Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Petition der Woche: Hessen braucht den Äppelwoi-Tag!
> Die Bewohner des zentralsten Bundeslandes wissen es: Apfelwein ist ein
> verdammt edles Gesöff. Deshalb muss der Äppelwoi-Feiertag für Hessen her.
Bild: Hoch de Bembel! Auf die Schoppepetzer! Hessen braucht den Apfelweintag!
Aus der kleinen ehemaligen Residenzstadt Büdingen schallt ein Ruf wie
Donnerhall. Ein Zauber wohnt diesem Gründungsmythos eines neuen geeinten
Hessen inne. Worum es geht? Der 35-jährige Christoph Walther, engagiert in
der Kommunalpolitik und der Feuerwehr seines Heimatdorfs Vonhausen, will,
dass es einen offiziellen Äppelwoi-Feiertag gibt.
In einer Petition fordert er, [1][den Apfelweintag, der sich am 3. Juni
2023 zum zehnten Mal jährt, zum hessischen Feiertag zu erheben].
Schließlich habe Hessen deutlich weniger gesetzliche Feiertage als etwa
Bayern oder Berlin, argumentiert der junge Mann aus dem geografischen
Mittelpunkt Deutschlands. Er fordert: Apfelweinfrei am 3. Juni für alle!
Also, fast alle. Die Apfelweinwirte, die „Bretzelbube“ und
„Hartkucheverkäufer“ natürlich ausgenommen.
Oigeplackte, Zugereiste und Nichthessen mögen gegen diese prickelnde Idee
einwenden, Apfelwein sei ein saures Gesöff, nahezu untrinkbar. Doch das
muss an dieser Stelle als schlimmes Vorurteil zurückgewiesen werden. Der
Autor dieser Zeilen kam in den 1970ern aus einer gepflegten Weingegend in
die Äpplerhauptstadt. Auch er schüttelte sich nach dem ersten „Schoppen“.
Doch schließlich bestätigte sich die alte Volksweisheit: „De Äppler“, das
„Stöffche“, wird erst nach dem dritten Glas genießbar. Dann nämlich hat …
Alkohol das Säureempfinden betäubt. Wer auch nur einmal die alten Herrn
unter den Kastanien im Garten einer traditionellen Apfelweinschänke hat
sitzen und „babbeln“ sehen, jeder sein individuell aus Holz gedrechseltes
„Deckelche“ auf dem „Gerippte“, damit nichts reinfällt ins edle Stöff…
der kann sich der Erkenntnis nicht mehr verschließen: Der Apfelwein ist in
Hessen und weltweit dafür berühmt, Kulturgut zu sein.
Eine Hymne für die neue hessische Nation gibt es ohnehin bereits. Die
[2][Rodgau Monotones liefern sie auf dem Album „Volle Lotte“]. Im Leadsatz
[3][„Erbarme, zu spät, die Hesse komme“] klingt bereits der versöhnliche
Grundton der aktuellen Apfelweinbewegung an. Schließlich trinken auch die
Mainfranken oder Württemberger Apfelwein.
Mögliche Irritationen befreundeter Nachbarvölker werden kunstvoll
integriert. „München stöhnt entsetzt, Oh Mei – Oktoberfest mit Äppelwoi!…
und weiter „Hamburgs heller Stern versinkt, wenn der Fischmarkt erst nach
Handkäs stinkt“. Wie gut ist das denn? Sogar alkoholische Getränke mit
Migrationshintergrund finden ihren Reim: „Was hat denn da de Pappa in de
Flasch – De Pappa hat de Grappa in de Tasch!“. Der Song atmet die feine
Selbstironie, derer der Hesse oder die Hessin an sich gemeinhin fähig ist.
Das Stöffche könnte deshalb die nötige Bindekraft für eine Art hessische
Wiedervereinigung liefern. Hessen war jahrhundertelang geteilt. Auch
Büdingen, die kleine Stadt mit den mittelalterlichen Stadtmauern, wurde vom
hessischen Schisma hin- und hergerissen, von der Teilung der einst geeinten
Landgrafschaft in Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt.
Erst die Alliierten schufen nach dem Zweiten Weltkrieg das Bundesland. Es
fehlt bis heute das Narrativ der Einheit. Der Hessentag war ein Anfang. Der
längst fällige Apfelweintag wäre die Vollendung.
Hoch das Gerippte! Hoch de Bembel! Auf die Schoppepetzer!
20 Aug 2022
## LINKS
[1] https://www.change.org/p/welt-apfelwein-tag-zum-hessischen-feiertag-machen?…
[2] https://www.youtube.com/watch?v=f7zJGQb7Dwk
[3] https://www.youtube.com/watch?v=F3uAGhWdrxo
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
## TAGS
Hessen
Wein
Getränkekultur
Getränke
Frankfurt am Main
Unbekanntes Hessen
Hessen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Der Frankfurter „Bahnbabo“: Hessen wissen, wer der Typ hier ist
Mit Jugendsprache und Spagat hat es der Tramfahrer Peter Wirth zu
Lokalprominenz gebracht. Nun will der „Bahnbabo“ Oberbürgermeister werden.
Serie Unbekanntes Hessen: Weltgeist südlich, Schönheit nördlich
Hessen ist, wie Bayern auch, geteilt in einen reichen Süden und einen
ärmeren Norden. Zwei Liebhaber über die Unterschiede.
Serie Unbekanntes Hessen: An Hessen führt ein Weg vorbei
„An Hessen führt kein Weg vorbei“, wirbt das babbelnde Bundesland.
Wirklich? Vier Wege, wie man drumherumkommt – mit oder ohne Landtagswahl.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.