# taz.de -- Grüner Wasserstoff aus Kanada: Großes Potenzial, aber viele Fragen | |
> Grüner Wasserstoff ist zentral für die Energiewende. Doch woher er kommen | |
> soll und ob der Transport von weither gestemmt werden kann, ist | |
> umstritten. | |
Bild: Wasserstoff-Tank in Brandenburg: Für die Energiewende wird dieser Stoff … | |
In einem sind sich praktisch alle Energieexpert*innen einig: Um wie | |
geplant [1][bis 2045 klimaneutral zu werden], muss Deutschland in Zukunft | |
große Mengen grünen Wasserstoff importieren. Denn während Heizen und | |
Autofahren künftig vor allem direkt mit Ökostrom geschehen wird, ist eine | |
Elektrifizierung in anderen Bereichen nicht möglich oder sinnvoll. | |
Ob für die chemische Industrie oder die Stahlherstellung, ob im Flug- und | |
Schiffsverkehr oder in Reservekraftwerken für die Zeiten, in denen Wind und | |
Sonne zu wenig Strom liefern: In vielen Sektoren sollen Kohle, Öl und Gas | |
stattdessen durch Wasserstoff oder aus Wasserstoff hergestellten | |
synthetischen Kraftstoffen ersetzt werden. | |
An dieser Stelle endet die Einigkeit aber schon. Bei der Frage, in welchem | |
Ausmaß Wasserstoff benötigt wird und welcher Anteil davon importiert werden | |
soll, gibt es bei den verschiedenen Szenarien schon deutliche Unterschiede. | |
Selbst jene Berechnungen, die von einem starken Ausbau der erneuerbaren | |
Energien in Deutschland und einer hohen Effizienz ausgehen – etwa die | |
Studie „Klimaneutrales Deutschland 2045“ von dem Thinktank Agora | |
Energiewende und Stiftung Klimaneutralität – kommen zu dem Ergebnis, dass | |
langfristig maximal ein Drittel des benötigten Wasserstoffs in Deutschland | |
erzeugt werden kann. Der Rest müsse importiert werden. Diese Studie kommt | |
für 2045 auf einen Importbedarf von 170 Terawattstunden Wasserstoff; andere | |
Szenarien berechnen ein Vielfaches dieses Bedarfs. | |
## Erstmal nur Ammoniak | |
Wie viel davon in Zukunft aus Kanada kommt, ist ebenfalls unklar. [2][Das | |
Abkommen, das am Dienstag unterzeichnet wurde], nennt keinerlei konkrete | |
Zahlen. Vielmehr kündigen Deutschland und Kanada darin zunächst nur an zu | |
ermitteln, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um mit dem Export ab | |
2025 zu beginnen. | |
Grundsätzlich steht aber fest, dass [3][Kanada gute Voraussetzungen für die | |
Erzeugung von Wasserstoff] bietet. Schon in der Vergangenheit war das Land | |
dabei ein wichtiger Akteur. Bisher wurde Wasserstoff aber vor allem aus | |
Erdgas erzeugt, was für den Klimaschutz keinen Vorteil bietet. An dieser | |
Technik will das Land auch zunächst noch festhalten, doch zusätzlich soll | |
künftig sogenannter grüner Wasserstoff dazukommen, der komplett mittels | |
Windstrom erzeugt wird. Und nur an diesem Wasserstoff – das stellt das | |
Abkommen klar – ist Deutschland interessiert. | |
Was tatsächlich aus Kanada herübertransportiert wird, ist zumindest am | |
Anfang kein molekularer Wasserstoff (H2). Dieser muss nämlich für den | |
Transport per Schiff auf die extreme Temperatur von minus 253 Grad | |
heruntergekühlt werden – was technisch so aufwendig und zudem so teuer ist, | |
dass es bisher große Zweifel gab, ob solche Transporte jemals | |
wirtschaftlich werden. Bei den Exporten aus Kanada wird es darum zumindest | |
zunächst um Ammoniak gehen – eine Verbindung von Wasserstoff und | |
Stickstoff, die sehr viel leichter transportiert werden kann. | |
In dieser Form sollen auch die ersten Exporte stattfinden, die bisher | |
geplant sind: Ebenfalls am Dienstag unterzeichneten die deutschen | |
Energiekonzerne Eon und RWE eine Absichtserklärung zum Import von insgesamt | |
1 Million Tonnen Ammoniak pro Jahr ab 2025 – was vom Energiegehalt etwa 5 | |
Prozent der Menge entspricht, die laut der deutschen Wasserstoffstrategie | |
ab 2030 jährlich in Form von Wasserstoff eingeführt werden soll. | |
## Alternativen könnten rentabel werden | |
Der Import von Wasserstoff in Form von Ammoniak ist in gewissen Mengen | |
sinnvoll, denn für diesem Stoff gibt es in der chemischen Industrie großen | |
Bedarf, etwa zur Herstellung von Dünger. Bisher wird Ammoniak meist aus | |
Erdgas erzeugt. Inwieweit über Ammoniakimporte auch der sonstige | |
Wasserstoffbedarf gedeckt werden kann, ist dagegen offen. Denn die | |
Rückverwandlung des Ammoniaks in Wasserstoff ist mit größeren | |
Energieverlusten verbunden und großtechnisch bisher kaum erprobt. | |
Studien sind bisher davon ausgegangen, dass der Bedarf an molekularem | |
Wasserstoff eher durch Pipelines aus Europa und Nordafrika gedeckt wird, | |
weil die Kosten dabei deutlich geringer sind als beim Schiffstransport. | |
Allerdings dürften die dramatisch gestiegenen Erdgaspreise viele | |
Kalkulationen verändern: Viele Alternativen könnten wirtschaftlich werden, | |
die bisher als nicht rentabel galten. | |
24 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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