# taz.de -- TV-Duell vor Frankreichs Wahl: „Russland ist Le Pens Bankier“ | |
> Bei der Debatte zwischen Macron und Le Pen werden die Differenzen | |
> deutlich. Zum Beispiel zu EU, Energiewende und Russland. | |
Bild: Macron und Le Pen während des Schlagabtauschs | |
PARIS taz | Obwohl die Fernsehdebatte zu den französischen | |
Präsidentschaftswahlen ein wenig wie ein Boxkampf in mehreren Runden | |
ausgetragen wird, gibt es selten einen eindeutigen Sieg mit K.o. oder nach | |
Punkten. Jede Zuschauerin und jeder Zuschauer kann sich selber eine Meinung | |
bilden. Das Urteil wird je nach Sympathien, Abneigungen oder Interessen | |
stark variieren. Die beiden Fernsehsender, TF1 und France 2, die den Anlass | |
gemeinsam organisiert hatten, waren heilfroh, dass nach fast drei Stunden | |
von Behauptungen, Selbstlob, Widerreden oder gelegentlich auch | |
gegenseitiger Anschuldigungen kurz vor Mitternacht die Diskussion in einer | |
fast höflichen Atmosphäre endete. | |
Die Anspannung war zu Beginn beiden Debattierenden anzusehen, denn sehr | |
viel stand auf dem Spiel. Marine Le Pen, die per Losentscheid als Erste das | |
Wort erhalten sollte, legte in der Nervosität sogar einen Fehlstart hin, | |
indem sie zu reden begann, bevor ihr das Duo, das die Sendung moderieren | |
musste, die erste Frage stellen konnte. Sie hatte sich in Erinnerung an die | |
[1][völlig verpatzte Debatte von 2017] gegen Macron intensiv vorbereitet. | |
Ob dieser verbale Schlagabtausch für das Resultat der Wahl am Sonntag etwas | |
bewirkt oder zumindest zusätzliche Stimmberechtigte zum Wählen motiviert, | |
darüber wurde gleich im Anschluss unter Medienvertretern debattiert. Le | |
Figaro fasste das so zusammen: „Le Pen zählt die Probleme auf, Macron die | |
Lösungen.“ | |
Der Amtsinhaber Emmanuel Macron, der für seine Wiederwahl antritt, musste | |
seine Bilanz verteidigen. Er versuchte im Gegenzug, das Programm seiner | |
Gegnerin, der Rechtspopulistin Marine Le Pen, systematisch als gefährlich | |
für die Demokratie und ihre Vorschläge für bessere Lebensbedingungen als | |
unrealistisch zu demontieren. | |
Das gelang ihm auch teilweise, da schnell deutlich wurde, dass er die | |
Details der großen Wirtschaftsthemen, aber auch den Staatsapparat und die | |
Gesetzgebung viel besser kennt als Le Pen. Macron, der seine Vorteile | |
nutzen wollte, wurde manchmal aggressiv und belehrend, indem er seiner | |
destabilisierten Gegnerin ankreidete, sie lüge oder verdrehe die Wahrheit. | |
Ins Wanken geriet sie bei der Erörterung des Kriegs in der Ukraine, als | |
Macron ihr vorwarf, dass sie 2014 die russische Annexion der Krim | |
akzeptiert habe und danach für ihren Wahlkampf von [2][2017 von einer | |
russischen Bank], deren Nähe zum Machthaber Putin bekannt sei, einen | |
Millionenkredit erhalten habe, den sie sie bis heute nicht hätte | |
zurückbezahlen müssen. Mit dieser Schuld stehe sie „in einer Abhängigkeit�… | |
„Wenn Sie von Russland reden, Madame Le Pen, sprechen Sie von Ihrem | |
Bankier.“ Sie versuchte sich mit einer Solidaritätserklärung mit der | |
Ukraine aus der Affäre zu ziehen. Macron konterte, ihre Fraktion habe sich | |
im EU-Parlament gegen die Sanktionen ausgesprochen. | |
## Laut Umfragen sind 13 Prozent der Wahlberechtigten noch unentschieden | |
Wie sehr sich die politischen Vorstellungen für Frankreichs Zukunft | |
unterscheiden, wurde in der EU-Frage deutlich. Le Pen beansprucht ein | |
Primat der nationalstaatlichen Souveränität und wünscht eine „tiefgreifende | |
Modifikation der Institutionen“. Es sei ein Unsinn, wenn Macron (in der | |
Verteidigung oder Industrie) von einer „europäischen Souveränität“ sprec… | |
denn es gebe ja kein „europäisches Volk“. Macron möchte, dass die Wahl zu | |
einer Pro-Europa-Abstimmung wird. | |
In die Haare gerieten sich die beiden zum Thema Energiewende: „Ich bin | |
keine Klima-Skeptikerin, wie Sie sagen, aber Sie sind ein Klima-Heuchler“, | |
entgegnete Le Pen. Sie möchte die Atomenergie noch mehr als Macron fördern | |
und dafür die Windräder verbieten. Sie äußerte die Meinung, Macron hätte | |
den Betrieb des AKW Fessenheim im Elsass nicht einstellen dürfen. | |
Nach ihrer eventuellen Wahl möchte Le Pen als Präsidentin zu verschiedenen | |
Themen, namentlich zur Bekämpfung der Immigration und zur Einführung des | |
Prinzips der „nationalen Präferenz“ (zur Anwendung bei der Stellen- oder | |
Wohnungssuche), in Umgehung des parlamentarischen Wegs Volksbefragungen | |
durchführen. Das hält Macron für verfassungswidrig. Er ist auch gegen das | |
von Le Pen geforderte generelle Verbot des islamischen Schleiers in der | |
Öffentlichkeit, weil dies einen Angriff auf die Religionsfreiheit | |
darstelle. Le Pens vorsätzliche Vermischung von Islam und Islamismus führe | |
in einen „Bürgerkrieg“. | |
Die [3][Fernsehdebatte] zwischen den beiden Finalisten, Emmanuel Macron und | |
Marine Le Pen, war zweifellos der Höhepunkt der Kampagne der | |
Präsidentschaftswahlen am kommenden Sonntag. Obschon diverse | |
Kommunikationsberater und Politologen die Meinung vertraten, der Verlauf | |
dieser Diskussion am Bildschirm werde erfahrungsgemäß nur wenig Einfluss | |
auf die Entscheidung am Wahlsonntag haben und die Erwartungen an diesen | |
verbalen Schlagabtausch müssten daher relativiert werden, verfolgten sehr | |
viele Wählerinnen und Wähler die Konfrontation. Und sei es vielleicht auch | |
bloß, um die eigene vorgefasste Meinung über die beiden Kandidierenden | |
bestätigt zu finden. | |
In Umfragen aber gaben immerhin 13 Prozent der Wahlberechtigten an, sie | |
wüssten noch nicht, wem sie am Sonntag ihre Stimme geben würden. Auch haben | |
sich viele Französinnen und Franzosen noch nicht definitiv entschlossen, an | |
der Stichwahl teilzunehmen. | |
21 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zeit.de/politik/ausland/2017-05/tv-duell-frankreich-marine-le-p… | |
[2] https://www.sueddeutsche.de/politik/russland-und-der-front-national-analyse… | |
[3] https://youtu.be/NKtZprAHJwM | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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