 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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