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# taz.de -- Olympischer Big-Air-Wettbewerb: Nosegrab am Kicker
> Fun, Fun und nochmals Fun: Wenn die Snowboarder einen auf „Big Air“
> machen, dann geht's angeblich nicht um den Sieg. Echt?
Bild: Spektakel vorm Kühlturm: Der Chinese Su Yiming gewinnt den Big-Air-Wettb…
Es ist Gaudi angesagt am Stahlwerk. Nachdem sich dann doch herausgestellt
hatte, dass die Big-Air-Schanze nicht auf dem verkommenen Gelände eines
Atomkraftwerks, sondern neben den Kühltürmen eines stillgelegten Stahlwerks
in Peking gebaut worden ist, waren nach den Skifahrern die Snowboarderinnen
dran mit dem Hüpfen über die schicke Anlage. Man wollte halt irgendwas
Spaßiges in die Industrielandschaft pflanzen, so wie man es auch im dem
Ruhrgebiet macht, wo man des Sommers in der Kokerei der stillgelegten Zeche
Zollverein in Essen rumschwimmen kann. Und darum soll es ja gehen: um Fun.
Nur darauf kommt es an, [1][findet auch Anna Gasser].
Die Österreicherin hat nun schon zum zweiten Mal olympisches Gold im Big
Air gewonnen. Wie sie das denn geschafft hat? Mit Fun natürlich. Big Air
ist die größte Zirkusveranstaltung, die Olympia zu bieten hat. Abfahrt über
eine lange Schanze. In die Knie gehen vor dem Kicker, der Rampe, die die
Athletinnen in die Lüfte katapultiert. Dann die Drehungen, vorwärts,
rückwärts seitwärts. Und die Landung auf einem steilen Hang, etwa 50 Meter
unter den höchsten Punkt der Anlage. Hände hoch. Jubeln. Irgendeine nette
Geste für die Kameras. Spaß eben.
Begleitet wird das von flotten Rhythmen. Hiphop mit Schnee. Da sollen auch
die Fans in der Arena zum Sound des Spaßsports ihre Hüften schwingen. Nun,
für Spaß sind die paar Leute, die das Organisationskomitee für dieses Event
am frühen Pekinger Morgen mit Tickets versorgt hat, nicht unbedingt zu
haben. Immerhin schwenken sie brav kleine Fähnchen, wenn auf der
Anzeigetafel „Make Some Noise!“ zu lesen ist. Dann schauen sie wieder
staunend nach oben zum Start, wo ganz klein die Boarderinnen zu sehen sind.
## Die härtesten Menschen überhaupt
Alle können spüren, wie gefährlich das sein kann. Ein Aufschrei. Die
Japanerin Miyabi Onitsuka kann ihren Trick nicht ganz zu Ende drehen und
schlägt hart auf dem Hang auf. Macht nichts, meint der Sprecher. „Wir haben
hier das unglaublichste medizinische Team.“ Und weil hier „die härtesten
Menschen, die es auf diesem Planeten gibt“ am Start stehen, wundert er sich
nicht, dass Onitsuka zum zweiten von drei Durchgängen wieder über die Rampe
fährt. Verrückt das alles!?
Der Big-Air-Zirkus ist einfach und schnell zu erfassen. Es ist kein
Hindernisparcours wie oben in den Bergen beim Slopestyle und keine
Ansammlung von Tricks wie in der Halfpipe. Ein Sprung, eine Landung, eine
Wertung. Fertig. Vielleicht ist Big Air deshalb so erfolgreich. Die
Stahlgerüste, von denen die Sportlerinnen normalerweise abfahren, sind auch
schon in Barcelona, San Francisco, São Paulo oder Istanbul aufgebaut
worden.
Und selbst nach Mönchengladbach hat die Szene, die sich gern als crazy
beschreibt, den Spaß schon zu exportieren versucht. Was das bei Olympia zu
suchen hat? „Es ist die größte Bühne, die man bekommen kann“, sagt Anna
Gasser, „die Legende“, wie sie der Ansager auf der Strecke nennt. „Das
inspiriert vielleicht andere Mädchen, es uns nachzumachen.“ Warum sie sich
inspirieren lassen sollten? Weil es Spaß macht, klar.
Gasser ist mit ihren 30 Jahren schon so etwas wie die große, alte Dame des
Snowboardsports. Die zweitplatzierte Neuseeländerin Zoi Sadowski Synnott
ist zehn Jahre jünger. Bronzemedaillengewinnerin Kokomo Murase gar erst 17.
„Sie sind alle meine Inspiration. Sie regen mich dazu an, immer neue Tricks
zu versuchen.“ Was das macht? Spaß natürlich. „Ich bin nicht gesprungen, …
eine Medaille zu gewinnen, ich wollte Spaß haben.“ Ja, kann das wirklich
wahr sein? Doch, doch.
„Ich liebe Snowboarden. Wie sich der Sport bei den Frauen entwickelt hat.
Das ist einfach wahnsinnig.“ Und so geht es weiter. „All diese
fantastischen Sportlerinnen, die ihre besten Trick zeigen wollen, pushen
mich immer weiter.“ Das hat schon was, wie sie ihre Begeisterung über sich
und ihren Sport auf Englisch mit einem österreichischen Akzent vorträgt, an
dem man sich nicht satthören kann.
Und hat sie nicht recht? Als die Japanerin [2][Reira Iwabuchi] einen Trick
gezeigt hat, den bislang nur Männer gewagt hatten, einen Frontside Triple
Underflip Nosegrab für die, die es genau wissen wollen, da stürmten alle
Finalistinnen zu ihr und herzten sie. Es war der größte Moment des
Wettbewerbs. Dass sie nach der Landung gestürzt war? Egal. „Ich war nur
stolz auf sie“, meinte Gasser. „Frauen sind hier, und Frauen sind hungrig.�…
Es war ein Spaß. Wirklich.
15 Feb 2022
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=Fmz3AJwOTp4
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Reira_Iwabuchi
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Olympische Winterspiele 2022
Peking
China
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