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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Heimat des Bierfurzes
> An diesem Freitag übernimmt Tschechien die Ratspräsidentschaft der EU.
> Ein Glück für alle Insassen des Kontinents der Kaltgetränke.
Bild: Tschechen im Rausch des Nationalgetränks
Niemand weiß, wer die bessere Hälfte im langjährigen Ehebund zwischen
Tschechien und Slowakei war, aber dass die Scheidung anders als in der
toxischen Verbindung Depp & Heard so geräuschlos und ohne Rosenkrieg über
die Bühne ging, grenzt immer noch an ein Wunder. Es muss am Bier liegen.
Budweiser, Staropramen, Březňák, Pilsner – Bier gilt als
Hauptnahrungsmittel Tschechiens, und dank des Bierkonsums, das für den
Arbeitsbereich sogar ein spezielles Dienstbier bereithält, ist Tschechien
eines der ruhigsten und liebenswertesten Länder der Welt, hat allerdings
auch die höchste Flatulenzrate innerhalb der EU, wie Statistiken beweisen.
Die Heimat des Bierfurzes liegt in Böhmen.
Bier ist ein probates Mittel gegen alles, was sich so zusammenbraut und
verbessert nicht nur das Bauchgefühl, sondern sogar den Bauchumfang.
Budweiser macht weiser, heißt es, aber Bier ist nicht alles im
tschechischen Leben. Nummer eins unter den alkoholischen Getränken ist ein
Kräuterbitter aus Karlsbad, der den Trinkimperativ schon im Namen trägt:
Becherovka! Im Zusammenspiel mit Tonic Water als Longdrink ist er auch
unter dem anheimelnden Namen „Beton“ bekannt.
Auf Platz zwei steht der auch andernorts berüchtigte Pflaumenbrand
Slivovice, der gegen alle Arten von Kater hilft, vor allem aber gegen eine
Überdosis Slivovice, der Schätzungen zufolge zu 70 Prozent schwarzgebrannt
ist. Aktuell warnt das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit vor den Wodkas Albanska Borovicka und Merunka. Denn
die Zahl der Methanolopfer steigt unverdrossen, die Tschechen aber nehmen
es gelassen. Der Regisseur Jiří Menzel hat seine Landsleute einmal als
„lachende Bestien“ bezeichnet. Na Zdraví!
## Pragmatische Prager
Früher war Tschechien so arm, dass man sich nur eine Jahreszeit leisten
konnte: den Prager Frühling, und den auch nicht lange. Aber mit allen
Mängeln gingen die Prager sehr pragmatisch um. Das Problem der sechziger
Jahre waren verschleppte Reformer, heute sind es verschleppte Reformen.
Das Land scheint dennoch beliebt zu sein, es gibt lange Staus bei der
Einreise. Dafür haben Fachleute drei Erklärungen: Die vielen Staudämme der
Moldau zum ersten, das niedrige Preisniveau zum zweiten, denn beim Zechen
muss man weniger blechen, und zum dritten die beliebte Kombi Crystal Meth
und Straßenstrich. Bei Letzterem handelt es sich um eine spezielle
Fahrbahnmarkierung, die Autofahrern, die vom rechten Weg abgekommen sind,
die Orientierung erleichtern soll.
Ein weiterer Grund, der für Reisen nach Tschechien spricht, ist das Essen:
Zu den Lieblingsmahlzeiten der Ureinwohner zählt Vepřo Knedlo Zelo, was wir
vorsichtshalber nicht übersetzen. Es könnte zu Würgereflexen kommen, denn
nur tschechische Mägen sind diese starke Belastung gewöhnt. Hier waltet der
Satz: „Bez maso nejsou koláče“. Ohne Fleisch kein Preis.
## Böhmische Weindörfer
Generell gilt, dass es in Tschechien von böhmischen Dörfern nur so wimmelt.
Dort wird Wein angebaut, eher in Schieflage, der Boden ist unzugänglich,
aber der Tscheche kann graben wie ein Schwejk.
Dasselbe an der Elbe. Bei der Scheidung im Jahr 1993 landete dummerweise
ein Großteil der Weinanbauflächen in der heutigen Slowakei. Jetzt setzen
die mährischen Winzer vor allem auf karpatenhohen Alkoholgehalt – diese
Weine sind praktisch unkaputtbar. Viele schwören auf den Veltlínské zelené,
auch bekannt als Grüner Veltliner, von internationalen Weinfluencern
empfohlen. Auch der Muškát moravský macht Boden gut, die Suchtklinik in
Sléchtovice führt ihn als Haustrunk. Absolutes Highlight der tschechischen
Weinkultur: Das Weinhefe-Denkmal in Hustopeče, eine sprossende Hefezelle in
70.000-facher Vergrößerung. Ungelogen.
Am 1. Juli ist es endlich so weit: Tschechien übernimmt den Ratsvorsitz der
Europäischen Union. Die Zukunft der EU ist damit hoffnungsfroh gesichert.
Auch wenn es in Europa dann etwas mehr als sonst müffelt. Wie heißt es doch
so schön: „Co je český, to je hezký.“ Schön ist, was tschechisch ist.
1 Jul 2022
## AUTOREN
Thomas C. Breuer
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Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2022
Drogen
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