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# taz.de -- Nach den jüngsten Anschlägen in Israel: In ängstlicher Wartehalt…
> Zuletzt hat es in Israel drei Anschläge gegeben. Sie wecken die Sorge vor
> einer neuen Eskalation zwischen jüdischen und palästinensischen Israelis.
Bild: Immer auf der Hut, auch in der Freizeit: ein israelischer Soldat am Stran…
Tel Aviv taz | Yoni Avneri lehnt gelangweilt an einem Pfeiler seines
Marktstandes im Süden von Tel Aviv. Der Sommer ist da, doch [1][seit den
Anschlägen in der vergangenen Woche] ist der Markt nicht gut besucht. „Ich
habe keine Angst“, sagt Avneri, „aber das Geschäft läuft nicht.“ Gegen�…
stehen zwei Soldat:innen mit Maschinengewehren im Anschlag – die Präsenz
von Sicherheitskräften wurde massiv erhöht.
Israel ist in ängstlicher Wartehaltung. Innerhalb von sieben Tagen hat es
drei Anschläge im Herzen dreier großer Städte gegeben: vor einem
Einkaufszentrum in der Wüstenstadt Beer Sheva, an einer Bushaltestelle in
Hadera im Norden des Landes und in einem Wohnviertel der religiös geprägten
Stadt Bnei Brak, direkt an Tel Aviv angrenzend.
Was die Israelis zudem verunsichert: Die Attentate in Hadera und Beer Sheva
wurden von palästinensischen Israelis verübt, nicht von
Palästinenser:innen aus dem Westjordanland. Damit rückt der Konflikt
selbst in der Partystadt Tel Aviv, wo man ihn gerne ignoriert, sehr nah.
Bei vielen kommen Erinnerungen an die zweite Intifada hoch und an die Serie
von Messerangriffen 2015 und 2016.
Laut Geheimdienstinformationen waren die Attentäter zudem mit dem
sogenannten Islamischen Staat verbunden – der IS bekannte sich zu dem
Anschlag in Hadera. Dabei ist der IS keine der Organisationen, die sich
klassischerweise zu Anschlägen im Land bekennen: Bis vergangene Woche hatte
die Terrororganisation in Israel lediglich einen Anschlag 2017 für sich
reklamiert.
## Die Treue geschworen
Laut der Tageszeitung Haaretz schätzen Sicherheitskreise, dass in Israel
etwa 200 Personen dem IS nahestehen, 20 von ihnen werden verdächtigt,
Attentate verüben zu wollen. Sie hatten dem IS die Treue geschworen, als er
sich noch im Aufwind befand. Doch mit dem Zusammenbruch des sogenannten
Kalifats in Syrien und dem Irak erlitt er Ende 2017 eine vernichtende
Niederlage. „Der IS hat keine Infrastruktur in Israel oder in den
palästinensischen Gebieten“, erklärt der Militärhistoriker Danny Orbach.
„Er existiert hier vor allem als Idee, als Inspiration.“
Haben die Anschläge von vergangener Woche demnach überhaupt mit dem
israelisch-palästinensischen Konflikt zu tun? Für Orbach steht dies außer
Frage: Die Ideologie des IS unterscheide sich zwar stark von jener der
Hamas und des Islamischen Dschihad. „Doch gemeinsam ist ihnen der Wunsch,
Israel zu zerstören“, so Orbach.
„Der IS hat nichts mit dem Islam zu tun“, sagt Ibrahim Abu El Asal, der
seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Im Islam ist es
verboten zu töten“, sagt er und lässt seine Gebetskette durch die Finger
gleiten. Er steht in seinem Haushaltswarengeschäft im arabisch geprägten
Stadtteil Jaffa.
Auch hier gibt es wenig zu tun: „Die Straßen sind leer“, sagt er, „nicht
nur wegen Ramadan, auch wegen der Anschläge.“ Viele Anwohner:innen
haben Angst, dass sich die Situation wieder so zuspitzen könnte wie im Mai
2021. Während des Krieges zwischen Israel und der militanten Organisation
Hamas, die im Gazastreifen regiert, kam es in zahlreichen gemischten
Städten zu heftigen Ausschreitungen, bei denen jüdische wie
palästinensische Israelis getötet wurden.
## Teil des Staates Israel
Die aktuellen Anschläge fallen in eine Zeit, in der zum ersten Mal in der
Geschichte Israels eine arabische Partei Teil der Regierung ist und viele
palästinensische Israelis den Wunsch verspüren, Teil des Staates Israel zu
sein. Andererseits aber fühlen sich viele nach wie vor als Bürger:innen
zweiter Klasse.
„In der israelischen Gesellschaft ist die Annahme weit verbreitet, dass
weniger Sicherheit für Palästinenser:innen mehr Sicherheit für
jüdische Israelis bedeutet“, erklärt der Soziologe Yariv Mohar. Dabei
schließen sich Menschenrechte und Sicherheit nicht aus, führt Mohar weiter
aus. „Im Gegenteil, der allgemeine Schutz der Menschenrechte fördert die
Sicherheit.“
Der Soziologe ist vorsichtig mit eindeutigen Erklärungen. Die Zusammenhänge
zwischen den Terrorakten palästinensischer Israelis und israelischer
Politik seien unscharf. Dennoch leiste die aktuelle Politik, die
Palästinenser:innen diskriminiere und ausklammere, womöglich durchaus
einen Beitrag zu Attentaten. „Es ist wie ein Fass, das zum Überlaufen
gebracht wird.“
Diese Politik zeigte sich nicht zuletzt [2][beim Gipfeltreffen in der Wüste
Negev Ende März], wo sich Israel und die USA mit vier arabischen Ländern
getroffen hatten. Die palästinensische Führung war nicht eingeladen – ihre
Anliegen sind aus der internationalen Politik weitgehend verschwunden.
Die meisten Analyst:innen gehen davon aus, dass der Zeitpunkt des
Attentats in Hadera, kurz nach dem Gipfeltreffen, daher kein Zufall war.
Derweil setzten sich im Westjordanland die gewaltsamen Auseinandersetzungen
auch am Wochenende fort. „Ein Streichholz genügt, und das Ganze hier kann
in die Luft gehen“, sagt Haushaltswarenhändler El Asal in Jaffa. Er
schüttelt den Kopf: „So wie letztes Jahr.“
6 Apr 2022
## LINKS
[1] /Israel-Palaestina-Konflikt/!5841830
[2] /Treffen-von-Israel-und-arabischen-Staaten/!5841435
## AUTOREN
Judith Poppe
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Gaza
Westjordanland
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