# taz.de -- Kitas im Kampf gegen steigende Mieten: Die Insel im Mietpreispoker | |
> Kitas ziehen im Kampf um bezahlbare Räume häufig den Kürzeren. Angesichts | |
> des Kita-Platzmangels kann sich die Stadt das eigentlich nicht leisten. | |
Bild: Das bisschen Taschengeld: Kita-Trägern fehlen oft die Mittel, um bei den… | |
Berlin taz | Die Eichendorffstraße 17 in Mitte ist eine gute Adresse: eine | |
Querstraße zur Invalidenstraße, nur einen Steinwurf vom Nordbahnhof und der | |
Mauergedenkstätte entfernt. Höherpreisige Hotels für TouristInnen gibt es | |
hier, teuren Kaffee, schöne Altbauwohnungen in zentraler Lage und moderne | |
Bürogebäude. „Gute Adresse“ heißt in dem Fall deshalb auch: teure Adress… | |
Die Kita Kinderinsel, die in der Eichendorffstraße 17 seit rund 20 Jahren | |
237 Quadratmeter Erdgeschossfläche mietet, bekommt das derzeit zu spüren. | |
Seit der Kita-Vorstand im Sommer 2020 erfahren hat, dass ihre langjährige | |
Vermieterin an einen Investor verkaufen will, ist man in Sorge, dass ein | |
neuer Vermieter entweder die Miete kräftig erhöht, wenn der Mietvertrag in | |
zwei Jahren ausläuft – oder der Kinderinsel gleich ganz kündigt. „Wir hab… | |
uns mal umgesehen, welche Gewerbemieten hier im Kiez aufgerufen werden, ob | |
wir Alternativen haben – aber da sind wir bei rund 30 bis 40 Euro pro | |
Quadratmeter“, sagt Anke Fiedler vom Vorstand der Kita. | |
Unmöglich zu stemmen für Kitas, die im Wesentlichen auf die Subventionen | |
aus der Landeskasse angewiesen sind – sie machen 95 Prozent der | |
Finanzmittel aus – und die praktisch keine eigenen Einnahmen | |
erwirtschaften. Man zahle derzeit 15 Euro pro Quadratmeter und sei damit am | |
Limit, sagt Fiedler. | |
Im Mietpreispoker, der bei den Gewerbemieten keine Deckelung kennt, | |
[1][ziehen Kitas aber auch andere soziale Träger regelmäßig den Kürzeren], | |
denn Rendite macht man mit ihnen nicht. Aktuell sind im Bezirk Mitte | |
mindestens vier Kitas von einer Schließung bedroht, weil ihre Mietverträge | |
auslaufen, sagt der zuständige Jugendstadtrat Christoph Keller (Linke) auf | |
taz-Anfrage. Viel tun könne er nicht, sagt Keller: „Es fehlen Instrumente | |
zur Kontrolle der Gewerbemieten, aber die müssen auf Bundesebene geschaffen | |
werden.“ | |
Die Kinderinsel ist mit 25 Kindern eine kleine Kita. Träger ist ein | |
Elternverein. Für die chronisch angespannte Kita-Platzversorgung in der | |
Hauptstadt sind „die Kleinen“ ein wichtiger Player: Rund 31.000 Kita-Plätze | |
sind allein im Dachverband der Berliner Kinder- und Schülerläden (Daks) | |
organisiert. Die meisten residieren in Erdgeschossen von Mehrfamilien- oder | |
Bürohäusern, weil sie, anders als etwa die großen landeseigenen Kitas, zu | |
klein sind für eigene Gebäude. Damit konkurrieren sie zum Beispiel mit | |
Cafés, Start-ups und Maklerbüros um die beliebten Ladengeschäfte in | |
Erdgeschosslage. | |
Die Kinderinsel sei ein typischer Fall, sagt Babette Sperle vom | |
Dachverband. [2][Seit sechs Jahren dokumentiert Sperle für den Daks die | |
Hilfegesuche von bedrohten Kinderläden], die sie erreichen, und bietet | |
betroffenen Mitgliedern Beratung an. Rund 100 Fälle habe sie in den Jahren | |
begleitet, sagt Sperle: „Hotspots sind die Innenstadtbezirke Neukölln, | |
Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte.“ Aber auch aus Reinickendorf und | |
Pankow-Nord kämen vermehrt Hilfegesuche. | |
Corona habe die Dynamik etwas gebremst, sagt Sperle. „In den letzten zwei | |
Jahren haben sich etwas weniger Kitas gemeldet.“ Sperle vermutet einen | |
Zusammenhang mit einer gedrosselten Nachfrage nach Gewerbeimmobilien in der | |
Pandemie. Die Berliner Industrie- und Handelskammer kann das auf Anfrage so | |
pauschal allerdings nicht bestätigen: Es gebe zwar „partielle Leerstände | |
insbesondere im Einzelhandel sowie der Gastronomie- und Tourismusbranche“, | |
so eine Sprecherin. In anderen Bereichen gebe es aber eine „nach wie vor | |
hohe Nachfrage“. | |
Sperle hofft trotzdem, dass VermieterInnen angesichts der Unsicherheit | |
durch die Pandemie eher auf Sicherheit denn auf hohe Renditeerwartungen | |
setzen könnten. „Kitas sind ja sehr stabile Mieter, und für die Liquidität | |
bürgt schon das Land durch die verlässliche Finanzierung der Kitaplätze.“ | |
Mit der „Liquidität“ ist das allerdings auch Ansichtssache. Die Kitas | |
bekommen 95 Prozent ihrer Sach- und Personalkosten vom Land. Gezahlt wird | |
das als Pauschale pro belegtem Kitaplatz. Die restlichen 5 Prozent müssen | |
sie selbst erwirtschaften – oder, besser gesagt: irgendwo einsparen. | |
Das geht zum Beispiel, indem Eltern in kleineren Kitas Hausmeister- oder | |
Putzdienste übernehmen. Oder indem freie Träger bei den Personalkosten | |
sparen, wie auch Sperle sagt. Denn durch die Pauschale, die die Kitas | |
bekommen, müssen sie selbst kalkulieren, wo sie eine hohe Miete an anderer | |
Stelle wieder einsparen. Für kleine Kitas ist das besonders schwer, denn je | |
weniger Kinder sie betreuen, desto weniger Finanzmittel bekommen sie vom | |
Land. Die vier Kitas in Mitte, die von Kündigung bedroht sind, sind denn | |
auch alle kleinere Einrichtungen mit maximal 40 Kindern, weiß Stadtrat | |
Keller. | |
Alle vier Jahre verhandeln Kita-Träger mit der Jugend- und der | |
Finanzverwaltung über den Kita-Haushalt. Meistens gibt es dann immer etwas | |
mehr Geld, so zuletzt auch Ende Dezember: Um die Inflation auszugleichen, | |
und damit auch die freien Träger ihre Löhne analog zu den Tarifergebnissen | |
für die ErzieherInnen in den landeseigenen Kitas erhöhen können. | |
[3][Insgesamt 500 Millionen Euro mehr bis 2025] wurden verhandelt, ein Plus | |
von 6,66 Prozentpunkten für den Kita-Haushalt des Landes. | |
Doch das reicht nicht, um insbesondere steigende Mietkosten zu | |
kompensieren. Sperle vom Daks betont zwar, es sei gut, dass in dem jetzt | |
verhandelten Finanzrahmen zwischen Land und Trägern erstmalig ein | |
„Bezugswert“ für Mietkosten ausgewiesen sei. Man gehe von etwa 8 Euro pro | |
Quadratmeter Kaltmiete für einen kleineren Kinderladen aus – „das ist aber | |
leider immer noch weniger, als die Einrichtungen im Durchschnitt bezahlen“. | |
Eine Abfrage unter den Daks-Mitgliedern habe einen Mittelwert von 10 Euro | |
Nettokaltmiete pro Quadratmeter ergeben. | |
„Das hilft jetzt nicht den Kitas in akuten Notlagen“, sagt Sperle. Aber bei | |
zukünftigen Budgetverhandlungen habe man jetzt erstmals eine Orientierung – | |
die auch deutlich mache, dass die Kitas hier unterfinanziert sind. Und | |
vielleicht, hofft Sperle, habe man bis 2025 ja auch „endlich [4][einen | |
Gewerbemietspiegel und Instrumente zur Regulierung]“. Auch müsse Leerstand | |
in Gewerbeimmobilien steuerrechtlich bestraft werden – bisher dürfen | |
Unternehmer nicht eingenommene Mieteinnahmen von der Steuer absetzen. | |
Bei der Kinderinsel setze man die Hoffnungen nun vor allem darauf, dass der | |
Investor doch noch von seinem Kaufvorhaben Abstand nehmen könnte, sagt | |
Vorständin Fiedler. Parallel versuche man daher weiterhin, die Immobilie | |
selbst mithilfe eines Bankdarlehens und einer Schweizer Stiftung zu kaufen, | |
sagt Fiedler. | |
Sperle vom Daks sagt, von den 100 Kitas, die sie beraten hat, habe es am | |
Ende nur für vier keine Lösung gegeben. Auch das könnte der Kinderinsel | |
Hoffnung machen. | |
14 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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