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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Minus von Velo
> An diesem Freitag ist der Internationale Weltfahrradtag. Einige
> Anmerkungen zum zwiespältigen Zweirad.
Bild: Wer sein Rad liebt, der schiebt, besonders bei Regen und in der Nacht nac…
Immer mehr Menschen sind mit dem Radl da. Und dort. Bei vielen gleicht die
Wohnung mittlerweile einem Radlager, in Großstädten hängen sich manche ihr
Fahrrad wie ein Kunstwerk an die Wohnzimmerwand, um dem Diebstahl
vorzubeugen. Dank Verkehrschaos und steigender Spritpreise ist in
Deutschland bald niemand mehr radlos. Gern wird diese Klientel als
„Bewegung Dritter Juni“ bezeichnet. Radfahren – alte Volksweisheit – ko…
der deutschen Seele sehr nah: Nach oben buckeln, nach unten strampeln.
Fahrräder bewirken viel Gutes. Sie kümmern sich um die Volksgesundheit,
obwohl viele Radprofis eine ungesunde Gesichtsfarbe haben, weil sie ständig
im Windschatten leben. Auch kommen sie oft recht ausgemergelt daher.
Trotzdem: Fahrräder tragen zur Belebung des innerstädtischen Verkehrs bei
und halten die Reaktionsfähigkeit des Autofahrers geschmeidig. Sie haben
Regisseure wie Vittorio De Sica zu seinem wohl grandiosesten Werk
inspiriert: „Fahrraddiebe“. Oder Karl Valentin zu seinem legendären Dialog
„Ihr Schutzblech klappert!“. Sie haben die Märchenwelt bereichert:
„Radkäppchen und der böse Wolf“. Oder die zeitgenössische Musik: Heavy
Pedal.
## Schneisen im Wald
Dabei sind Fahrräder gar nicht so harmlos, wie sie immer tun. Als
Mountainbikes schlagen sie Schneise um Schneise in den deutschen Wald. Als
E-Bikes lichten sie die Reihen unserer Senioren, die nicht selten fortan
die Radieschen von unten betrachten dürfen. Als Rennrad zwingt es
überambitionierte Sportler dazu, sich mit verbotenen Substanzen
vollzustopfen. Selbst im Amateurbereich gibt es kaum mehr
Thekenmannschaften, sondern eher Apothekenmannschaften.
Als City-Bike bringt es unaufmerksame Pendler mittels Straßenbahnschienen
zu Fall. Bei Gewitter bieten sie keinen ausreichenden Schutz, da ist eben
kein Faraday’scher Käfig. Als Ergobike planen sie Attacken auf den
menschlichen Kreislauf. Ähnlich verhält es sich mit den mörderischen
Fahrradkurieren.
## Kordon der Drahtesel
In manchen Städten – Münster, Heidelberg, Tübingen – sind die Bahnhöfe
nicht mehr erreichbar, weil sie von einem schier undurchdringlichen Kordon
abgestellter Drahtesel umgeben sind. In diesen Städten finden wir auch die
ulkigsten Namen für Ladengeschäfte wie zum Beispiel „Fahrrad am Vaterland�…
in denen Menschen arbeiten, die sich mit Speichennippeln ebenso auskennen
wie mit der Hinterradgabel. Für viele sind solche Läden längst die Nabe der
Welt.
Fahrräder haben den damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping, im
Jahre 2002 noch Truppenwitz der Weltgeschichte, in schwierigen Zeiten eine
zweite Chance beim Bund Deutscher Radfahrer gegeben. Und unsere Schweizer
Nachbarn verfügten sowohl über Drahtesel als auch über Stahlrösser. Die
Armee hat seit 1905 Militärfahrräder eingesetzt und ist wohl deshalb nie
angegriffen worden. Die Radfahrtruppen wurden 2003 abgeschafft, die
„Militärgöppel“ dienen nur noch als Transportmittel im Rahmen von
Ausbildungsdiensten. Wenn das mal nicht voreilig war, angesichts der
Weltlage.
In Zeiten der Pandemie bringen Fahrräder die Menschen an die frische Luft
und verringern die Betriebskosten. In vielen Metropolen poppen Radspuren
auf. Wer die nicht nutzt, hat schlicht ein Rad ab. Heute ist der Tag, an
dem Radfahrer ihrer Göttin huldigen dürfen: der Minus von Velo. Stoßen wir
drauf an – mit einem Radler, denn am 3. Juni feiern wir den Internationalen
Weltfahrradtag.
3 Jun 2022
## AUTOREN
Thomas C. Breuer
## TAGS
Fahrrad
Verkehr
Tschechien
Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2022
Drogen
Literatur
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