# taz.de -- Zum Tod von Bill Russell: Unbeugsamer Riese | |
> Er war der wohl größte Basketballer aller Zeiten und dazu ein | |
> kompromissloser Kämpfer gegen Diskriminierung. Nun ist Bill Russell mit | |
> 88 Jahren gestorben. | |
Bild: Ehrung im Weißen Haus: Bill Russell (r.) und Barack Obama haben im Jahr … | |
Einer der ersten, der seiner Trauer Ausdruck verlieh, [1][war ein gewisser | |
Barack Obama]. „Heute“, twitterte der ehemalige US-Präsident, „haben wir | |
einen Giganten verloren“. Er sollte nicht allein bleiben: | |
Medienpersönlichkeiten, Prominente und Politiker, natürlich unzählige | |
Sportler hatten das dringende Bedürfnis, sich öffentlich von Bill Russell | |
zu verabschieden. | |
Russell, der am Sonntag im Alter von 88 Jahren verstorben ist, war mehr als | |
einer der besten Basketballspieler aller Zeiten. Er war sogar mehr als bloß | |
der „Ultimative Gewinner“ – ein Ehrentitel, den er sich mit zwei | |
College-Meisterschaften, [2][einem Olympiasieg und elf NBA-Titeln] verdient | |
hatte. Russell war ein Aktivist, der während und nach seiner aktiven Zeit | |
seine Berühmtheit nutzte, um gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeiten | |
zu kämpfen – und dafür lange Zeit nicht immer wohlgelitten war bei weißen | |
Basketballfans. | |
Davon war in den vergangenen Tagen nicht mehr die Rede. Überall wurde | |
Russell, der erfolgreichste Basketballer aller Zeiten, gewürdigt. Dabei | |
gewann Russell nicht, weil er besonders viele Punkte erzielte, sondern weil | |
er ein überragender Defensivstratege war. Mit seinen 2,08 Meter verbreitete | |
der Center Furcht und Schrecken unter den Körben, sodass die Boston Celtics | |
in den 13 Jahren, die Russell für sie aktiv war, dominierten. | |
Aber es waren die 50er- und 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Selbst | |
Sporthelden hatten in den USA damals noch mit unverhohlenem Rassismus zu | |
kämpfen, wenn sie schwarz waren. Russell wuchs auf in Louisiana, wo die | |
Rassentrennung noch nicht in Frage gestellt wurde. Zwar zog seine Familie, | |
als Bill 12 Jahre alt war, ins progressivere Kalifornien, aber vor allem | |
wenn Russell mit seinem Collegeteam auswärts spielte, holte ihn der | |
Rassismus wieder ein. Er und seine schwarzen Mitspieler wurden von den | |
Rängen beschimpft, sie bekamen kein Zimmer im Hotel. | |
## Elfmaliger Meister | |
All das wurde kaum besser, als Russell zum Profi wurde und zusammen mit dem | |
legendären Trainer und Manager Red Auerbach die bis dahin mediokren Celtics | |
zu einer Siegesserie führte, wie es sie noch nie gab und niemals wieder | |
geben wird. Die elf Titel von 1956 bis 1969 bleiben eine einmalige | |
Leistung, auch wenn man bedenkt, dass die Liga zu Beginn dieser Zeit nur | |
aus acht Teams bestand und das Niveau niedriger war als heute. Russell, der | |
zudem noch fünf Mal zum besten Spieler der Liga gewählt wurde, und Auerbach | |
machten die Celtics erst zu dem ikonischen Klub. | |
1966 beschloss Auerbach, sich aufs Management der Celtics zu konzentrieren | |
und berief Russell zum ersten schwarzen NBA-Chefcoach. Als Spielertrainer | |
holte Russell seine beiden letzten Titel, aber sein Verhältnis zu den Fans | |
in Boston war nicht ungetrübt. In seiner Autobiografie berichtet er, dass | |
er selbst von den eigenen Anhängern rassistisch angegriffen wurde, mit der | |
Lokalpresse lag er in einem ständigen Kleinkrieg. | |
Als er und weitere schwarze Profis 1961 ein Testspiel in Kentucky | |
boykottierten, weil sie in einem Café nicht bedient worden waren, wurde | |
Russell in Boston nicht mit Jubel begrüßt, sondern kritisiert. Das | |
gespannte Verhältnis zu den Fans kulminierte in einem Einbruch in seinem | |
Haus: Die Eindringlinge hinterließen rassistische Schmierereien an den | |
Wänden und Exkremente. | |
Mit den Jahren wurde Russell immer sensibler, was Rassismus anging und | |
engagierte sich auch politisch, marschierte an der Seite von Martin Luther | |
King, unterstützte die Black-Power-Bewegung sowie Muhammad Ali, als der die | |
Einberufung in die Armee verweigerte. Das FBI beobachte Russell, in seiner | |
Akte stand, er sei „ein arroganter N…, der weißen Kindern keine Autogramme | |
gibt“. | |
Das Verhältnis zwischen Boston und Russell blieb auch Jahrzehnte nach | |
seinem Rücktritt gestört. Offiziellen Terminen blieb er fern, sogar seine | |
Aufnahme in die Hall of Fame boykottierte er. Erst in den letzten Jahren | |
zeigte sich ein ergrauter, milde gewordener Bill Russell wieder öfter in | |
Boston und versöhnte sich mit der Stadt, auch wenn er der Kämpfer mit | |
großem Sinn für Gerechtigkeit blieb. | |
2 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=LGlU0hcNOFE | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=hidc8qac4SE | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
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