| # taz.de -- Die Wahrheit: Der Watschndepp | |
| > Lebenslänglich Bayer: Wenn einer so ausschaut wie der Watschndepp, dann | |
| > ist der Watschnbaum nicht weit. Es ist ein Elend im Freistaat. | |
| Der kleine Andreas war sehr stolz, dass er hat mitfahren dürfen. Er war, | |
| was man sich heute kaum mehr vorzustellen vermag, ein schmächtiges | |
| Bürschchen, arg schüchtern und er kann es eigentlich bis heute nicht so | |
| recht verstehen, warum sie ihm damals in seinem siebten Schuljahr zum | |
| Klassensprecher gewählt haben. Er, der Watschndepp! So nannten ihn seine | |
| Amtskollegen. Einmal hat er einen gefragt, wieso sie ihn eigentlich so | |
| hießen, woraufhin der gemeint hat: „Weil du halt so ausschaust.“ | |
| Der kleine Andreas fragte nicht weiter. Er war aber doch ein wenig besorgt. | |
| Konnte es wirklich sein, dass man es ihm ansah, wenn er zu Hause wieder | |
| einmal eine Watschn kassiert hatte? Das kam ja bisweilen vor. Seiner Mutter | |
| rutschte schon mal die Hand aus, wie sie es nannte. Und wenn sein Vater | |
| sich in die Erziehung eingemischt hat, dann ist es auch mal vorgekommen, | |
| dass die Stellen, an denen seine Finger auf die Wange getroffen sind, noch | |
| Stunden später rot gefärbt waren. Vielleicht war es ja nur logisch, dass | |
| sie den kleinen Andreas Watschndepp nannten. | |
| Auf eine Watschn war er richtig stolz. Schwester Leonilla, seine | |
| Religionslehrerin in der Grundschule, hatte sie ihm verpasst. Der ganz | |
| kleine Andreas hatte mit seinen Mitschülern überlegt, ob Jesus als | |
| Menschensohn, der er ja war, wohl auch mal pieseln musste. Um zu sehen, wie | |
| das ausgesehen haben könnte, malte er Jesus beim Einzug nach Jerusalem, wie | |
| er neben einem Esel an einer Palme steht und an selbige uriniert. Für | |
| Schwester Leonilla war das zu viel des Blasphemischen und der Watschnbaum | |
| ist umgefallen. | |
| Der kleine Andreas hat diesen Ausdruck oft gehört. Er hat früh verstanden, | |
| dass sich die Züchtiger damit selbst einen Freispruch erteilen, weil es | |
| irgendwie schicksalhaft ist, wenn der Watschnbaum umfällt. Außerdem hört es | |
| sich irgendwie niedlich an: Es mag zwar wehtun, wenn der Watschnbaum | |
| umfällt, aber so richtig schlimm kann es ja wohl nicht sein. Und die | |
| altbayerische Erziehungsideologie hat eh immer geheißen: „Ein ordentliche | |
| Watschen hat noch niemandem nicht geschadet.“ | |
| Wenn es eine Watschn mal in die Medien schafft, dann hört es sich gleich | |
| halb so schlimm und eher wie eine Posse an, nicht wie ein Bericht von einer | |
| Gewalttat. So hat in dieser Woche die Polizei im oberbayerischen Geretsried | |
| gemeldet, dass sich ein Vater nach einer Watschn, die er seinem Sohn in | |
| einem Wirtshaus in Dietramszell verpasst hat, eine veritable | |
| Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert hat. So sind sie halt, die | |
| Bayern, mag man sich außerhalb des Freistaats denken. | |
| Der Vater, von dem die Rede war, ist zur Tatzeit übrigens 56 Jahre alt | |
| gewesen und der Sohn 27. Wie hat die Mutter des kleinen Andreas immer | |
| gesagt, als der schon gar nicht mehr klein, sondern viel größer als seine | |
| kleine Mutter war, als ihre Hand mal wieder dabei war, auszurutschen? „Du | |
| bist mir fei noch lange nicht zu groß!“ | |
| 21 Jan 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
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