# taz.de -- Flüchtlingshilfe aus Berlin: „NGOs wissen, was gebraucht wird“ | |
> Levin Schmidt und Lorenz Schmidt unterstützen Flüchtlings-NGOs auf Samos. | |
> Ziel sind Verbindungen zwischen Inselbewohnern und Geflüchteten. | |
Bild: Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Samos | |
taz: Mit Ihrem „Project Elpida“ sammeln Sie beide Spenden, um lokale | |
Hilfsorganisationen auf Samos zu unterstützen, die sich für Geflüchtete | |
engagieren. Wie kam es dazu? | |
Levin Schmidt: Die Idee wurde im September 2020, nach dem Feuer im | |
Flüchtlingslager Moria auf Lesbos, geboren. Wir dachten uns, das kann | |
eigentlich nicht sein. Jedes Jahr gibt es die gleichen Meldungen von Feuern | |
in den Lagern, von Ratten, von Überschwemmungen. Das ist die vergessene | |
Krise von Europa. Wir haben dann im privaten Rahmen Geld für Geflüchtete | |
auf Samos gesammelt. | |
Lorenz Schmidt: Wir haben mit dieser ersten Aktion in zwei bis drei Wochen | |
mehrere tausend Euro zusammenbekommen. Daher wollten wir das unbedingt | |
weiterführen. | |
Levin Schmidt: Aber es ergab für uns keinen Sinn, sich selbst vor die | |
Eingangstore des Camps zu stellen und da Seife und Brot zu verteilen. Die | |
Organisationen, mit denen wir arbeiten, machen das seit Jahren. Die wissen, | |
was gebraucht wird, die wissen, wie es vor Ort aussieht. Und es macht | |
keinen Sinn, wenn wir zwei weißen Typen da ein Büro aufmachen und sagen, | |
einmal pro Woche kochen wir jetzt Suppe. | |
Wieso haben Sie sich entschieden, auf Samos zu helfen? | |
Levin Schmidt: Es ist die Sommerinsel unserer Kindheit. Der Bezug besteht | |
schon seit Generationen. Unsere Großväter waren beide Archäologen auf | |
Samos. Deshalb war für uns klar, dass Samos der erste Ort sein wird. Zudem | |
spreche ich Griechisch und bin in Griechenland zur Schule gegangen, bevor | |
ich zum Studium zurück nach Berlin kam. | |
Mit Ihrer ersten Kampagne haben Sie ungefähr 5.000 Euro gesammelt und | |
unterstützen gezielt lokale NGOs. | |
Lorenz Schmidt: Levin war vergangenes Jahr für ein paar Monate als Helfer | |
bei einer NGO auf Samos und so bestand schon Kontakt. Wir haben dann drei | |
Organisationen ausgesucht, mit denen wir zusammenarbeiten wollen. Sie | |
melden uns, was sie am dringendsten benötigen. Und wir gehen dann mit dem | |
gespendeten Geld vor Ort in die Läden und arbeiten die Einkaufsliste ab. Ab | |
und an war auch jemand von den Partnerorganisationen mit dabei, etwa als es | |
um Baumaterialien ging, wo wir jetzt nicht die super Spezialisten sind. | |
Sie kaufen vor Ort ein? | |
Ja, so wollen wir auch die lokalen Geschäfte und kleinen Supermärkte | |
unterstützen. Wir hoffen, dadurch eine Verbindung zwischen den | |
Besitzer*innen der Supermärkte und den Geflüchteten zu schaffen. Und es | |
stand auch fest, dass wir persönlich hinfahren und die Spender*innen | |
darüber informieren, was mit ihrem Geld passiert. Wir denken, dass so auch | |
Leute zum Spenden animiert werden, die eher zögern, größeren Organisationen | |
zu spenden, da dort die Wege oft nicht so transparent sind. | |
Ihre Posts auf Instagram sind auf Englisch geschrieben. Hat das einen | |
besonderen Grund? | |
Lorenz Schmidt: Uns ist es wichtig, dass sich auch Geflüchtete und unsere | |
Partnerorganisationen über uns informieren können. Da bietet sich Englisch | |
eher an als Deutsch oder Griechisch. | |
Dennoch haben Sie sich für die Gründung eines deutschen Vereins | |
entschieden? | |
Levin Schmidt: Berlin ist einfach unser privater Dreh- und Angelpunkt. | |
Außerdem hat es auch Vorteile, nicht vor Ort in Griechenland registriert zu | |
sein. Mit den aktuellen Regeln für NGOs in Griechenland ist der | |
bürokratische Aufwand immens. Gleichzeitig gibt uns das auch eine andere | |
Freiheit, wenn wir Kritik äußern. Einige der Organisationen haben uns | |
bestätigt, dass sie sich da zurückhalten, um ihre Arbeit nicht zu | |
gefährden. | |
Im Herbst vergangenen Jahres wurde ein neues Camp auf Samos eröffnet. Wie | |
ist die Situation für die Geflüchteten dort seitdem? | |
Levin Schmidt: Die Lebensumstände sind besser. Die Geflüchteten müssen | |
nicht mehr in Zelten oder Hütten schlafen, stattdessen gibt es Container | |
mit Betten und einer Kochecke drin. Das Problem ist, dass das dazu führt, | |
dass Leute weiter unsichtbar gemacht werden. Das neue Lager ist von | |
doppeltem Nato-Stacheldrahtzaun umgeben. Zwischen der ersten und der | |
zweiten Reihe Stacheldraht fahren Polizeistreifen und es gibt Flutlicht. Es | |
sieht aus wie ein Gefangenenlager. Die Geflüchteten dürfen das Lager nur | |
von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends verlassen. Und der Hauptort der | |
Insel ist nun anderthalb Stunden Fußweg entfernt. | |
Deshalb haben Sie auch Bustickets gekauft? | |
Lorenz Schmidt: Genau. Die standen auf unserer Liste ganz oben. Mit den | |
Tickets haben die Geflüchteten die Möglichkeit, den Bus vom Camp in die | |
Stadt zu den NGOs zu nehmen und wieder zurückzukommen. | |
Wie geht es für Sie und Ihr Projekt weiter? | |
Lorenz Schmidt: Wir planen aktuell drei, vier Kampagnen pro Jahr. Der | |
Schwerpunkt soll auf Samos liegen. Es gibt derzeit auch erste Ansätze, | |
Organisationen in Athen zu unterstützen. | |
15 Mar 2022 | |
## AUTOREN | |
Juliane Sprick | |
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