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# taz.de -- Die Wahrheit: Gyros mit dem Oligarchen
> Im Stammlokal kursiert unter den Stammgästen ein merkwürdiges Gerücht:
> Gehört der Laden inzwischen einem von Putins Getreuen?
Bild: Antreten zur Verköstigung: eine Büchse finnischen Nato-Biers vorm Einsa…
Die Spuckis?!“ Rudi, der Blödmann, saß in seiner Ecke an der Theke des Café
Gum und grinste. Er hatte mal wieder als Erster Wind von der Sache bekommen
und genoss es, dass alle an seinen Lippen hingen.
Die Spuckis hießen offiziell „Gegendruck GmbH – Werkstatt für
Öffentlichkeit“ und waren das legendäre Druckkollektiv der Szene. Angeblich
hatte Rudi Dutschke bei ihrer Gründungsparty höchstselbst eine
revolutionäre Rede gehalten. Sie hatten jahrzehntelang die Flugblätter und
Broschüren gedruckt, die die Bewegung brauchte, und später mit kleinen
Aufkleberchen, die man mithilfe von Spucke bombenfest an Laternenmasten,
Schaufensterscheiben und Porsches pappen konnte, einen soliden Wohlstand
erwirtschaftet. Seitdem lebten sie in der hübschen alten Reisermühle und
feierten jeden Sommer ein großes Fest, das als Höhepunkt im Event-Kalender
galt.
Jetzt aber hieß es plötzlich, nicht die Aufkleberchen hätten die Spuckis
reich gemacht, sondern ein russischer Oligarch, der den Laden vor fünfzehn
Jahren gekauft und dafür gesorgt hatte, dass ihnen kein kritisches Wort
über Russland und Putins Krieg aus den Druckmaschinen lief.
„Das ist totaler Bullshit!“, schimpfte Theo. „Wer verbreitet denn so was?…
– „Hardy hat’s mir vorhin erzählt“, sagte Rudi. – „Ach, du Scheiß…
kann die Spuckis ja auch nicht leiden!“ Rudi verzog den Mund. „Die Spuckis
ihn aber auch nicht.“ – „Phh, wer kann Hardy schon leiden? Nachdem er
damals das frühere besetzte Haus in der Agnesstraße gekauft hat … Nur du
bist seltsamerweise mit ihm befreundet.“ – „Immerhin hat er in der
Agnesstraße Wohnraum für Studis geschaffen!“ – „Und sie mit Wuchermieten
ausgepresst wie Zitronen!“
„Und warum kann er die Spuckis nicht leiden?“, fragte Luis. „Angeblich hat
er vor einigen Jahren versucht, sich bei ihnen einzukaufen, weil er auch
gerne eine hübsche Wohnung in der Mühle gehabt hätte“, grinste Theo: „Sie
haben ihn ausgelacht.“ – „Hehe, geschieht ihm recht!“ – „Danach“,…
fort, „soll er ja Petris ein Vermögen fürs Gum geboten haben, als der
Bierumsatz immer weiter in den Keller ging.“
„Echt?!“ Luis riss die Augen auf. „Stimmt das?“ Petris, der Gum-Wirt,
antwortete nicht. Er starrte finster an uns vorbei, trocknete Gläser und
schien Kieselsteine zwischen seinen Backenzähnen zu zermahlen.
„Übrigens, Petris“, sagte Rudi, der Blödmann, „versteh mich nicht falsc…
ich glaub das ja nicht, aber Hardy hat mir erzählt, dass er damals nur
deshalb nicht zum Zug gekommen ist, weil dieser Russe sich nicht nur bei
den Spuckis, sondern auch bei dir … – oh!“
Er wurde kreidebleich. „Petris, Alter“, stotterte er, „was willst du denn
mit diesem verdammt langen Messer?“ – „Gyros schneiden.“ – „Gyros? …
gibt’s doch gar kein Gyros.“ – „Bei jedem Griechen gibt’s Gyros“, k…
er, und Luis meinte, dass Rudi, der Blödmann, sich echt nicht zu wundern
brauchte, dass er hieß, wie er hieß.
5 Jul 2022
## AUTOREN
Joachim Schulz
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Kneipe
Freunde
Oligarchen
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