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# taz.de -- Bundestrainerin Voss-Tecklenburg: Die Frau an der Seite
> Martina Voss-Tecklenburg ist eine große Kommunikatorin mit Sinn fürs
> Pragmatische. Uneitel hat sie die deutschen Fußballfrauen ins Finale
> geführt.
Bild: Gern spricht sie auch von Energie: Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenbu…
Es gibt eine gern gestellte Frage auf Pressekonferenzen, die wie eine
Vorlage zu betrachten ist. Der Trainer oder die Trainerin steht vor dem
leeren Tor und muss nur noch verwandeln. Als in den Katakomben des Stadions
von Milton Keynes die Journalist:innen auch [1][diesen letzten Schritt
des deutschen Teams] ins ikonische Wembley-Stadion, in das Finale der
Europameisterschaft nachvollziehen wollten, mit dem die wenigsten zuvor
gerechnet hätten, kam dieses Zuspiel. Was war in der Halbzeitpause in der
deutschen Kabine los?
[2][Voss-Tecklenburg] hätte nun erzählen können, wie das Team nach dem
Ausgleich der Französinnen kurz vor dem Halbzeitpfiff mental wieder
aufzurichten war, wie sie ihre Elf strategisch neu justiert hat und welchen
möglicherweise nicht ganz unbedeutenden Tipp sie der einen oder anderen
Spielerin mit auf den Weg gegeben hätte. Aber die Bundestrainerin nutzte
die Gelegenheit nicht und, um im Bild zu bleiben, spielte ab. Sie gab einen
Einblick in die Kabine, wie man ihn vermutlich eher selten erhält.
Es sei ganz ruhig gewesen, erzählte sie. „Ich habe erst gefragt, ob alle
weiterspielen können, dann sagt [3][Britta Carlsson] immer noch ein paar
Sachen.“ Taktisches, was man sich auf einem Tablet noch einmal anschaue.
Und: „Thomas Nörenberg kam noch einmal von oben runter, er macht dann immer
zum Abschluss noch mal die emotionale Ansprache, bevor es wieder rausgeht.“
Auch in der großen Stunde des Erfolgs brezelte sich die
Hauptverantwortliche des DFB-Teams nicht auf, sondern berichtete uneitel
und unverstellt darüber, wie ihre Assistent:innen ihre Verantwortung
wahrnehmen, sorgte für deren Sichtbarkeit. Die 54-Jährige sieht sich selbst
in der Rolle des Supervisors, der alle Fäden zusammenführt. Vor dem Turnier
sagte sie der Süddeutschen Zeitung, sie habe gelernt, die Kompetenzen ihres
Trainerteams stärker zu nutzen. Das gebe ihr die Ruhe und Freiheit, genauer
zu beobachten.
## Das deutsche Team nahm keine Gestalt an
Damals schien es so, als müsste Voss-Tecklenburg einen Kuddelmuddel an
Fäden ordnen. Seit der Weltmeisterschaft 2019 in Frankreich, als sie
erstmals das deutsche Team leitete, das nach eher mittelprächtigen
Auftritten bereits im Viertelfinale gegen Schweden ausgeschieden war, hatte
sich wenig getan. Auch wegen vieler Verletzungsausfälle,
Coronaerkrankungen, kräftezehrender Spielzeiten mit dem neuen
Champions-League-Format, nahm das deutsche Team einfach keine Gestalt an.
Im April blamierten sich die Deutschen noch in der WM-Qualifikation beim
krassen Außenseiter Serbien.
Wenn Voss-Tecklenburg in diesen Tagen von dem großen Potenzial ihrer
Spielerinnen und der großen Zukunft des Teams schwärmt, könnte man meinen,
dass diese dunklen Stunden Jahre zurückliegen müssten. So ist es ja häufig,
wenn Erfolgsgeschichten vom Gipfel aus erzählt werden, dann scheint im
Nachhinein der Weg dahin vorgezeichnet gewesen zu sein.
In Wahrheit jedoch ist Voss-Tecklenburg mit ihrem Team mehrmals um den Berg
gekreist, und hat nach einigen Irrwegen im letzten Moment, als die
Wolkendecke aufriss, den richtigen Abzweig gefunden.
## Sie kann Fehler zugeben
Die unter anderem vom DFB bezahlte [4][ARD-Dokumentation „Born for this“]
über die deutschen Fußballerinnen ist als Marketingprodukt mit Vorsicht zu
genießen. Erhellend ist sie aber in den Passagen, als von einem kleinen
Spielerinnenaufstand berichtet wird, getragen von dem Gefühl, dass es so
nicht weitergehen könne. Zu den Stärken von Voss-Tecklenburg gehört es
nämlich, offen Fehler einzuräumen und umzusteuern, was ihr in diesem Fall
eindrücklich gelang. Sie ist eine große Kommunikatorin mit einem Sinn fürs
Pragmatische.
Als Systemkritikerin ist Voss-Tecklenburg im DFB nie aufgefallen, obwohl
sie in ihrer Karriere als Spielerin und Trainerin immer wieder gegen
Widerstände ankämpfen musste. Sie gehört zum ersten deutschen
EM-Gewinnerteam 1989, das vom Verband mit einem Kaffeeservice
abgespeist wurde, und erfreut sich bis heute daran, wie sie gern erzählt.
Der DFB habe ihnen damals ja keine Prämien zahlen dürfen, weil sie
Amateurinnen gewesen seien. Auf der Trainerbank sitzt sie heute nur, wie
sie einmal bekannte, weil ihr Mann, der Bauunternehmer Hermann Tecklenburg,
ihr erst die dafür nötige finanzielle Unabhängigkeit gewährleistete.
## Bundestrainerin strotzt vor Energie
Sie begann bei weniger gut ausgestatteten Vereinen wie FCR Duisburg und FF
USV Jena. Auch als Nationaltrainerin der Schweiz lernte sie Strategien zu
entwickeln, wie man gegen individuell stärker besetzte Teams bestehen kann.
Es sind Erfahrungen, die ihr nun beim einst im Frauenfußball mächtigen DFB
zugutekommen, weil der einige Entwicklungen verschlief.
Von Defensivlust etwa hat man beim achtmaligen Europameister bislang eher
selten gesprochen. Es ist eines der Lieblingswörter von Martina
Voss-Tecklenburg bei dieser EM. Gern spricht sie auch von Energie. Diese
ist nicht nur bei den Auftritten des deutschen Teams augenfällig. Die
Bundestrainerin selbst strotzt vor Energie. Bereits bei den Aufwärmübungen
vor dem Spiel beklatscht sie dieser Tage gelungene Aktionen mit größter
Leidenschaft. Ein Energieproblem, so viel steht schon fest, wird die
DFB-Elf im Finale gegen England im Wembley-Stadion nicht haben.
29 Jul 2022
## LINKS
[1] /EM-Deutschland-gegen-Frankreich/!5867458
[2] /Bundestrainerin-Martina-Voss-Tecklenburg/!5735729
[3] /Archiv-Suche/!5502650&s/
[4] http://xn--ARD-Dokumentation%20Born%20for%20this-ko5sub
## AUTOREN
Johannes Kopp
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