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# taz.de -- Die Unsichtbarkeit des älteren Mannes: Hotness zur Aushilfe
> Männer machen Männern keine Komplimente? Stimmt so nicht – aber leicht
> fällt es ihnen auch nicht. Und wie alles legt sich auch das im Alter.
Bild: „Gegen die Nacht können wir nicht ankämpfen, aber wir können ein Lic…
Hot und hysterisch zur Aushilfe – eine Vertretung für die verehrte, leider
derzeit verhinderte [1][Kollegin Lou Zucker] sollte einen provisorischen
Charakter haben, ein eben ganz anderes Ich etablieren. Auch ich, sage ich
also, war mal hot; aber es ist ein bisschen her.
Im Herbst 1989 radelte ich von Verona nach Triest und landete eines Abends
in einem im Nebel verlorenen Städtchen. Dort gab es eine Art Hostel in
alten Gemäuern. Ein Bett im Dormitorium war noch frei, der Rest war belegt
von einer schwulen Radlergruppe aus Kalifornien.
Sie luden mich zu ihrem Abendessen, sie waren nett und lustig und sehr
angetan vom gerade sich vollziehenden Zusammenbruch des realen Sozialismus.
Ich ging mal eine rauchen. Von draußen hörte ich, wie sie sich über mich
austauschten („he is so beautiful“), und war angenehm überrascht – das
hatte noch nie jemand über mich gesagt.
Und auch später, fällt mir beim Nachdenken über diese Episode ein, waren es
die insgesamt seltenen Male, dass ich Komplimente bekam (es war eine andere
Zeit!), meist Männer, die mein Aussehen positiv kommentierten, bis sich mit
dem Alter auch das erledigte. Als ich dann vor ein paar Jahren zu einem
Fest mit alten Theaterkollegen fuhr, schrieb eine Freundin einen Artikel
darüber und hielt zu mir im Wesentlichen fest, dass ich ganz schön moppelig
geworden sei.
## Eine Maxime
So wird alles immer anders, heute erfreue ich mich an der Schönheit meiner
Kinder und akzeptiere für mich als älteren Mann, [2][was von meinen
Altersgenossinnen als die „Unsichtbarkeit der älteren Frau“ mal
konstatiert, mal beklagt wird.] Nicht, dass ich nicht manchmal erschrecken
würde, wenn ich in den Spiegel schaue; aber wenn ich es als Maxime
formulieren wollte, würde ich sagen: Wer mal gut dagestanden hat, der
verfällt auch besser. Und vielleicht deswegen habe ich immer gut
verstanden, warum Frauen den Spruch: „Du bist so wunderschön“, abturnend
fanden, zumindest die Frauen, die mich interessierten.
Die Komplimente der Männer meine frühere Hotness betreffend waren übrigens
selten Anmache; sie kamen von Heteromännern, aus denen eine gewisse
spontane Verunsicherung hervorschoss – so als ich einmal von einem
La-Palma-Urlaub zu einer Lesung ins winterliche Berlin zurückkehrte und der
Veranstalter es irgendwie nicht glauben mochte, dass man Anfang Januar gut
aussehen konnte. Er war eben ein Deutscher. Denn in Italien wurde ich
durchaus „bellezza“ genannt, wobei da neben dem puren Gefallen an der
Schönheit des Anderen immer schon das katholisch-rationale memento mori
mitschwingt.
Eigentlich habe ich zum Schluss ein anderes Zitat gesucht, aber dann das
gefunden, von Franz von Assisi: „Gegen die Nacht können wir nicht
ankämpfen, aber wir können ein Licht anzünden.“ Deswegen habe ich, seit ich
50 geworden bin, ein Regal voller Pflegeprodukte im Bad. Weil man ja
weiterhin eine Freude sein will – insbesondere für sein Gegenüber.
12 Jan 2022
## LINKS
[1] /Erfahrungen-beim-Heterodating/!5799201
[2] /Podcast-Midlife/!5762559
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
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Schönheit
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Schwerpunkt #metoo
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Mittelalter
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