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# taz.de -- Handball-Europameister Schweden: Regisseur führt zum Titel
> Jim Gottfridsson hat sein Team zur Handball-EM geführt: als Spielmacher,
> Werfer, Anführer, Vorbereiter und derjenige, der die Kollegen anschnauzt.
Bild: Einfach durch: Schwedens Jim Gottfridsson lässt sich von der spanischen …
Es ist in den Tagen von Bratislava und Budapest viel erzählt und
geschrieben worden über Jim Gottfridsson. Nach all diesen Heldensagen
konnte es niemanden mehr überraschen, dass der schwedische Regisseur den
letzten Spielzug im Finale der Handball-EM ansagte – und nicht Trainer
Glenn Solberg.
Es waren noch 19 Sekunden gegen Spanien, es stand unentschieden, und
Gottfridsson befahl eine Variante über die rechte Angriffsseite – dort
seien die Spanier schwach. Kurios, dass er seine Kollegen anblaffte, ob sie
zugehört hätten, ob sie ihn verstanden hätten. Hatten sie. Albin Lagergren
bekam den Ball, wurde beim Sprung in den Kreis von Joan Cañellas gefoult,
und den anschließenden Siebenmeter verwandelte Niclas Ekberg zum 27:26.
Nach zwanzig Jahren waren die Schweden wieder Handball-Europameister.
Natürlich lobten später alle die Mannschaftsleistung. „Wir haben während
der ganzen EM eine Abwehr auf höchstem Niveau gestellt“, sagte Solberg.
Doch das allein hätte niemals gereicht, um Europameister zu werden. Es
brauchte dafür schon einen Weltklasse-Spielmacher.
Wieder ist Jim Gottfridsson zum wertvollsten Spieler (MVP) gewählt worden;
schon vor vier Jahren war er dergestalt ausgezeichnet worden. Diesmal
strahlte sein Stern ungleich heller. 36 Tore, 54 Vorlagen im Turnierverlauf
– kein anderer Mittelmann der besten Nationen dominiert sein Team so wie
Gottfridsson. Er sagt: „Meine Rolle ist, anzuführen. Für das Ausführen sind
andere zuständig.“ Famos war ab der Hauptrunde sein Zusammenspiel mit
Kreisläufer Oscar Bergendahl, den vorher nur Eingeweihte kannten. Und hatte
Gottfridsson im [1][Halbfinale gegen Frankreich] noch neun Tore aus zehn
Versuchen geworfen, waren es im Endspiel nur drei Treffer – aber sieben
Vorlagen. Bei ihm läuft alles zusammen.
## Auch die Coronakrise besser bewältigt als andere
Auch die Schweden litten bei dieser EM unter dem Coronavirus. Zwischendurch
mussten sie auf Torwart Andreas Palicka verzichten – rechtzeitig zum
Frankreich-Spiel kehrte er nach negativem PCR-Test zurück, zeigte sich da
und im Finale in Prachtform. Auch die Außen Hampus Wanne und Niclas Ekberg
konnten sich freitesten, ebenso Rückraumspieler Felix Claar, der
Gottfridsson im Finale wichtige Pausen verschaffte, und Abwehrchef Max
Darj.
Der Kader der Schweden ist deutlich breiter als noch 2018, und es wirkt,
als hätten sie die enttäuschende Heim-EM mit dem Hauptrunden-Aus vor zwei
Jahren abgehakt. Danach kam der Norweger Solberg als Coach. Er hat nicht
nur die Gruppe der Elitehandballer vergrößert, die zu Lehrgängen eingeladen
werden. Er hat auch jedem Einzelnen mehr Verantwortung und Freiraum gegeben
und dem schwedischen Team ein Leitbild geschneidert: Respekt vor dem
Gegner, Vertrauen ins eigene Können. Wer bei den Schweden nachnominiert
oder überraschend eingesetzt wurde – meist griff ein Rädchen ins nächste.
„Viel mehr als ein Job“
Nun werden die neuen Schweden mit den alten verglichen. In den 90er Jahren
und Anfang des Jahrtausends dominierten die legendären „Bengan Boys“ unter
Trainer Bengt Johansson. Allerdings war die europäische Spitze damals nicht
so eng zusammengerückt; heute spielen die Halbfinalisten plus Norwegen auf
einem Niveau, Länder wie Ungarn, Island und Kroatien sind nie zu
unterschätzen.
Verbunden war der Titel mit Erleichterung – und Dank: „Das ist viel mehr
als ein Job, was wir hier 28 Tage getan haben“, sagte Gottfridsson, „für
die ganze Unterstützung durch unsere Familien, die uns zu Hause den Rücken
freigehalten haben, können wir nur danken.“ Zu Hause in Handewitt warten
seine beiden Kinder und seine Frau auf den 29 Jahre alten Profi, der seit
2013 für die [2][SG Flensburg-Handewitt] spielt.
Und wie es im Handball so ist, wird für seine liebste
Freizeitbeschäftigung, Waldspaziergänge mit den Kindern, wenig Zeit
bleiben. Donnerstag in einer Woche geht es für die SG in Wetzlar weiter.
Die Verdienste der EM zählen dann nicht mehr. Aber anders kennen es die
vielbeschäftigten Handballprofis ja gar nicht. Und glaubt man Gottfridsson,
der sich selbst als Handball-Nerd bezeichnet, fehlt ihm der kleine Ball
auch immer recht schnell.
31 Jan 2022
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## AUTOREN
Frank Heike
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