# taz.de -- Datenschutzleck in Lübeck: Behördendaten bei Ebay | |
> Ein Laptop mit vertraulichen Mails landete versehentlich in einer | |
> Online-Auktion. Er wurde zuvor von der Lübecker Ausländerbehörde genutzt. | |
Bild: Festplatten mit sensiblen Daten vor dem Verkauf ausbauen: Das kannte man … | |
Digitalisierung ist in Lübeck Chefsache. Die Stadt, die sich gern als | |
„Smart City“-Vorreiterin sieht, baute 2020 eine IT-Strategieabteilung auf | |
und gab sich ein „Rahmenkonzept Digitale Strategie“. Darin heißt es, „der | |
verantwortungsvolle Umgang mit Informationen“ sei „von besonderer Bedeutung | |
für die Hansestadt, (…) insbesondere was personenbezogene Daten betrifft“. | |
Vergangenen Freitag deckte [1][das Computermagazin C’t] einen Datenskandal | |
auf, der zum Umgang der Stadt mit personenbezogenen Daten einige Fragen | |
aufwirft. | |
Der Mitarbeiter eines privaten Unternehmens hatte dem Magazin eine | |
Festplatte zugeschickt, die hoch brisantes Material enthält. Darauf war der | |
E-Mail-Verkehr der Lübecker Ausländerbehörde zwischen Anfang 2016 und Mitte | |
2021 zu finden, mit 31 NutzerInnenkonten und insgesamt 33.400 | |
vertraulichen und teils hoch brisanten Mails. | |
Auf der Festplatte fanden sich außerdem detaillierte Informationen zu 18 | |
aktuellen und ehemaligen MitarbeiterInnen der Behörde und 48 komplette | |
Akten zu Visa-Anträgen. Viele der Daten sollten nach der | |
Datenschutzgrundverordnung strengstens geschützt werden, etwa zu Religion, | |
sexueller Ausrichtung und ethnischer Herkunft sowie Verdienst- und | |
Vermögensnachweise. | |
Der Informant hatte die Festplatte in einem Computer gefunden, den er für | |
sein Unternehmen beim Online-Auktionshaus Ebay gekauft hatte. Es waren | |
ausgemusterte Behörden-Rechner, die eigentlich ohne Festplatten angeboten | |
wurden. „Bei einem Teststart“, schreibt C’t, „meldete sich Windows 7 mit | |
einem Desktop-Hintergrund der Hansestadt Lübeck.“ Die Daten waren ohne | |
detaillierte IT-Kenntnisse zugänglich. | |
## Offenbar wusste die Stadt schon Anfang Januar davon | |
Der Computer gehört zu 2.600 Rechnern, die die Stadt Ende vergangenen | |
Jahres erneuert hat. Die Landesdatenschutzbeauftragte Marit Hansen sagte | |
gegenüber C’t, dass nach der Datenschutz- und Durchführungsverordnung des | |
Landes „Datenträger mit sensiblen Daten vor der Verwertung ausgemusterter | |
PCs aus dem Rechner entfernt und anschließend vernichtet werden müssen“. | |
Das ist offenbar nicht geschehen. | |
Stattdessen wurden die alten Computer, offenbar mindestens zum Teil mit | |
Festplatte, einem Dienstleister für den Verkauf übergeben. Die städtische | |
IT-Abteilung sei mit etwa einem guten Dutzend MitarbeiterInnen zu klein, um | |
das allein zu stemmen, sagt Oliver Prieur, der Fraktionsvorsitzende der | |
Lübecker CDU, die in der Lübecker Bürgerschaft mit der SPD eine große | |
Koalition bildet. Vor diesem Hintergrund ist allerdings erstaunlich, dass | |
der beauftragte Dienstleister als Einzelunternehmer, also komplett ohne | |
MitarbeiterInnen, bei 2.600 PCs für die Löschung der Daten verantwortlich | |
war. | |
Aufgrund eines laufenden Verfahrens möchte er sich gegenüber der taz nicht | |
zu dem Vorfall äußern. Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) schiebt ihm die | |
Verantwortung zu: Er sei laut Vertrag für die Entsorgung der Festplatten | |
verantwortlich gewesen und hätte bestätigt, dass er „sämtliche auf der | |
Hardware befindlichen Daten durch unwiederherstellbare Zerstörung der | |
Datenträger“ vernichtet habe. | |
Offenbar wusste die Stadt schon Anfang Januar von dem Datenschutzleck und | |
meldete es der Landes-Datenschutzbeauftragten, die bis für die taz bislang | |
nicht erreichbar war. Die Öffentlichkeit erfuhr von der Panne erst durch | |
die Berichterstattung von C’t. „Aus ermittlungstaktischen Gründen“, sagt | |
die Stadt. Auch die Geschädigten wurden, entgegen den gesetzlichen | |
Vorgaben, nicht informiert. Ob möglicherweise weitere PCs mit sensiblen | |
Daten verkauft wurden, ist nicht bekannt. | |
## „Aktuell keine Konsequenzen“ | |
Für den Lübecker CDU-Fraktionschef Oliver Prieur wirft der Vorfall „eine | |
Menge Fragen auf“. Es gehe nicht, dass der Bürgermeister sich als großen | |
Datenschützer hinstelle – „und dann passiert so etwas“. Eine seiner Frag… | |
ist, warum überhaupt so viele Mails lokal auf dem Rechner anstatt auf dem | |
städtischen Server gespeichert waren. Laut C’t liegt das an der Software: | |
Gearbeitet wurde mit dem unverschlüsselten Outlook-E-Mail-Client. | |
Trotzdem hat das Datenleck für die Stadt „aktuell keine Konsequenzen“, sagt | |
Stadtsprecherin Nicole Dorel, „da die bisherigen Überprüfungen keine Fehler | |
im gültigen Prozess erkennen lassen“. Dieser Prozess basiere vor allem auf | |
einer Geschäftsanweisung für die Verwaltung und regelmäßigen, | |
verpflichtenden Datenschutz-Fortbildungen. | |
„IT und Lübeck, das geht einfach nicht zusammen“, findet Bastian Langbehn, | |
Vorsitzender der Partei Die PARTEI in Lübeck. „Die Festplatten müsste man | |
nur auf einen Magneten legen, und die meisten Daten sind vernichtet.“ Doch | |
die Computer seien weitergegeben worden, „als hätten sie sie nur | |
heruntergefahren“. | |
Bürgermeister Jan Lindenau möchte nun das Computermagazin dafür anzeigen, | |
„dass es mit unzulässigen Mitteln Daten geknackt hat“. Langbehn schlägt i… | |
etwas anderes vor: „Er soll ihnen lieber Marzipan schicken als Dankeschön, | |
dass sie das aufgedeckt haben – und überlegen, was das hätte anrichten | |
können.“ | |
2 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.heise.de/news/33-000-hochsensible-Mails-aus-dem-Auslaenderamt-L… | |
## AUTOREN | |
Friederike Grabitz | |
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