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# taz.de -- Fridays for Future in Hildesheim: Autobahn blockieren erlaubt
> „Fridays For Future“ darf eine Fahrraddemo auf der A7 veranstalten. Dafür
> musste die Gruppe in Hildesheim aber Kompromisse eingehen.
Bild: Bald auch auf der A7: Auf der Berliner Stadtautobahn gab es schon 2020 ei…
Erst durften sie nicht, mit ein paar Änderungen nun aber doch: „Fridays For
Future“ erhält die Genehmigung, mit einer Fahrraddemo auf der A7 bei
Hildesheim zu protestieren. Im vergangenen Jahr hatte das
Oberverwaltungsgericht Lüneburg die Demo noch untersagt. Nun haben die
Aktivist:innen in Zusammenarbeit mit der Stadt Hildesheim und der
Polizei einen Kompromiss gefunden. Was bedeutet das für den Protest?
Für Demos und Blockaden auf Autobahnauffahrten steht in letzter Zeit
vermehrt die aktivistische Gruppe „Letzte Generation“ in der Kritik. Ihr
wird das Blockieren von Einsatzfahrzeugen, Nötigung oder Erpressung
vorgeworfen. Justizminister Marco Buschmann nannte [1][die Sitzproteste]
gar rechtswidrig. Dabei ist die rechtliche Einordnung dieser Protestform
juristisch gar nicht so einfach.
An vorderster Stelle steht die Versammlungsfreiheit. Sie ist zwar im
Grundgesetz festgeschrieben, kann aber unter bestimmten Bedingungen
eingeschränkt werden. Eine zentrale Rolle wird bei Straßenblockaden der
Zweite-Reihe-Rechtsprechung zuteil. Sie beschreibt das bewusste Aufhalten
der ersten Reihe wartender Autos, um nachfolgenden Kraftfahrzeugen eine
physische Barriere entgegenzustellen, als Tatbestand der Nötigung.
Bewegen sich die Blockaden im Sinne der Versammlungsfreiheit, ist der
Tatbestand der Nötigung zwar noch gegeben, die physische Blockade der Autos
ab Reihe zwei ist dann aber nicht mehr rechtswidrig.
## Die Autobahn wird offiziell gesperrt
Das Bundesverfassungsgericht schreibt als Vorgabe für die Auflösung solcher
Aktionen nach einem Präzedenzfall 2004: „Wichtige Abwägungselemente sind
hierbei die Dauer und die Intensität der Aktion, deren vorherige
Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit
des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer
Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand.“
Die Auslegung im Einzelfall ist in einem relativ großen Rahmen möglich.
Auch wenn bei den Demos gegen Lebensmittelverschwendung vonseiten der
„Letzten Generation“ immer auch die Frage nach dem Sachbezug gestellt wird,
argumentiert der Rechtswissenschaftler Tim Wihl in einem [2][Gastbeitrag
beim Rechtsmagazin LTO], gerade in der Klimakrise bestehe eine Art
„Notstand in Permanenz“. Im Klimanotstand ließe sich der Sachbezug damit
begründen, dass der Protestgegenstand in der Gesellschaft allgegenwärtig
ist.
Bei „Fridays For Future“ ist es rechtlich sogar noch einfacher. „Der
inhaltliche Schwerpunkt der Demonstration liegt auf dem Klimaschutz im
Verkehrssektor, wo Deutschland immer noch auf dem Emissionsniveau von 1990
stagniert“, schreibt „Fridays For Future“. Der Bezug zu den im
Individualverkehr eingeschränkten Personen ist bei einer Demonstration auf
der Autobahn also klar gegeben.
Mit der Einigung mit Stadt und Polizei haben die Aktivist:innen die
rechtliche Auseinandersetzung jedoch umschifft: Die Autobahn wird offiziell
gesperrt, der Verkehr kann den Bereich mit einem Umweg von etwa zehn
Minuten problemlos umfahren.
## Demo am Sonntag statt am Freitag
Dass es jetzt eine Genehmigung für den Protest gegeben habe, sei von der
Stadt mit der neuen Uhrzeit der Aktion begründet worden, teilt „Fridays For
Future“ mit. 2021 war die Demo noch für Freitagnachmittag geplant, jetzt
wollen sie stattdessen am Sonntag, den 10. Juli um 9.30 Uhr mit 600
Teilnehmenden am Hildesheimer Hauptbahnhof losradeln. Etwa drei Kilometer
geht es über die A7, bis spätestens um 11 Uhr der motorisierte Verkehr
wieder ungehindert fahren darf.
Die Route über die A7 habe die Gruppe gewählt, „um unserer Forderung nach
einer Verkehrswende mehr Nachdruck zu verschaffen“, sagt Vera Wagner von
„Fridays For Future“ Hildesheim gegenüber der taz. Sie erhofften sich auch,
neue Teilnehmende mit dieser Protestform anzusprechen. Mit dem Fahrrad über
die Autobahn, das gehe schließlich nicht jeden Sonntag.
Dass der Protest an einem Sonntagmorgen auf nicht allzu viele PKW treffen
wird und aufgrund der Streckenführung eine Umgehung möglich ist, ist der
Preis für die städtische Genehmigung. Klimakrise stoppen ja – aber bitte
nur am Sonntag. Immerhin muss sich jetzt niemand mehr mit der Auslegung des
Demonstrationsrechts befassen.
14 Jun 2022
## LINKS
[1] /Proteste-der-Letzten-Generation/!5831060
[2] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/autobahnblockade-sitzblockade-berl…
## AUTOREN
Niklas Berger
## TAGS
Schwerpunkt Fridays For Future
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimaproteste
Verkehr
Autobahn
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Letzte Generation
Verkehrswende
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