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# taz.de -- Outing in der katholischen Kirche: „Nicht ich habe ein Problem“
> Ann-Cathrin Röttger hat sich als lesbisch geoutet, obwohl sie für das
> Bistum Osnabrück arbeitet. Der Hashtag #outinchurch war für sie
> befreiend.
Bild: War Teil der Initiative #outinchurch: Ann-Cathrin Röttger
Hamburg taz | Seit einer Woche kommt Ann-Cathrin Röttger kaum noch zum
Arbeiten. Ständig brummt das Handy, E-Mails stapeln sich in ihrem Postfach.
Presseanfragen, Glückwünsche, Dankesbriefe. Grund dafür ist ein Video.
Röttger sitzt darin vor einer grünen Leinwand, schaut ernst in die Kamera
und sagt: „Ich lebe seit vielen Jahren mit einer Frau zusammen.“
Mit diesem Satz hat Röttger ihren Job riskiert. Denn sie arbeitet für das
Bistum Osnabrück, laut katholischem Dienstrecht ist ihre Beziehung ein
Kündigungsgrund.
[1][Mit der Initiative #OutInChurch] haben sich vergangene Woche 125
Katholik*innen im Kirchendienst geoutet: als lesbisch, schwul, bi,
trans, inter, queer, non-binär. [2][In Videos erzählen sie ihre
Geschichten] und fordern ein neues Dienstrecht. Röttger, 43, ist eine von
ihnen.
Am Telefon erzählt sie von ihrer Kindheit: Taufe, Erstkommunion, Firmung.
Mit der Gemeinde fuhr sie ins Zeltlager, sie betreute Basteltage, plante
Kinderdiscos, Sportfeste, Karnevalsfeiern. Kirche war für sie:
Freundschaft, Freiheit, Selbstfindung.
## Angst gefeuert zu werden
Das änderte sich mit dem Studium. Röttger bewarb sich für
Religionspädagogik. Im Auswahlgespräch betonte die Kommission die Regel der
katholischen Kirche: Homosexuelle Beziehungen sind tabu. Röttger nickte,
bekam den Platz und später auch einen Job beim Bistum. Doch seit jenem Tag,
sagt sie, keimte in ihr diese Angst: gefeuert zu werden, weil sie lesbisch
ist.
Um die Angst zu verdrängen, überlud sie sich mit Arbeit. Und blieb allein.
„Natürlich ging das nicht gut“, sagt Röttger heute. Es folgten: Burn-out,
Krankschreibung, Therapie. Danach entschied sie: „Nicht ich habe ein
Problem, sondern die Kirche.“
Als sie im Mai von #OutInChurch erfuhr, zögerte sie zuerst. Zu einem
geheimen Vorgespräch ging sie trotzdem. „Das war krass: zu spüren, dass ich
nicht allein bin. Und sehr schön.“ Einige Monate später setzte sie sich vor
die Kamera.
Das Video wurde für Röttger zur Befreiung. „Dieses Versteckspiel ist jetzt
einfach vorbei“, sagt sie und klingt noch ungläubig. Ihren Job hat sie
behalten. Und: Ab heute diskutiert der Synodale Weg wieder über
Kirchenreformen. „Ich weiß, die Kirche ist ein sperriger Brocken“, sagt
Röttger. „Aber gerade habe ich Hoffnung. Zum ersten Mal seit Langem.“
Am 8. Februar ab 19 Uhr gibt es in Kooperation mit der Initiative Queer
Nations [3][einen taz talk zum Thema]: Was für Beispiele gibt es dafür, wie
Kirche und queere Identität positiv zusammen funktionieren? Welche Auswege
könnte es für die Katholische Kirche geben? Diesen Fragen wollen wir in
diesem Queer Talk nachgehen.
5 Feb 2022
## LINKS
[1] /Initiative-outinchurch/!5827805
[2] https://www.ardmediathek.de/video/wie-gott-uns-schuf/wie-gott-uns-schuf-ode…
[3] /Queere-Katholiken-im-Gespraech/!vn5832886
## AUTOREN
Anaïs Kaluza
## TAGS
Outing
Homosexualität
Katholische Kirche
Queer
Kolumne Habibitus
Podcast „Couchreport“
Geschlechtsidentität
Katholische Kirche
Kirche
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