# taz.de -- Die Wahrheit: Schottische Tropen mit Haggis | |
> Tagebuch einer Wanderin: Unterwegs auf Verkehrsadern der globalen | |
> Wander-Community rund um die Highlands, bleibt so gar kein Fuß trocken. | |
> Slàinte! | |
Zweieinhalb Jahre nach dem Brexit und drei Tage vor dem Schottlandurlaub | |
kommt die Nachricht, dass bestimmte Einreisedokumente erforderlich sind, | |
auch bei Reisegenossin A. an. „Wieso braucht man da jetzt ’nen Pass? Die | |
spinnen, die Schotten!“ Genau genommen spinnen die Engländer, die Schotten | |
wollten den Blödsinn ja nicht mitmachen, aber dem Himmel sei Dank gibt es | |
in Berliner Bürgerämtern Notfallpläne für verpeilte Globetrotter, und A. | |
darf nach Rekordzeit mit taufrischem Pass ins Flugzeug. Zeitgleich | |
beschließt sogar die Scotrail, ihren Streik zu beenden – läuft bei uns! | |
Kundigen Freunden ist es gelungen, mir trotz lebenslangen Schlendrians noch | |
schnell vor der Abreise eine Wander-App aufzuschwatzen – großartige | |
Landschaft! Tolle Aussichten! –, und wie der Zufall es will, hat A. uns | |
gleich in der ersten Nacht direkt am West Highland Way einquartiert, einer | |
beliebten Verkehrsader der internationalen Wander-Community. Bei tropischen | |
Temperaturen setzt uns der Fährmann zum anderen Ufer von Loch Lomond über. | |
„Klimawandel“, interpretiere ich sein wortkarges Gemurmel. | |
Zur Feier des Tages trage ich optimistisch die zwischen Regen-Outfits ins | |
Gepäck gequetschte weiße Sommerhose und versinke nach zwanzig Metern | |
elegant in einem Schlammkrater. A. menetekelt über die Unberechenbarkeit | |
der Natur, in der sich Rinnsale in Sekunden zu reißenden, alles | |
hinwegraffenden Fluten verwandeln, doch wie durch ein Wunder schaffen wir | |
es – verdreckt, aber glücklich – nach fünfzehn Kilometern zurück in die | |
Herberge vor einen Teller Pommes und einen Haufen Panade, die wenig Fisch | |
umhüllt. | |
## Überwucherte Hobbit-Pfade | |
Auf der Isle of Skye sind wir dann voll im Flow. Meine App führt uns | |
zuverlässig auf überwucherte Hobbit-Pfade und geröllintensive Steilhänge. | |
A. jammert, nie mehr werde sie ihr schönes Zuhause wiedersehen – gemeint | |
ist die Schutthalde, auf der sie seit einem Jahr einer sanierungswütigen | |
Immobilienfirma trotzt –, stattdessen müsse sie nun entkräftet im | |
schottischen Heidekraut ihr Leben aushauchen. Vorher stellt sie aber noch | |
wichtige Diagnosen: „Das Ding hat Füße. Wenn es Füße hat, ist es ’ne | |
Zecke!“ | |
Daheim stoßen Fotos von unserem Abenteuer auf Zurückhaltung: „Ziemlich viel | |
Grün. Gibt’s da auch Leute?“ Unser Bed & Breakfast-Gastgeber Ian | |
beantwortet diese Frage mit seiner geplanten Flucht nach Orkney: „The | |
crowds, you know. Terrible!“ | |
Wir sehen zwar keine Crowds, dafür aber gestreifte Kühe, die weiße | |
Bauchbinden tragen und an Zigarren erinnern. A. diagnostiziert | |
Halluzinationen, und gut gelaunt folgen wir der App, unser neustes | |
Wanderlied schmetternd, auf die nächsten Höhen: „Die Schotten sind ein | |
wilder Stamm, / sie essen gerne Haggis; / den stopfen sie mit Rind und Lamm | |
/ und mampfen, bis er weg is // Sie schütten Whiskey drauf und Ale, / sie | |
saufen, bis sie taumeln; / so lassen wir, gut abgefüllt, / die | |
Schottenseele baumeln.“ Slàinte! | |
4 Aug 2022 | |
## AUTOREN | |
Pia Frankenberg | |
## TAGS | |
Schottland | |
Wandern | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
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