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# taz.de -- Klimakrise, Bürgergeld, Vatikanreformen: „Huch! Die Uno!“
> Die FDP wittert beim „Bürgergeld“ spätrömische Dekadenz. Der türkische
> Präsident Erdoğan vermittelt beim Weizendeal zwischen Ukraine und
> Russland und der Vatikan sträubt sich gegen Reformen.
Bild: Wer nicht verhandeln will, wie die Außenministerin, der kann sich anguck…
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Grüne Ministerien stresstesten Atomkraft.
Und was wird besser in dieser?
Atomkraft stresstestet Grüne.
In Europa wurden letzte Woche stellenweise 40 Grad und mehr gemessen.
Sollten wir die letzten Tonnen CO2-Budget besser in die Investition für
extraterrestrisches Leben stecken oder kriegen wir noch die Kurve?
Mars macht debil, bei Arbeit, Sport und Spiel: Ungeschützt der
Weltraumstrahlung ausgesetzt, kommt man da oben, mit Glück noch lebend,
schwer krebskrank an. Und verthermomixt sich dann zwischen plus 20 und
minus 120 Grad – jeden Tag. [1][Elon Musks Pläne, in wenigen Jahren dorthin
zu fliegen], gewännen an Strahlkraft, wenn er selbst mitflöge. Esa und
Roskosmos haben ihre Verlobung auf eine unbemenschte Marsmission aus
aktuellem Anlass gerade gelöst. Wumpe! Die Herausforderung, unter
lebensfeindlichen Bedingungen einen Homo post-weltuntergangis zu züchten,
stellt sich womöglich preiswerter – hier, auf der Erde.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wird einen Gesetzesentwurf zur Anhebung
der Regelsätze von Leistungsbeziehenden vorlegen und der Koalitionspartner
FDP beschwert sich. Zu Recht?
Heil Praktiker! Der Koalitionsvertrag sieht weniger Abzüge für Minijobber
vor und Weiterbildung statt Zwang zum Doofmannjob. So entstünde zweierlei:
Eine „Working Poor“-Klasse, also Leute, die mit Staatsknete und Hungerlohn
gerade so durchkommen. Und eine Fachkräftearmee, die wie gut gelaunte
Zombies aus dem Morast der Chancenlosigkeit zu Codern, Mechatronikerinnen
und Wärmepumpenexperten aufsteigt. So weit, so Ampel, da ist für jeden was
dabei. Heil will die Gelegenheit auch nutzen, seine Partei vom Fluch des
Hartz zu befreien: Sein „Bürgergeld“ soll nicht nur höher ausfallen,
sondern auch komplett anders berechnet werden. Da wittert die FDP
spätrömische Dekadenz und hat sich im Zeitalter von „Sondervermögen“ und
Coronapaketen eine originelle Pointe zurechtgelegt: Heils Plan könnte
Milliarden kosten. Kompromiss: Arbeitslose basteln in ihrer reichlichen
Freizeit Flugabwehrpanzer. Fertig. Fragt mich doch.
Eine beträchtliche Menge ukrainisches Getreide soll freigegeben werden.
Erdoğan schuf den Rahmen für eine Exportvereinbarung zwischen Kiew und
Moskau. Welche eigenen Interessen verwirklicht die türkische Regierung mit
ihrer Vermittlerrolle?
Erdoğan hält den Europäern die Flüchtlinge vom Hals, vermittelt in Syrien,
gestattet huldvoll eine Nato-Erweiterung und onkelt die kriegerischen
Nachbarn zum Getreidedeal.
Ob er beim Rasieren morgens dem Spiegel sagt: „Huch! Die Uno!“, weiß man
nicht, vielleicht sagt sein Barbier das für ihn. So verdient er viel Geld,
gewinnt Einfluss in der Region, drischt mit freier Hand auf die Kurden ein,
rabuliert um Zypern herum und würde vermutlich auch die [2][Fußball-EM]
gewinnen, wenn er dazu Zeit hätte. Kurz: Wer ganz dringend nicht verhandeln
will, wie die deutsche Außenministerin, kann sich hier angucken, wer’s
stattdessen tut. Erdoğan wäre blöd, wenn nicht.
Putin und Erdoğan haben dem iranischen Präsidenten Raisi einen Besuch in
Teheran abgestattet. Den Dreiergipfel nennen sie den
„Astana-Friedensprozess“ für Syrien. Sorgen russische Truppen und
Kampfflugzeuge jetzt für Frieden in Syrien?
Russlands Ziel, Zugang zum Mittelmeer, ist über hundert Jahre alt. Das
Assad-Regime nur ein Weg dorthin. Mag sein, dass der Kreml das nicht
auseinanderhalten kann – „der Westen“ aber auch nicht. Das Gruseligste am
viel beachteten Drei-Schurken-Foto ist die Abwesenheit derer darauf, die
sich drüber aufregen.
Der Vatikan hat keine Lust auf die Reformbewegung deutscher Katholiken.
Wird [3][der Papst] so lange auf seiner alleinigen Entscheidungsmacht
bestehen, bis die letzte Person in Deutschland aus der katholischen Kirche
ausgetreten ist?
Wenn der Vatikan Erdgas hätte, könnte man auf einen „Wandel durch
Annäherung“ hoffen. Da sind Gläubige ja austrainiert. Stattdessen liefert
er Macht, Wort und Machtwort. Das Papsttum setzt auf Sturheit, die einzige
Waffe der synodalen Deutschen ist: Resignation. Aufgeben, austreten. Rom
hat kein Problem damit, sich von diesen vielen Katholiken loszusagen. Und
fragt versehentlich dadurch: Wie steht es umgekehrt?
Und was machen die Borussen?
Die „Damenmannschaften“ des TBV Mengede und VfB Waltrop eröffneten 1974 das
Westfalenstadion. 1 zu 2. Damals hieß so was „Vorspiel“.
Fragen: Sean-Elias Ansa und Clara Engelien
24 Jul 2022
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## AUTOREN
Friedrich Küppersbusch
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