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# taz.de -- Umgang mit Corona in Israel: Mehr Fälle, weniger Überwachung
> Israel hat im Kampf gegen Corona lange auf staatliche Kontrolle gesetzt.
> Inzwischen ist das anders. Das zeigt sich nicht nur bei der
> Handyüberwachung.
Bild: In Israel findet aktuell keine Handyüberwachung mehr statt
Tel Aviv taz | „Zwei Jahre lang Überwachung und plötzlich bricht alles
zusammen“, sagt Mareike Lauken und schüttelt den Kopf. Die 40-jährige
Deutsche lebt seit fünf Jahren in Israel und kann nicht glauben, was
geschieht: „Vorher wurden die Mobiltelefone überwacht, jetzt darf man sich
bei Kontakt mit Infizierten zu Hause selber testen. Dementsprechend kann
man sich dann in Quarantäne begeben – oder ein positives Ergebnis unter den
Tisch fallen lassen.“
Im [1][Kampf gegen Corona] hat Israel im Vergleich zu Deutschland lange auf
hohe staatliche Kontrolle gesetzt. Ohne eine App heruntergeladen zu haben,
erhielt man bei Kontakt zu Infizierten zeitweise eine Nachricht aufs Handy
geschickt, dass man einen PCR-Test durchführen müsse. Die Handyüberwachung
durch den Inlandsgeheimdienst, bei der die Bewegungsdaten von Infizierten
ausgewertet wurden, war erstmals im März 2020 eingeführt worden. Angesichts
der Omikron-Variante führte Israels neue Regierung sie im vergangenen
November für wenige Tage erneut ein. Auch wer in Quarantäne war, musste
damit rechnen, etwa einmal pro Tag von offizieller Seite kontrolliert zu
werden.
Doch Omikron verändert die Situation. Nicht nur die Handyüberwachung findet
nicht mehr statt, die Regierung gibt auch die Kontrolle über die Tests aus
der Hand. Seit Freitag steht Menschen unter 60 bei Kontakt zu Infizierten
kein PCR-Test mehr zu, sondern nur noch ein Antigentest. Den können
Geboosterte kostenlos in einem offiziellen Testzentrum durchführen lassen
oder aber – auf eigene Kosten – zu Hause. Umgerechnet 14 Euro kostet ein
Schnelltest in Israel. Hintergrund ist, dass die PCR-Tests zur Neige gehen
und es angesichts des Andrangs in den Testzentren auch an Testpersonal
mangelt.
Moshy Mordechai beruhigen die neuesten Regeln. Dabei fühlte es sich Anfang
der Woche für den 75-Jährigen, der mit Lungenproblemen zu kämpfen hat, noch
bedrohlich an, als er an einer mehrere Hundert Meter langen Schlange vor
einem Testzentrum in Tel Aviv vorbeiging. „Ich hatte Sorge, im Fall einer
Erkrankung das Zeitfenster zur Einnahme von Paxlovid nicht einhalten zu
können.“ Das in Israel vor einer Woche eingetroffene Medikament soll einen
schweren Verlauf der Krankheit verhindern. Dafür muss es jedoch innerhalb
von fünf Tagen nach dem Eintreten von Symptomen eingenommen werden. Und um
sich Paxlovid verschreiben lassen zu können, braucht es zuallererst dies:
einen positiven PCR-Test.
Den würde Mordechai – weil er über 60 ist – nun aber doch rechtzeitig
bekommen. Und noch etwas gibt ihm Sicherheit: Kurz nach unserem Gespräch in
einem Café im Zentrum von Tel Aviv wird er seinen zweiten Booster erhalten.
[2][Als weltweit erstes Land bietet Israel seit dieser Woche die vierte
Impfung für Über-60-Jährige an.]
## Weniger präzise Daten
Die neuen Regeln dürften das Infektionsgeschehen allerdings noch
verstärken. Als vor einer Woche die Schlangen vor den Testzentren immer
länger und die PCR-Tests immer knapper wurden und für Jüngere die
Aufforderung kam, Antigentests statt PCR-Tests durchzuführen, lag der
45-Jährige Yoam Laskowsky mit Halsschmerzen und Hitzeschüben im Bett.
Testen ließ er sich nicht. „Wenn ich nicht ohnehin Omikron hatte, hätte ich
es sicherlich dort in der Schlange gekriegt: zwei Stunden mit anderen
potentiell Infizierten, die wenigsten von ihnen mit Maske. Und für einen
Schnelltest aus der Drogerie war ich zu geizig.“ Ohnehin glaube er nicht
recht an die Aussagekraft der Antigentests, sagt Laskowsky.
Folgen werden die neuen Regeln auch für die Statistik haben. Bis
vergangenen Donnerstag basierten die israelischen Zahlen zu Neuinfektionen
auf PCR-Tests. Sie gaben ein im Großen und Ganzen recht realistisches Bild
des Infektionsgeschehens ab. Von jetzt an werden die Statistiker*innen
mit weniger präzisen Daten arbeiten müssen, vermutlich werden sie ihr
Augenmerk eher auf die Krankenhauseinweisungen richten.
Trotzdem hält Mordechai die neuen Regelungen für vernünftig. Sie sorgten
dafür, dass das Leben so normal wie möglich weitergeht. „Jeder muss jetzt
selbst Verantwortung übernehmen, das wird nicht flächendeckend
funktionieren, aber vernünftig ist es.“
7 Jan 2022
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[2] /Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5825455
## AUTOREN
Judith Poppe
## TAGS
Kolumne Stadtgespräch
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Israel
Handydaten
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