# taz.de -- Werder Bremen in der 2. Liga: Mit Not-Elf an die Spitze | |
> Mit 1:0 siegt Werder Bremen über Darmstadt 98. Nun stehen die Bremer | |
> punktgleich mit dem FC St. Pauli auf dem zweiten Tabellenplatz. | |
Bild: Werders Eren Dinkci (l.) und Niclas Füllkrug (r.) kämpfen gegen Darmsta… | |
Mitunter verdichtet sich nach Abpfiff eines Fußballspiels die Dramaturgie | |
der zurückliegenden rund 90 Minuten in einer einzigen. Nach dem 1:0-Sieg | |
von Werder Bremen über Darmstadt 98 geschah das am Samstag in zwei | |
Parallelhandlungen: Vor der Bremer Trainerbank tanzten Betreuer:innen, | |
Ersatz- und bereits ausgewechselte Spieler so aufgedreht umeinander, als | |
hätten sie gerade die Champions League gewonnen. Und Darmstadts Trainer | |
Torsten Lieberknecht überquerte so energiegeladen den Platz in Richtung | |
Schiedsrichter Robert Schröder, als wollte er sich nach der Gelben Karte | |
noch die Rote abholen. | |
Die Euphorie der Bremer:innen hatte sicher mit dem erstmals wieder | |
vollen Stadion zu tun, in dem auch die Ultras ihre Rückkehr feierten. Aber | |
mehr noch mit der Erleichterung, diesen wichtigen Sieg gegen den | |
Tabellennachbarn mit einer Not-Elf errungen zu haben: Verletzungsbedingt | |
fehlten von vornherein die Abwehrspieler Ömer Toprak, Marco Friedl und | |
Mitchell Weiser, unter Quarantäne stand Stürmer Marvin Ducksch – und am | |
Spieltag selbst wurde nun auch noch Leonardo Bittencourt positiv auf | |
Covid-19 getestet. | |
Werder-Trainer Ole Werner schickte neben dem erfahrenen Nicolai Rapp gleich | |
vier Youngster ins Rennen, die unter seiner Ägide bislang wenig Spielzeit | |
erhalten hatten. Trotz Anpassungsschwierigkeiten und einiger überhasteter | |
Aktionen: Sie machten ihre Sache so gut, dass Siegtorschütze Niclas | |
Füllkrug nachher von einer „reifen Leistung der jungen Mannschaft“ sprechen | |
konnte. | |
Zum Gesamtbild gehört allerdings auch die 24. Minute, in der Darmstadts | |
Klaus Gjasula nach Videobeweis die Rote Karte erhielt, weil er das Knie von | |
Romano Schmid mit der offenen Sohle getroffen hatte. Gästetrainer | |
Lieberknecht war mit dieser Entscheidung unzufrieden, so wie mit einigen | |
anderen auch; er ließ den Schiedsrichter dann aber beim Marsch übers | |
Spielfeld links liegen – „aus Selbstschutz“, so Lieberknecht später. Der | |
Frust war aber nachvollziehbar: Bis zum Platzverweis wirkten die | |
Darmstädter stabiler und gefährlicher. Gegen eine komplette Elf hätten die | |
neuformierten Bremer schwerer ins Spiel gefunden. | |
Das Spiel war eine Art zweiter Feuertaufe für Werders Trainer Ole Werner. | |
Die beeindruckende Serie, die sein Team seit Anfang Dezember von Platz 10 | |
an die Spitze brachte, erreichte er mit kaum wechselndem Stammpersonal. Die | |
wesentlichen Umstellungen – auf eine Dreierkette in der Abwehr und die | |
Doppelspitze aus Füllkrug und Ducksch – hatte schon Vorgänger Markus Anfang | |
in seinen letzten Spielen vorgenommen. | |
## Frühstarter trifft Spätzünder | |
In diese Grundordnung baute Werner dann Christian Groß als zentralen | |
Mittelfeldspieler ein und schuf mit Weiser und Anthony Jung ein neues | |
starkes Außenverteidigerpaar. Nun aber musste innerhalb einer Woche die | |
halbe Mannschaft verändert werden. | |
Mit möglichst wenigen Eingriffen eine klare Struktur schaffen: Das zeichnet | |
Werners Stil aus. So gab er nach Amtsantritt der verunsicherten Mannschaft | |
Selbstbewusstsein und Stabilität zurück. Und so agierte er auch jetzt | |
wieder: Trotz zweier fehlender starker Innenverteidiger blieb er bei der | |
Dreierkette, und er bildete sie aus den erfahrensten Spielern, die er noch | |
zur Verfügung hatte. Besonderer Schachzug: Als Toprak-Vertreter in der | |
zentralen Abwehrposition setzte er auf Christian Groß, der mit der gleichen | |
Ruhe und Übersicht agierte wie im Mittelfeld. | |
Überhaupt wird Groß immer mehr zum großen Stabilisator. Wie der Trainer ist | |
er 33 Jahre alt, beide feierten im September 2019 Premiere: Werner bei | |
Holstein Kiel als einer der jüngsten Zweitliga-Cheftrainer, Groß bei Werder | |
als einer der ältesten Erstliga-Debütanten. Frühstarter trifft Spätzünder. | |
Beide stehen für die neue Sachlichkeit, die Werder gerade guttut. Getanzt | |
wird trotzdem. | |
20 Mar 2022 | |
## AUTOREN | |
Ralf Lorenzen | |
## TAGS | |
Werder Bremen | |
Darmstadt 98 | |
2. Bundesliga | |
Fußball | |
Darmstadt 98 | |
2. Bundesliga | |
FC St. Pauli | |
FC St. Pauli | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Fußball | |
Fußball | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Darmstadt 98 im Aufstiegskampf: Quantensprünge am Böllenfalltor | |
Darmstadt 98 kann trotz starker Konkurrenz noch aufsteigen. Verbesserte | |
Strukturen, geschickte Transfers und der Trainer machen das möglich. | |
Werders Rückschlag im Aufstiegsrennen: Werner stolpert über alte Liebe | |
Ole Werner hat das Team von Werder Bremen entfesselt. Völlig richtig, auch | |
wenn das gegen Kiel schief ging und der Aufstieg nun in Gefahr ist. | |
St. Pauli verliert Aufstiegs-Duell: Nachbarschaftshilfe für den HSV | |
1:2 verliert St. Pauli gegen Konkurrent Darmstadt. Vier Spieltage vor | |
Saisonende stehen die Hamburger damit nicht mehr auf einem Aufstiegsplatz. | |
Spitzenspiel St. Pauli gegen Werder: Auf die Freundschaft | |
St. Pauli und Werder Bremen vertagen beim 1:1 die Vorentscheidung um den | |
Bundesliga-Aufstieg. Beide lassen Schalke 04 vorbeiziehen. | |
Rassismus im Stadion: Zwischen Pest und Corona | |
Endlich wieder ins Weserstadion und sich mit den anderen Fans über Werders | |
Tore in die Arme fallen! Aber welche Gesänge muss man sich da anhören? | |
Werder Bremen gegen den Hamburger SV: Nordderby fast wie immer | |
Werder Bremen gewinnt ein spannendes Spiel gegen den HSV mit 3:2 und ist | |
wieder Tabellenführer. Der Aufstieg ist für beide Clubs realistisch. | |
St. Pauli verliert 0:3 gegen Hannover: Auch Elfmeter helfen nicht | |
Der FC St. Pauli geht in der 2. Männerfußball-Bundesliga gegen Hannover 96 | |
mit 0:3 unter und rutscht aus den Aufstiegsrängen. |