Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gallery Weekend Berlin: Hybrid ist jetzt das neue Normal
> Berliner Galerien nutzen verstärkt den digitalen Raum – ohne auf analoge
> Präsenz verzichten zu wollen. Auch der Verkauf läuft inzwischen oft
> digital.
Bild: Nur gucken, nicht anfassen: Gilt auch beim Gallery Weekend
BERLIN taz | Die Kunst-Crowd bewegt sich wieder durch die Stadt. Von
Freitag bis Sonntag ruft das Gallery Weekend zum Galerienrundgang.
Konzentriert auf die Bezirke Mitte, Kreuzberg, Schöneberg und
Charlottenburg zeigen 52 der insgesamt 345 Berliner Galerien dabei Werke
von 80 Künstler*innen. Viele Ausstellungen sind extra für das
Kunstwochenende als Anziehungspunkt für Sammler und Kunstinteressierte aus
der ganzen Welt konzipiert.
Die Buchmann Galerie zeigt zum Beispiel die meditative Serie von
Reishäusern des Bildhauers und documenta-Künstlers Wolfgang Laib. Die
Schauspielerin und Künstlerin Lea Draeger breitet in der Ebensperger
Gallery sowie im ehemaligen Krematorium Wedding ihr mittlerweile mehr als
5.000 Blätter umfassendes Werk von Bildnissen der „Ökonomischen Päpste und
Päpstinnen“ aus. Bei Thomas Schulte kann man sich ins Frühwerk von Allan
McCollum vertiefen und auch das von McCollum und dessen Künstlerfreund Matt
Mullican entwickelte Würfelspiel [1][„Your Fate“] spielen.
Vor allem aber ist das fein analoge Lauf- und Guck-Event vom Eintritt in
eine neue Ära der souveränen hybriden Kunstpräsentation bestimmt. Denn
gerade in den letzten beiden von der Pandemie bestimmten Jahren
entwickelten viele Galerien ihre digitalen Tools weiter. Ausstellungen
wurden abgefilmt, viele einzelne Werke hochauflösend digitalisiert,
VR-Spezialisten kreierten immersive digitale Räume. Vieles wird auch jetzt
genutzt.
„Wir bespielen weiter alle Kanäle. Neben unserer eigenen Website hat sich
Instagram als wichtig herausgestellt sowie die Online-Plattformen Artsy und
Artnet. Artsy wird mehr von Nordamerika und Asien aus genutzt, Artnet
stärker im deutschsprachigen Raum“, konstatiert [2][Galerist André
Buchmann] gegenüber der taz.
## Kontaktaufnahme über fünf Kanäle
Die Kontaktaufnahme sei vor allem vielschichtiger geworden. „Wir haben
Kunden, die auf fünf verschiedenen Kanälen zu uns kommen. Sie gucken sich
die Website an, sie gehen unter Umständen in einen von unseren Online
Viewing Rooms (OVR) rein, gucken dann auf Artsy nach, was es so kostet,
drücken auf den Enquiry-Button auf unserer Website, um sich einen Preis
nennen zu lassen“, beobachtet [3][Galerist Thomas Schulte]. Manche
schrieben eine Mail, andere riefen meldeten sich telefonisch oder kämen
direkt in die Galerie. Laut Schulte ist die Art der Kontaktaufnahme dabei
keine Frage des Alters.
Das ergibt sich auch aus dem „[4][Art + Tech Report“], für den ein Team um
die Beraterin Kerstin Gold bereits im ersten Pandemiejahr 2020 380
Sammler*innen befragt hat. „Für uns etwas überraschend stellte sich
heraus, dass 85 Prozent noch auf die althergebrachten Websites der Galerien
für erste Informationen zugriffen. Dann folgten Plattformen wie Artsy und
Artnet. Artsy wurde schon fast wie Google gebraucht. Man suchte dort
gezielt nach Künstler*innen“, erzählt Gold der taz.
Wichtigste Social-Media-Plattform sei Instagram. „Es wird mit seinem sehr
direkten Zugang stark zur Anbahnung von Verkäufen genutzt“, erklärt Gold.
Aus Sicht des Galeristen Thomas Schulte wurde auch der Onlineshop der
Galerie zu einem sehr wichtigen Instrument. Aufgrund all dieser
Entwicklungen nahm der digitale Kunsthandel in den letzten zwei
Pandemiejahren stark zu.
## Umsatz bei Digitalverkäufen steigt
Laut der vom Landesverband der Berliner Galerien initiierten Studie
„Bestandsaufnahme Digitalisierung im Berliner Kunstmarkt“, an der 104
Berliner Galerien teilnahmen, lag der durchschnittliche Jahresumsatz durch
Digitalverkäufe schon 2020 bei 10 Prozent, bei etwa einem Dutzend der
befragten Galerien sogar über 50 Prozent. Tendenz: steigend.
Ein Motor dafür sind auch die Förderungen der „Neustart Kultur“-Programme
während der Pandemie. „16 Millionen Euro gingen an die Galerien, die eine
Zeit lang die einzigen noch offenen Kulturstandorte waren. 5 Millionen
davon waren für Digitalisierung gedacht. Das ermöglichte vielen Galerien,
neue Instrumente zu erproben“, berichtet Werner Tammen, Vorsitzender des
Landesverbands der Berliner Galerien, der taz. Nicht alle neu erprobten
Tools werden noch genutzt. Als großen Verlierer nennt Galerist Schulte die
VR-Räume. Besucher*innen seien schnell frustriert gewesen, wenn sie
digital an Wände stießen.
Als Treiber der Digitalisierung sieht Beraterin Gold die Sammler*innen:
„Über alle Sammlergruppen hinweg herrscht eine hohe Alltagsaffinität für
digitale Praktiken. Das wurde auch für den Kunstmarkt gewünscht.“
Auf die analoge Präsenz des Galeriepublikums will niemand verzichten, auch
nicht die Digitalberaterin. „Ich gehe natürlich zum Gallery Weekend“, sagt
Gold und verweist auf die neuen hybriden Selbstverständlichkeiten. „In den
langen Monaten zwischen zwei Gallery Weekends freue ich mich auf das
ganzheitliche Konzept von online und offline. Ich glaube, dass da kein
Gegensatz mehr herrscht, sondern sich beides zu etwas verbindet, das in der
Summe größer ist als 1+1.“
28 Apr 2022
## LINKS
[1] http://allanmccollum.net/allanmcnyc/yourfate/
[2] https://buchmanngalerie.com/
[3] https://www.galeriethomasschulte.de/
[4] https://www.arttechreport.com/
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Galerie
Konzeptkunst
taz Plan
Internet
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gespräch mit verstorbenem William Pope.L: „Rasse ist unglaublich immateriell…
Der Konzeptkünstler William Pope.L ist im Alter von 68 Jahren gestorben.
Letztes Jahr sprach die taz mit ihm über Konfrontationen und über freudigen
Lärm.
Die Kunst der Woche für Berlin: Blühendes Vermächtnis
Gleich zwei Schöneberger Orte bespielt die Ausstellung „textile“. Gerade in
den Kiez umgezogen: ChertLüdde, mit einer frisch duftenden Auftaktschau.
Versteckte Knotenpunkte des Internets: Auf der Suche nach der Cloud
Die Infrastruktur von Internetfirmen ist aus Sicherheitsgründen fast
unsichtbar. Eine Tour zeigt die (Un-)Orte moderner Kommunikation in Berlin.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.